Der Papst und die kubanische Kirche haben etwas zu viel geschwiegen – Bilanz eines Exil-Kubaners zum Papstbesuch


Kubanischer Dissident wird während Papst-Besuch festgenommen
Kuba­ni­scher Dis­si­dent wird wäh­rend Papst-Besuch festgenommen

(Miami) Fla­vio Labra­dor, ein Exil-Kuba­ner zieht eine erste Bilanz nach dem Besuch von Papst Fran­zis­kus auf Kuba, wo der Papst kei­ne Dis­si­den­ten tref­fen konn­te. Eine Hoff­nung des Besuchs ist es, so Labra­dor, daß die kuba­ni­sche Kir­che „auch ein Freund der Ver­folg­ten“ wird.

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von Fla­vio Labrador

Für uns Katho­li­ken ist die Kir­che Mut­ter und Lehr­mei­ste­rin und Wei­se, aber nicht sel­ten lau­fen ihre Gesten gegen­über Regie­run­gen oder Ein­zel­per­so­nen Gefahr unver­ständ­lich zu blei­ben. Der Besuch von Papst Fran­zis­kus auf Kuba löst in Men­schen auf der gan­zen Welt Fra­gen aus: War­um hat der Papst kei­ne Dis­si­den­ten getrof­fen? War­um hat er ihre Stim­me nicht direkt ange­hört, war­um nicht ihre Sor­gen, gehö­ren sie doch zu den Per­so­nen, die am mei­sten lei­den? War­um hat er die Din­ge nicht beim Namen genannt und „Dik­ta­tur“ genannt, was Dik­ta­tur ist, näm­lich die Regie­rung in Havan­na? War­um hat er nicht öffent­lich gefor­dert, daß die Regie­rung den Kuba­nern die Frei­heit zurück­gibt und ein Leben ohne Ver­fol­gung und ohne Angst?

Ich habe kei­ne Ant­wort auf die­se Fra­gen, möch­te aber über die kuba­ni­sche Rea­li­tät etwas sagen, die anders ist, als sie die Welt in die­sen Tagen gese­hen hat. Als frei­er Mensch will ich schrei­ben und sagen, was ich über das kom­mu­ni­sti­sche Regime von Havan­na den­ke. Und als Katho­lik will ich sagen, was ich mir von der kuba­ni­schen Kir­che als Frucht die­ses Besuchs wün­schen würde.

„Es tut weh, mitanzusehen, wie sich dieses Regime über Gott und die Kirche lustig macht“

Es tut weh, mit­an­zu­se­hen, wie sich die­ses Regime über Gott, die Kir­che, die Prie­ster und Ordens­leu­te lustig macht, indem es Papst Fran­zis­kus emp­fing und den Schein erweck­te, als wür­de die Regie­rung Respekt vor den Men­schen und ihren Rech­ten haben. Was mir am mei­sten weh­tut, ist aber, zu wis­sen, daß die­ses Regime nicht die gering­ste Absicht hat, sich zu ändern.

Die kuba­ni­sche Regie­rung, die es Johan­nes Paul II., Bene­dikt XVI. und Fran­zi­kus erlaub­te, den katho­li­schen Glau­ben und die christ­li­che Hoff­nung auf Kuba zu zele­brie­ren, erlaub­te kei­nes­wegs allen Kuba­nern guten Wil­lens an den Zele­bra­tio­nen teil­zu­neh­men. Das kom­mu­ni­sti­sche Regime ver­setz­te die Orte, die der Papst besuch­te, in den Aus­nah­me­zu­stand, was tota­le Poli­zei­kon­trol­le bedeu­te­te. Es hin­der­te unschul­di­ge Men­schen, die guten Wil­lens sind, dar­un­ter schutz­lo­se Frau­en, zum Papst zu gelan­gen. Zur Durch­set­zung wur­den repres­si­ve Mit­tel aller Art ein­ge­setzt. Meh­re­re Per­so­nen, dar­un­ter zahl­rei­che Frau­en, wur­den ver­haf­tet. Was das Regime nicht ein­setz­te, waren Uni­for­men. Poli­zei und Mili­tär hat­ten in zivil auf­zu­tre­ten. Die Repres­si­on erfolg­te uni­form­los, um vor den Fern­seh­ka­me­ras und Foto­ap­pa­ra­ten die Welt zu täu­schen. Das Groß­auf­ge­bot an uni­for­mier­ter Poli­zei hät­te für jeden das repres­si­ve System sicht­bar gemacht.

„Raul Castro schüttelte nach jeder Messe dem Papst die Hand, vor jeder Messe gab er Befehl zur Repression“

Raul Castro, der nach jeder Mes­se lächelnd dem Papst die Hand schüt­tel­te, erteil­te weni­ge Stun­den vor jeder Mes­se den Befehl, mit Gewalt, Haß und Angst vie­le Katho­li­ken, Nicht-Katho­li­ken, Gläu­bi­ge, Nicht-Gläu­bi­ge, alles fried­li­che und hilf­lo­se Men­schen dar­an zu hin­dern, den Papst zu sehen und hören zu können.

Ich wün­sche mir, daß die­se trau­ri­ge poli­ti­sche Rea­li­tät, unter der Kuba lei­det, bald endet und daß die Früch­te des Papst­be­suchs bald geern­tet wer­den kön­nen. Damit das aber gesche­hen kann, ist eine gemein­sa­me und koor­di­nier­te Zusam­men­ar­beit zwi­schen den bei­den wich­tig­sten Tei­len der kuba­ni­schen Gesell­schaft not­wen­dig: dem kuba­ni­schen Volk und der kuba­ni­schen Kirche.

„Ich wünsche mir, daß die Kirche mit Barmherzigkeit auf jeden schaut, den das Regime als Dissident anklagt“

Ich wün­sche mir, daß von heu­te an, wann immer die kom­mu­ni­sti­sche Regie­rung jeman­den als Dis­si­den­ten anklagt, die Kir­che mit Barm­her­zig­keit auf die­se Per­son schaut, sie ver­steht und in ihren Nöten umarmt.

Es ist nicht so wich­tig, daß der Papst auf Kuba die Ver­folg­ten umarmt, aber umso wich­ti­ger, daß die kuba­ni­sche Kir­che jeden Tag die wegen ihrer Ideen Ver­folg­ten umarmt. Ich will nicht, daß die­se Per­so­nen sich auch in der Kir­che aus­ge­schlos­sen füh­len, son­dern daß die Kir­che ihnen die Hand reicht und sie ermu­tigt in ihrem Ein­satz und ihrem fried­li­chen Kampf für die Bürgerrechte.

Ich ver­ste­he, daß man jeden Riß in der Mau­er nüt­zen, intel­li­gent und mit Dia­log und Diplo­ma­tie vor­ge­hen muß, wenn man für die Kir­che, die Pfar­rei­en, die Kran­ken­häu­ser und Schu­len mehr Frei­räu­me errei­chen will. Gleich­zei­tig wün­sche ich mir, daß die kuba­ni­sche Kir­che öffent­lich und ohne Furcht jene unter­stützt, aner­kennt und auf­wer­tet, die inmit­ten der uner­bitt­li­chen Repres­si­on fried­lich mehr Frei­heit fordern.

Ich wün­sche mir, daß die kuba­ni­sche Kir­che und ihre Hir­ten mehr Frei­räu­me in der gan­zen kuba­ni­schen Gesell­schaft erhal­ten, aber ich wün­sche mir auch, daß nie­mand, um die­ses Ziel zu errei­chen, dafür zum Schwei­gen gebracht oder aus­ge­grenzt wird. Denn die Per­so­nen sind wich­ti­ger als die Räu­me und ste­hen an der Spit­ze einer jeden Stra­te­gie zur Erlan­gung von Freiräumen.

Text: Fla­vio Labrador/​Asianews
Über­set­zung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Asianews

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