Eine couragierte und glaubenstreue Klosterfrau


Äbtissin Freifrau Philippina von Guttenberg mit dem Abbatissa-Stab
Äbtis­sin Frei­frau Phil­ip­pi­na von Gut­ten­berg mit dem Abbatissa-Stab

Frei­frau Phil­ip­pi­na von Gut­ten­berg kämpf­te als letz­te Äbtis­sin des alten Hil­de­gar­dis­klo­sters Eib­in­gen gegen ein anti­rö­mi­sches Ver­welt­li­chungs-Pro­gramm im kur­fürst­li­chen Bis­tum Mainz. Ihr cou­ra­gier­tes Ein­tre­ten gegen die Selbst­sä­ku­la­ri­sa­ti­on der Kir­che vor 200 Jah­ren ist ein mut­ma­chen­des Zei­chen für glau­bens­treue Katho­li­ken heute. 

Anzei­ge

Ein Bei­trag von Hubert Hecker.

In die­sen Wochen erin­nert die Bene­dik­ti­ne­rin­nen­ab­tei St. Hil­de­gar­dis im Rhein­gau dar­an, dass die Hei­li­ge und Kir­chen­leh­re­rin Hil­de­gard vor 850 Jah­ren in Eib­in­gen ihr zwei­tes Frau­en­klo­ster grün­de­te. Gleich­zei­tig schaut man dank­bar zurück auf die Neu­grün­dung und den Neu­bau des der­zei­ti­gen Klo­sters vor 110 Jah­ren. Schließ­lich ist zu ver­wei­sen auf die Auf­he­bung des alten Hil­de­gar­dis-Klo­sters vor 200 Jah­ren. Damals hat­ten geist­li­che und welt­li­che Mäch­te die Säku­la­ri­sa­ti­on des Klo­ster­le­bens betrie­ben. Davon han­delt die fol­gen­de Aus­füh­rung und wie sich eine muti­ge Klo­ster­frau dage­gen wehrte:

In den Jah­ren von 1785 bis 1804 war Frei­frau Phil­ip­pi­na von Gut­ten­berg mit der Lei­tung des damals frei­ad­li­gen Bene­dik­ti­ne­rin­nen-Klo­sters Eib­in­gen bei Rüdes­heim betraut – zunächst fünf Jah­re als Prio­rin, danach 13 Jah­re als Äbtis­sin. Sie war die 31. Nach­fol­ge­rin der hl. Kir­chen­leh­re­rin Hil­de­gard. Ihr Sie­gel­bild zeigt in einem herz­för­mi­gen Blatt­kranz die Rose aus dem Wap­pen der Frei­her­ren von Guttenberg.

Aus alt-adliger katholischer Familie

Die alta­d­li­ge Fami­lie von Gut­ten­berg war mit drei Lini­en im Ober­frän­ki­schen nahe Kulm­bach behei­ma­tet. Schon seit dem 15. Jahr­hun­dert stell­te die katho­li­sche Fami­lie Geist­li­che und Amts­leu­te für die Fürst­bis­tü­mer Bam­berg und Würz­burg sowie das metro­po­li­ta­ne Kur­fürst­bis­tum Mainz. Auch der Vater der spä­te­ren Äbtis­sin war als Kam­mer­herr und Obrist „über ein Regi­ment zu Fuß in der Legi­on Leyanal“ im kur­fürst­li­chen Dien­ste ange­stellt. Im Okto­ber 1731 ver­mähl­te er sich in zwei­ter Ehe mit der Frei­frau Wil­hel­mi­ne Char­lot­te Phil­ip­pi­ne von Eber­stein, geb. Frei­in von Quer­n­heim. Die älte­ste Toch­ter Phil­ip­pi­na Aga­tha wur­de 1734 auf dem Stamm­sitz der Mut­ter in Lan­gen­dern­bach /​ Wester­wald gebo­ren und in der damals neu­ge­bau­ten Barock­kir­che im benach­bar­ten Frick­ho­fen getauft. Sie wuchs mit vier Geschwi­stern am Wohn­sitz der Fami­lie in Mainz auf. 1754 leg­te Phil­ip­pi­na von Gut­ten­berg ihre fei­er­li­che Pro­fess im Hil­de­gar­dis­klo­ster Eib­in­gen ab, das im Gebiet und unter der geist­li­chen Auf­sicht des Kur­für­sten­tums Mainz stand.

Tochterkloster der heiligen Kirchenlehrerin Hildegard

Das Hildegardiskloster Eibingen nach dem Wiederaufbau am Ende des 17. Jahrhunderts
Das Hil­de­gar­dis­klo­ster Eib­in­gen nach dem Wie­der­auf­bau am Ende des 17. Jahrhunderts

Die hei­li­ge Hil­de­gard hat­te Eib­in­gen 1165 als Toch­ter­kon­vent von ihrem Haupt­sitz Ruperts­berg gegrün­det. Nach­dem schwe­di­sche Trup­pen 1632 das Stamm­klo­ster zer­stört hat­ten, ver­blieb Eib­in­gen als das ein­zi­ge Haus der adli­gen Hil­de­gar­dis-Schwe­stern. Nach dem 30jährigen Krieg begann ein Neu­auf­bau des Bene­dik­ti­ne­rin­nen-Klo­sters: Mit dem Neu­bau der Kir­che 1681 wur­de der Drei-Flü­gel­bau der ansehn­li­chen Klo­ster­an­la­ge abge­schlos­sen. Mit­te des 18. Jahr­hun­derts, als Baro­nes­se von Gut­ten­berg ins Klo­ster ein­trat, beschei­nig­te ein Visi­ta­ti­ons­be­richt dem Kon­vent ein „auf­er­bau­li­ches klö­ster­li­ches Leben“. Neben den zwölf Chor­schwe­stern waren ein hal­bes Dut­zend Lai­en­schwe­stern vor­wie­gend mit wirt­schaft­li­chen Tätig­kei­ten betraut. Dane­ben gab das Klo­ster einer Rei­he von Mäg­den und Knech­ten Beschäftigung.

1786 war Frei­frau Phil­ip­pi­na von Gut­ten­berg – alle Pro­fes­sen behiel­ten im Klo­ster ihren Geburts- und Fami­li­en­na­men bei – zur Prio­rin der Abtei bestimmt wor­den. Nach dem Tod der Äbtis­sin nur zwei Jah­re spä­ter muss­te sie in der Vakanz­zeit die Lei­tung der klö­ster­li­chen Fami­lie allein über­neh­men – und das unter äußerst bedrücken­den Zeitumständen.

Bischöfe biederten sich dem zerstörerischen Zeitgeist der Aufklärung an

Über die Orden und Klö­stern hat­ten sich schon seit län­ge­rem bedroh­li­che Wol­ken zusam­men­ge­braut: Von der Auf­klä­rung infi­zier­te Bischö­fe und Geist­li­che pole­mi­sier­ten in diver­sen Schrif­ten etwa seit der Jahr­hun­dert­mit­te gegen die spe­zi­fisch katho­li­schen Glau­bens­for­men: Mies gemacht wur­den Wall­fahr­ten und Pro­zes­sio­nen, fei­er­li­che Got­tes­dien­ste und Andach­ten, Anbe­tung und Gre­go­ria­nik, Mari­en- und Hei­li­gen­ver­eh­rung sowie Treue zu Papst und Tra­di­ti­on. Die Lit­ur­gie und Zere­mo­nien soll­ten der Ratio­na­li­tät des Zeit­gei­stes ange­passt wer­den, der Zöli­bat beschränkt und leich­ter Dis­pen­sen bei kirch­li­chen Vor­schrif­ten gege­ben wer­den. Die Gene­ral­for­mel der auf­ge­klär­ten Kir­chen­re­form lau­te­te: „Auf die ‚äuße­ren Wer­ke’ soll­te weni­ger Gewicht gelegt, dage­gen die ‚inne­re Fröm­mig­keit des Her­zens’ geho­ben wer­den mit dem Ziel, die öffent­li­che Moral und Huma­ni­tät zu ver­bes­sern“ – so eine Kom­mis­si­on zur Vor­be­rei­tung einer Reform-Syn­ode im Bis­tum Mainz von 1789. Man erkennt in die­sen Pro­gram­men eine Anbie­de­rung an den Pro­te­stan­tis­mus einer­seits und eine Anpas­sung an den ratio­na­li­sti­schen Zeit­geist der Auf­klä­rung ander­seits. Die Wort­füh­rer der Auf­klä­rung lehn­ten eine „Cere­mo­ni­al-Reli­gi­on“ strikt ab und woll­ten nur in der mora­lisch-ethi­schen Aus­rich­tung die allei­ni­ge Legi­ti­ma­ti­on für Reli­gi­on sehen. Es ist klar, dass unter die­sen Aspek­ten die Orden als Trä­ger der kern­ka­tho­li­schen Leh­re, Lit­ur­gie und Tra­di­ti­on den auf­ge­klär­ten Kir­chen-Moder­ni­sten ein Dorn im Auge waren.

Anpassung an den Zeitgeist der Aufklärung in Mainz

Friedrich Karl Joseph Freiherr von Erthal, Kurfürstbischof von Mainz, Erzkanzler des Reichs
Fried­rich Karl Joseph Frei­herr von Erthal, Kur­fürst­bi­schof von Mainz, Erz­kanz­ler des Reichs

Im kur­fürst­bis­tüm­li­chen Mainz wirk­ten beson­ders radi­ka­le Auf­klä­rer in die Kir­che hin­ein. Fried­rich Karl Joseph Frei­herr von Erthal war 1774 zum Main­zer Kur­fürst­bi­schof bestimmt wor­den. Er betrieb mit sei­nem Weih­bi­schof Valen­tin Hei­mes im Bis­tum einen auf­ge­klärt-kirch­li­chen Kahl­schlag jose­phi­ni­schen Aus­ma­ßes: 1781 hob der Main­zer Kir­chen­fürst drei reich­be­gü­ter­te Abtei­en per Edikt auf und ent­eig­ne­te die Klö­ster zugun­sten des Main­zer Uni­ver­si­täts­fonds. Die Mön­che und Non­nen der Kart­hau­se zu Mainz sowie von St. Cla­ra und Alt­mün­ster wur­den auf ande­re Orden­häu­ser ver­teilt. Von Ert­hals Ziel war es aber, das Ordens­we­sen gänz­lich aus­zu­lö­schen, denn er erklär­te, „die Klo­ster­klei­dung nicht mehr sehen zu wollen“.

Von Erthal selbst prä­sen­tier­te sich eben­falls meist in nicht­kirch­li­cher Klei­dung: Auf fürst­li­chen Reprä­sen­ta­ti­ons­bil­dern (sie­he Bild) ließ der Main­zer Kur­fürst alle welt­lich-staat­li­chen Herr­schafts­in­si­gni­en in den Vor­der­grund stel­len: Der Her­me­lin­man­tel soll­te die kur­fürst­li­che Vor­rang­stel­lung des Main­zer Fürst­bi­schofs als Erz­kanz­ler des deut­schen Kai­ser­reichs unter­strei­chen und damit den Anspruch auf Teil­ha­be an der kai­ser­li­chen Reichs­macht. Unter dem Her­me­lin-Umhang trug er den damals übli­chen kur­fürst­li­chen Pur­pur-Man­tel. Zu den Inis­gni­en sei­ner welt­li­chen Herr­schaft gehör­te auch der auf dem Tisch lie­gen­de Kurhut.
Welt­lich-herr­scher­li­cher Anspruch kommt in dem Säu­len­an­satz im Bild­hin­ter­grund zum Aus­druck – zusam­men mit dem schwe­ren Bro­kat­vor­hang ein Arran­ge­ment, das seit den Zei­ten Lud­wigs XIV. für welt­li­che Für­sten als Sym­bol abso­lu­ti­sti­scher Herr­schaft galt.
Bei die­sem Herr­schafts­auf­zug wirkt das Schmuck­kreuz auf der Brust des Poten­ta­ten nur mehr als Deko­ra­ti­ons­ele­ment. Dage­gen woll­te der Fürst­bi­schof die spe­zi­fisch kirch­lich-bischöf­li­chen Insi­gni­en wie Mitra und Bischofs­stab offen­sicht­lich nicht auf dem Bild gezeigt haben. Der fürst­li­che Prä­lat zeig­te in sei­nem äuße­ren Auf­zug das auf­klä­re­ri­sche Pro­gramm einer Selbst­sä­ku­la­ri­sie­rung der Kirche.

In sol­chem barock­fürst­li­chen Stil zeig­te sich der Main­zer Poten­tat sowie sei­ne Stell­ver­tre­ter, der Weih­bi­schof und Gene­ral­vi­kar, auch bei kirch­li­chen Dienst­rei­sen – etwa zur Wahl und Bestä­ti­gung einer neu­en Äbtis­sin im Klo­ster Eib­in­gen am 20. Juli 1791: Der bischöf­li­che Rei­se­zug wur­de ange­führt von einem Gar­der­ei­ter, dahin­ter rit­ten oder schrit­ten Sekre­tä­re und Hof-Bedien­ste­te in Gala-Uni­for­men, dann kam der pracht­vol­le Hof-Gala-Wagen, von sechs auf­ge­schmück­ten Pfer­den gezo­gen; den Abschluss bil­de­ten ein oder zwei Rei­se­wa­gen mit Gepäck und Kammerdienerschaft.

Die Kirche ordnet sich dem Aufklärungsprogramm des Staates unter

Aus die­ser Bild­re­prä­sen­ta­ti­on eines Poten­ta­ten in der staat­lich-kirch­li­chen Dop­pel­rol­le als Kur­fürst und Erz­bi­schof lässt sich als Herr­schafts­ver­hält­nis erschlie­ßen, dass die Funk­ti­on der fürst­li­chen Lan­des­herr­schaft ein­deu­tig den bischöf­lich-kirch­li­chen Sta­tus und des­sen Auf­ga­ben domi­nier­te, wenn nicht dar­in auf­ge­ho­ben sein soll­te. Damit ist das Auf­klä­rungs­pro­gramm des Staats­kir­chen­tums ange­deu­tet, das von dem Trie­rer Weih­bi­schof Johann Niko­laus von Hont­heim unter dem Pseud­onym Justi­ni­us Febro­ni­us 1763 in die Welt gesetzt wor­den war. Dem­nach hät­te der Staat die Füh­rungs­rol­le dar­in, durch gei­sti­ge und sitt­li­che Lei­tung „Licht in Ver­stand und Herz“ der Unter­ta­nen zu brin­gen und damit ihrer wah­ren Glück­se­lig­keit als Bestim­mung des Men­schen zuzu­füh­ren. Die Kir­che hät­te sich die­sem staat­lich-auf­ge­klär­ten Volks­bil­dungs­pro­gramm ein­zu­fü­gen und ihren gesam­ten Auf­bau, ihre Instu­tio­nen, Lehr­ein­rich­tun­gen sowie Lehr­in­hal­te auf die­sen Zweck zur Huma­ni­sie­rung der Mensch­heit neu aus­zu­rich­ten. Die­ser inner­kirch­li­che Umwand­lungs­pro­zess der Kir­che in eine sitt­li­che Volks­bil­dungs­an­stalt soll­te von der Regie­rung gelenkt und über­wachst, also im Staats­kir­chen­tum ver­wirk­licht wer­den – eben­falls eine pro­te­stan­ti­sche Erfin­dung. Es ist klar, dass alle auto­no­men Orden, aber ins­be­son­de­re die klas­si­schen Bene­dik­ti­ner-Orden in die­sem ratio­na­li­sti­schen und uti­li­ta­ri­sti­schen Reform­pro­gramm als Stör­fak­to­ren ange­se­hen wurden.

Der Main­zer Erz­bi­schof Joseph von Erthal begann 1787 mit einem Umwand­lungs­pro­gramm für die noch bestehen­den Ordens­ein­rich­tun­gen. In jenem Jahr erteil­te er allen Frau­en­klö­stern in sei­nem Erz­bis­tum den Befehl, die klas­si­schen, latei­nisch-gre­go­ria­ni­schen Chor- und Mess­ge­sän­ge abzu­stel­len und in den Kon­vents­mes­sen aus­schließ­lich das neue deut­sche Gesang­buch zu benut­zen. Im näch­sten Jahr ließ er den Bene­dik­ti­ner-Pater, der die geist­li­che Füh­rung des Klo­sters Eib­in­gen inne­hat­te, durch einen Welt­geist­li­chen erset­zen, der unmit­tel­bar unter der Auf­sicht und Füh­rung des Main­zer Gene­ral­vi­ka­ri­ats stand. Schließ­lich ver­wei­ger­te der Main­zer Kir­chen­fürst drei Jah­re lang die Neu­wahl einer Äbtis­sin, um bei dem gezielt ohne eige­ne Füh­rung blei­ben­den Kon­vent leich­ter mit sei­ner erklär­ten Absicht durch­zu­drin­gen, das Ordens­klo­ster auf­zu­he­ben bzw. in ein frei­ad­li­ges Stift umzuwandeln.

Ein nationalkirchlicher Möchtegern-Papst in Mainz

Hieronymus Graf von Colloredo, Fürsterzbischof von Salzburg und Primas Germaniae (1772-1812)
Hie­ro­ny­mus Graf von Col­lo­re­do, Fürst­erz­bi­schof von Salz­burg und Pri­mas Ger­ma­niae (1772–1812)

Schließ­lich war das Wir­ken des Main­zer Fürst­bi­schofs im Zeit­geist der Auf­klä­rung durch ein anti­rö­mi­sches Pro­gramm des Epi­skopa­lis­mus geprägt. Die­se Bestre­bun­gen knüpf­ten an die lan­ge Tra­di­ti­on des natio­nal­kirch­li­chen Gal­li­ka­nis­mus’ in Frank­reich an, nach dem die Bischö­fe der Lan­des­kir­che in ihrer geist­li­chen und juri­sti­schen Macht gegen­über Papst und römi­scher Kurie eben­bür­tig, wenn nicht gewich­ti­ger sein soll­ten. Bei einer Zusam­men­kunft in Bad Ems (1786) stell­ten die Kur­für­sten und Erz­bi­schö­fe von Köln, Mainz und Trier sowie der Salz­bur­ger Frei­mau­rer-Erz­bi­schof und Pri­mas Ger­ma­niae, Graf Col­lo­re­do, einen umstürz­le­ri­schen For­de­rungs­ka­ta­log auf. Nach die­sem anti­rö­mi­schen Pro­gramm soll­te der Sta­tus des Pap­stes auf die Ober­auf­sicht eines Ehren­pri­mas zurück­ge­stuft wer­den, die jewei­li­gen Orts­bi­schö­fen die vol­le geist­li­che Gewalt über alle katho­li­sche Unter­ta­nen und kirch­li­che Per­so­nen in ihrem Bis­tum erhal­ten und die erz­bi­schöf­li­chen Metro­po­li­tan-Kir­chen­für­sten als klei­ne natio­nal­kirch­li­che Papst-Dar­stel­ler die vol­le geist­li­che Juris­dik­ti­on und Dis­pens­ge­walt erhal­ten. Päpst­lich-kuria­le Ver­fü­gun­gen soll­ten nur bei aus­drück­li­cher Akzep­tanz durch die Orts­bi­schö­fe ver­bind­lich sein – also gene­rell unver­bind­lich. Von Mainz kam der Vor­schlag, den Zöli­bat zur Dis­po­si­ti­on zu stel­len, was aber die ande­ren Erz­bis­tü­mer ablehn­ten. Die Orden soll­ten voll­stän­dig von den in Rom resi­die­ren­den Gene­ral­obe­ren und Gene­ral­ka­pi­tel getrennt wer­den, d. h. voll­stän­dig unter der Gewalt des jewei­li­gen Orts­bi­schofs stehen.

Umwandlung des Klosters in ein säkularisiertes Stift

Mit Datum vom 20. Juli­us 1789 ließ der Main­zer Erz­bi­schof von Erthal der in Vakanz amtie­ren­den Prio­rin vom Klo­ster Eib­in­gen, Phil­ip­pi­na von Gut­ten­berg, fol­gen­des aus­rich­ten: „Da Ihro kur­fürst­li­chen Gna­den geneigt sind, die bei­den Jung­fräu­li­che Klo­ster Eib­in­gen und Schmer­len­bach in ein adli­ges Damen-Stift umzu­ge­stal­ten“, so hät­te sie die bei­den geist­li­che Räte „bey Gele­gen­heit der ihnen gnä­digst auf­ge­tra­ge­nen Visi­ta­ti­on“ in der besag­ten Hin­sicht tat­kräf­tig zu unter­stüt­zen. Die bei­den Räte waren ange­wie­sen, es „auf eine geschick­li­che Art so ein­zu­lei­ten, dass die Con­ven­tu­alin­nen mit die­ser Umge­stal­tung selbst zufrie­den seyn oder gar eigends dazu anste­hen mögen“. Der Main­zer Kir­chen­fürst glaub­te, durch die vor­he­ri­ge Hin­aus­zö­ge­rung der Äbtis­sin-Wahl mit einer amts­schwa­chen Prio­rin leich­tes Spiel zu haben für sei­ne Klo­ster-Säku­la­ri­sie­rung. Damit hat­te er sich aber bei der Klo­ster­vor­ste­he­rin Phil­ip­pi­na von Gut­ten­berg gründ­lich verrechnet.

Geschickte Strategie der Äbtissin

Altes Rathaus von Alzey mit Volkerbrunnen
1789 ließ die Äbtis­sin das Klo­ster­ar­chiv ins Rat­haus von Alzey ver­brin­gen (Altes Rat­haus mit Volkerbrunnen)

Schon dem neu ein­ge­setz­ten Welt­geist­li­chen als Ver­tre­ter und Spi­on der Main­zer Kurie hat­te die Prio­rin jeg­li­che Ein­sicht und Auf­sicht über die Klo­ster­ver­wal­tung ver­be­ten. Ihre ent­schei­den­de Stra­te­gie aber bestand dar­in, dass sie die Schutz­rech­te des Kur­für­sten von der Pfalz in Anspruch nahm und gegen das unrecht­mä­ßi­ge Auf­drin­gen des Main­zer Groß­für­sten aus­spiel­te. Das Klo­ster Eib­in­gen lag zwar im Main­zer Gebiet und unter­stand damit der Juris­dik­ti­on des erz­bi­schöf­li­chen Kur­für­sten, die mei­sten Klo­ster­be­sit­zun­gen aber lagen im Gebiet der Kur­pfalz. Dar­über hin­aus gin­gen Klo­ster und Besit­zun­gen auf eine kur­pfäl­zi­sche Stif­tung zurück und waren im 14. Jahr­hun­dert mit Brief und Sie­gel unter den Schutz der kur­pfäl­zi­schen Für­sten gestellt wor­den. Prio­rin von Gut­ten­berg stell­te in einem Schrei­ben vom 7. Janu­ar 1789 an den Kur­für­sten von der Pfalz die drin­gen­de Bit­te um Schutz gegen Kur-Mainz. Als im Som­mer 1789 eine kur­main­zi­sche Visi­ta­ti­on mit dem Ziel der Säku­la­ri­sie­rung droh­te, ent­schloss sich die Prio­rin, das Archiv des Klo­sters in kur­pfäl­zi­sche Lan­de zu brin­gen – und zwar auf das Rat­haus nach Alzey. Die geist­li­chen Visi­ta­ti­ons­rä­te gerie­ten in „Ungest­hüm“, als sie von der Ver­la­ge­rung des Klo­ster­ar­chivs erfuh­ren, da damit den auf­ge­tra­ge­nen Säku­la­ri­sa­ti­ons­plä­nen der doku­men­ta­ri­sche Eck­stein ent­zo­gen war. Trotz­dem ver­such­ten sie mit Dro­hun­gen und Ver­spre­chun­gen jede ein­zel­ne „Klo­ster­fräu­lein“ zur Ein­wil­li­gung zu bear­bei­ten: Bei Umwand­lung des Klo­sters in ein Damen­stift wür­den die Frau­en vom Chor­ge­bet sowie dem Tra­gen der Ordens­klei­dung dis­pen­siert. „Aber samt­li­che Fräu­lein blie­ben dage­gen stand­haft und auch die Fräu­lein Prio­rin ließ sich nicht bewe­gen, das Archiv wie­der her­bei­schaf­fen zu las­sen“, heißt es in dem Visi­ta­ti­ons­be­richt der Prä­la­ten. Aus einem Brief der Grä­fin Char­lot­te von Eltz weiß man, dass die Stand­haf­tig­keit der Klo­ster­frau­en im Bis­tum Mainz respekt­voll die Run­de mach­te. Noch wäh­rend der Visi­ta­ti­on ging ein Schrei­ben der kur­pfäl­zi­schen Regie­rung in Mainz ein, in dem die Kur­pfalz mit Bezug auf die Stif­tung „ehe­vo­ri­ger Pfalz­gra­fen“ ihre Rech­te als Schutz­herr des Klo­sters Eib­in­gen gel­tend machte.

Im Som­mer 1791 erfolg­te ein erneu­ter Ver­sucht des Main­zer Gene­ral­vi­kars, mit Ver­spre­chun­gen und düste­ren Dro­hun­gen das Klo­ster abzu­wür­gen. Man erreich­te bei einer förm­li­chen und druck­vol­len Befra­gung jedoch nur, dass sich ein Klo­ster­fräu­lein dem Ansin­nen des Erz­bi­schofs unter­warf – „nicht ohne sicht­ba­ren Unwil­len der übri­gen“. In die­ser bedrücken­den Situa­ti­on ent­schloss sich die Prio­rin Phil­ip­pi­na von Gut­ten­berg, auf ein Ange­bot der kur­pfäl­zi­schen Regie­rung ein­zu­ge­hen und den Eib­in­ger Kon­vent in das ehe­ma­li­ge Jesui­ten­kol­leg in Nie­de­rin­gel­heim zu ver­le­gen. Ende Juni waren die ersten Möbel- und Korn­fuh­ren für die Über­sied­lung gepackt, da end­lich signa­li­sier­te Mainz ein Ein­len­ken mit der „gnä­dig­sten Gestat­tung einer Äbtis­sin­wahl“. Damit waren dann auch die Umwand­lungs­plä­ne vom Tisch. Die Prio­rin nahm von ihren Umzugs­plä­nen Abstand, zumal bei die­sen Absich­ten auch eine Spal­tung des Kon­vents ein­ge­tre­ten war.

Der Mainzer Großfürstbischof muss klein beigeben

Die erste Klostergründung der hl. Hildegard auf dem Rupertsberg; hier der Zustand ui Beginn des 30jährigen Krieges
Die erste Klo­ster­grün­dung der hl. Hil­de­gard auf dem Ruperts­berg; hier der Zustand zu Beginn des 30jährigen Krieges

Kur­fürst von Erthal hat­te den 20. Juli 1791 für die Wahl der neu­en Äbtis­sin von Eib­in­gen ange­setzt. Der Gene­ral­vi­kar Frei­herr von Red­witz lei­te­te den geist­li­chen Wahl­akt im Klo­ster höchst­selbst. Aber nach drei Wahl­ak­ten war von den zehn wahl­be­rech­tig­ten Pro­fes­sen kein Ergeb­nis mit kano­ni­scher Mehr­heit zustan­de gekom­men. Der Zwie­spalt im Kon­vent, der sich bei den Umzugs­plä­nen zum ersten Mal gezeigt hat­te, wirk­te sich nun bei der Wahl aus. Erst unter der dro­hen­den Per­spek­ti­ve, dass damit der Kur­fürst das Recht hät­te, eine Äbtis­sin zu bestim­men, einig­ten sich die Klo­ster­frau­en in einem vier­ten Wahl­gang ein­stim­mig auf die bis­he­ri­ge Prio­rin, Frei­frau Phil­ip­pi­na von Gut­ten­berg, als neue Äbtis­sin. Der Gene­ral­vi­kar über­gab ihr mit dem Äbtis­sin­nen­stab alle Voll­macht „in Spi­ri­tua­li­bis und Tem­po­ra­li­bis“. Nach­dem die „erwähl­te Äbtis­sin des ade­lich-jung­fräu­li­chen Klo­sters zum Berg des hei­li­gen Ruperts und in Eib­in­gen“ – so der offi­zi­el­le Titel – gegen­über dem Erz­bi­schof in Mainz den Treu­eid geschwo­ren hat­te, nahm die Neu­erwähl­te auf dem Abtei­stuhl das Gelöb­nis der „obe­di­en­tia usque ad mortum“ von jeder ein­zel­nen Chor- und Lai­en­schwe­ster entgegen.

Die Revolution der Aufklärung zeigt ihre hässliche Kriegsfratze

Der neu­en Äbtis­sin war es nur wenig län­ger als ein Jahr ver­gönnt, das Klo­ster in ruhi­gen Zeit­läuf­ten zu lei­ten. Am 21. Okto­ber 1792 fiel Mainz in die Hän­de fran­zö­si­scher Revo­lu­ti­ons­trup­pen und schon zwei Tage spä­ter began­nen die Auf­dring­lich­kei­ten und Plün­de­run­gen fran­zö­si­scher Sol­da­ten. Anfang Novem­ber plün­der­te eine Fran­zo­sen-Sol­da­tes­ka das Klo­ster und führ­ten 105 Sack Korn und 600 Zent­ner Heu nach Mainz. Mit der Aus­brei­tung fran­zö­si­scher Sol­da­ten und Ideen auch in kur­pfäl­zi­schem Gebiet wei­ger­ten sich immer mehr Päch­ter von Klo­ster­gü­tern, ihre pflicht­mä­ßi­gen Abga­ben zu lei­sten, bis die preu­ßi­schen Trup­pen die fran­zö­si­sche Rau­bar­mee wie­der zurück­trieb. In die­sen Zei­ten wur­de das Klo­ster Eib­in­gen zum Asyl für deut­sche und fran­zö­si­sche Flücht­lin­ge und sogar für Amts­leu­te aus der Kur­pfalz. Die Haus- und Gut­zer­stö­run­gen durch die Fran­zo­sen wur­den repariert.

Der Sepe­rat­frie­den zwi­schen Preu­ßen und Frank­reich am 5. April 1795 brach­te kaum eine Atem­pau­se im Krieg, denn die links­rhei­ni­schen Gebie­te, auf denen die Klo­ster­gü­ter lagen, waren wei­ter­hin den Drang­sa­lie­run­gen fran­zö­si­scher Stoß­trupps aus­ge­setzt. 1797 ging der Krieg an allen Fron­ten wei­ter und damit die Bedräng­nis­se für das Klo­ster selbst: Seit 1793 hat­te das Klo­ster sich lau­fend an „Fuhr­fron­den“ für Kur­mainz, Fran­zo­sen und Preu­ßen zu betei­li­gen. Man muss­te Wein, Lei­nen und alles ent­behr­li­che Kir­chen­sil­ber lie­fern. Durch­zie­hen­de kai­ser­li­che Trup­pen nah­men die Kühe mit aus dem Stall, trotz­dem wur­den stän­dig neue Kriegs­steu­ern und Kon­tri­bu­tio­nen ver­langt. Am Ende des Jahr­hun­derts war in das ehe­mals rei­che Klo­ster der Hun­ger ein­ge­kehrt: “Wir wür­den gern Ger­sten­brod essen wol­len, wenn wir es nur hät­ten“, heißt es in dem Brief einer Kon­ven­tu­alin. „Wir haben weder Frucht noch Holz noch Mehl noch Geld und nicht ein­mal Kre­dit mehr.“

Habgierige deutsche Fürsten stürzen sich auf die kirchlichen Besitztümer

Mit dem Frie­den von Lune­ville am 9. Febru­ar 1801 waren zwar die Kämp­fe zwi­schen Frank­reich und dem Deut­schen Reich zuen­de, aber die Frie­dens­be­din­gun­gen brach­ten neu­es und schlim­me­res Unge­mach über das Klo­ster. Der neue Fran­zo­sen-Füh­rer Napo­le­on hat­te die deut­schen Für­sten als Ersatz für die geraub­ten links­rhei­ni­schen Gebie­te auf die Kir­che ver­wie­sen: Sie soll­ten sich an deren Herr­schaf­ten und Besitz schad­los hal­ten. Die Über­nah­me der poli­ti­schen Herr­schaft in den Fürst­bis­tü­mern, also die poli­ti­sche Herr­schafts­sä­ku­la­ri­sa­ti­on, war nicht wei­ter zu bean­stan­den und sogar för­der­lich für die Kir­che, indem sie von der reichs­kirch­lich-poli­ti­schen Herr­schaft „ent­welt­licht“ wur­de. Im kon­kre­ten Fall muss­te der Main­zer Erz­bi­schof sei­nen Her­me­lin-Man­tel able­gen, damit er sich mit Mitra und Hir­ten­stab bes­ser um die geist­li­chen Belan­ge sei­nes Bis­tums küm­mern konnte.

Dage­gen waren die Ver­mö­gens-Säku­la­ri­sa­tio­nen bei kirch­li­chen Besitz­tü­mern als ent­schä­di­gungs­lo­se Ent­eig­nun­gen und inso­fern als unrecht­mä­ßi­ge Rau­bak­te zu wer­ten. Das gilt umso mehr, als die­se kirch­li­chen Immo­bi­li­en und from­me Stif­tun­gen nicht in den Staats­be­sitz ein­ge­bracht, son­dern dem per­sön­li­chen Eigen­tum des jewei­li­gen Für­sten ein­ver­leibt wur­den – mit der Fol­ge, dass im Her­zog­tum Nas­sau etwa die jähr­li­chen Ein­nah­men aus den her­zog­li­chen Domä­nen höher aus­fie­len als die staat­li­chen Steuereinnahmen.

Fürst Karl Wil­helm von Nas­sau-Usin­gen, resi­die­rend in Wies­ba­den-Bie­brich, war­te­te erst gar nicht den Abschluss der Län­der­scha­cher-Ver­hand­lun­gen im Reichs­de­pu­ta­ti­ons­haupt­schluss in Regens­burg ab, son­dern stell­te schon im Herbst 1802 an die Rhein­gau­er Klö­ster Eber­bach, Eib­in­gen, Tief­en­thal, Got­tes­thal und Mari­en­hau­sen Besitz­an­sprü­che, da sie in dem Gebiet geist­li­cher Herr­schaf­ten lagen, deren Über­nah­me ihm signa­li­siert wor­den war. Der nas­saui­sche Fürst ließ auch die öko­no­mi­schen Gege­ben­hei­ten des Klo­sters Eib­in­gen auf­neh­men – mit dem Ergeb­nis, dass die Pas­si­va des Klo­sters die Akti­va um 9.530 Gul­den über­stieg. Des­halb hat­te es der hab­gie­ri­ge Fürst mit der end­gül­ti­gen Über­nah­me von Eib­in­gen auch nicht so eilig wie etwa bei dem benach­bar­ten ertrag­rei­chen Klo­ster Eber­bach, bei dem er sogleich nach Abschluss der Reichs­ver­hand­lun­gen 1803 mit der völ­li­gen Ent­eig­nung und Ver­trei­bung der Mön­che zuschlug. In Eib­in­gen ließ der nas­saui­sche Fürst zunächst alles beim alten – außer dem Ver­bot, Postu­lan­tin­nen als Novi­zen auf­zu­neh­men: Er woll­te das Klo­ster aus­ster­ben lassen.

Die Äbtissin von Guttenberg stirbt vor der endgültigen Klosteraufhebung

Der Äbtis­sin war es in den letz­ten Lebens­jah­ren noch ver­gönnt, in den wirt­schaft­li­chen Ver­hält­nis­sen des Klo­sters eine gewis­se Gesun­dung zu sehen. Im Früh­jahr 1804 stand die Eib­in­ger Kon­vents­vor­ste­he­rin Frei­frau Phil­ip­pi­na von Gut­ten­berg im 70. Lebens­jahr und sah ihrer gol­de­nen Pro­fess­fei­er im Som­mer des glei­chen Jah­res ent­ge­gen. Da erkrank­te sie im März an einer schwe­ren Lun­gen­ent­zün­dung und ent­schlief am 24. März 1804, dem Sams­tag vor Palm­sonn­tag, „ganz sanft und gott­se­lig im Herrn“. Die Begräb­nis­fei­er­lich­kei­ten lei­te­te der abge­setz­te Vor­ste­her der nahen Abtei Eber­bach, Pater Leo­pold von Rüdes­heim, womit der letz­te Abt von Eber­bach die letz­te Äbtis­sin von Eib­in­gen zu Gra­be trug.

Das Einstehen der Klosterfrauen für den kernkatholischen Glauben in der aufgeklärten Abbruchzeit: ein mutmachendes Glaubenszeugnis für den neuen Aufbruch der Kirche

Das heutige Hildesgardiskloster in Eibingen (erbaut von 1900 bis 1904)
Das heu­ti­ge Hil­des­gar­dis­klo­ster in Eib­in­gen (erbaut von 1900 bis 1904)

Am 12. Febru­ar 1814 unter­zeich­ne­te Her­zog Fried­rich August von Nas­sau das end­gül­ti­ge Auf­he­bungs­de­kret, das Zer­stö­rungs­ur­teil für das alt­ehr­wür­di­ge Klo­ster Eib­in­gen. Die nas­saui­sche Regie­rung ließ Klo­ster und Klo­ster­kir­che voll­stän­dig aus­räu­men und an die im glei­chen Jahr wie­der­auf­ge­bau­te Rochus-Kapel­le in Bin­gen ver­kau­fen. Das Rochus-Kirch­lein hat­te schon 1795 das Zer­stö­rungs­schick­sal durch die Kampf­par­tei­en in den Revo­lu­ti­ons­krie­gen erlit­ten. Mit dem Wie­der­auf­bau der Pest-Votiv­kir­che durch die Bin­ge­ner Rochus-Bru­der­schaft und der Wie­der­auf­nah­me der Rochus-Wall­fahr­ten war aber zugleich auch ein Signal gesetzt, das das Ende der auf­ge­klär­ten Selbst­zer­stö­rung der Kir­che ein­läu­te­te und einer neu­en Fröm­mig­keits­kul­tur Platz mach­te, die sogar Goe­the beein­druck­te: Der Dich­ter­fürst beschrieb wohl­wol­lend Pro­zes­sio­nen und Reli­qui­en­ver­eh­rung zum St. Rochus-Fest am 16. August 1814, spä­ter stif­te­te er selbst ein Gemäl­de für die Rochus-Kapelle.

Das Eib­in­ger Hil­de­gar­dis-Klo­ster hat­te also mit sei­nen über­tra­ge­nen Ein­rich­tun­gen pas­siv mit­ge­hol­fen, dass in der Rochus-Ver­eh­rung ein Keim gelegt wur­de für eine neue kern­ka­tho­li­sche Glau­bens­kul­tur, die in der ultra­mon­ta­nen Bewe­gung drei­ßig Jah­re spä­ter zu sicht­ba­rer Brei­te und Blü­te her­an­ge­wach­sen war – etwa in der Hei­lig-Rock-Wall­fahrt von 1844 mit 1,2 Mil­lio­nen katho­li­schen Pil­gern. Neben die­ser pas­si­ven Hil­fe­stel­lung soll­te erst recht die akti­ve Hal­tung des Eib­in­ger Kon­vents unter der Füh­rung der cou­ra­gier­ten Äbtis­sin Phil­ip­pi­na von Gut­ten­berg gewür­digt wer­den, die in ihrem muti­gen Ein­ste­hen für die Kern­wer­te des katho­li­schen Glau­bens schon wäh­rend der kirch­lich-auf­ge­klär­ten Abbruch­zeit zum Ende des 18. Jahr­hun­derts ein mut­ma­chen­des Glau­bens­zeug­nis und Vor­bild für den neu­en Auf­bruch der Kir­che im 19. Jahr­hun­dert gege­ben hatte.

Als spä­te Frucht die­ser Kir­chen­blü­te stif­te­te im Jah­re 1900 Fürst Karl Hein­rich zu Löwen­stein-Wert­heim-Rosen­berg ein neu­es Klo­ster für Eib­in­gen, das bis 1904 ober­halb des alten Klo­ster­an­la­ge gebaut und von Bene­dik­ti­ne­rin­nen der Abtei St. Gabri­el in Prag besie­delt wurde.

Haupt­quel­le für die­sen Arti­kel: Phil­ip­pi­ne von Gut­ten­berg. Die letz­te Äbtis­sin von Eib­in­gen vor der Säku­la­ri­sa­ti­on, von Adel­heid Simon O.S.B., in: Lebens- und Kul­tur-Bil­der aus der Geschich­te des frän­ki­schen Geschlechts von Gut­ten­berg, zusam­men­ge­stellt und her­aus­ge­ge­ben von Wil­helm Engel, in: Ver­öf­fent­li­chun­gen der Gesell­schaft für frän­ki­sche Geschich­te, 12./13. Band, Fer­di­nand Schö­ningh, Würz­burg, 1958

Text: Hubert Hecker
Bild: Katholikenkreis/​Wikicommons/​AK Ansichts­kar­ten

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