(London) Eine parteiübergreifende Initiative von Abgeordneten und ehemaligen Abgeordneten drängt darauf, mit Hilfe der Europäischen Menschenrechtskonvention die Legalisierung der Drogen durchzusetzen.
„Die Europäische Menschenrechtskonvention, besonders Artikel 8, kann zur Stützung des Arguments geltend gemacht werden, daß der Kauf und Verkauf oder der Anbau von Drogen für den persönlichen Gebrauch nicht mit den Rechten anderer in Konflikt steht und daher zu entkriminalisieren ist“. So behauptet es die UK All-Party Parliamentary Group for Drug Policy Reform aktiver und ehemaliger britischer Parlamentsabgeordneter und höher Staatsbeamter, die dazu in einem von ihnen verfaßten Bericht eine neue Strategie zur Drogenlegalisierung vorschlagen.
Parlamentariergruppe will mit Menschenrechtskonvention Drogenfreigabe durchsetzen
Der Gruppe „für die Reform der Drogenpolitik“, gehört unter anderen der ehemalige Londoner Polizeikommissar Ian Blair an. Blair, trotz der Namensgleichheit nicht verwandt, war der Polizeichef unter Labour-Premierminister Tony Blair. Seine Karriere ebnete sich Ian Blair mit Forderungen nach mehr Rekrutierungen von Frauen, Angehörigen „ethnischer Minderheiten“ (Einwanderer und Nachkommen von Einwanderern) und von Homosexuellen. Als Life Peer gehört er heute dem britischen Oberhaus an. Der Gruppe gehört auch Tony Blairs ehemaliger Lordkanzler Lord Falconer an. Auch er wurde ad personam geadelt und sitzt als Life Peer im House of Lords.
Insgesamt zählt die Gruppe an die hundert Persönlichkeiten. Sie behauptet, daß die Verbotspolitik gescheitert sei und es neue Gesetze brauche. In Wirklichkeit ist durch die bereits erfolgte Lockerung der Verbotsbestimmungen die Zahl drogenabhängiger Menschen in Großbritannien in solchem Maß angestiegen, daß sich selbst die liberale Presse besorgt zeigt.
Nicht besorgt zeigt sich die neue Gruppe für die Drogenliberalisierung. Sie empfiehlt genau denselben Weg über die Europäische Menschenrechtskonvention zu gehen, über den die Euthanasie legalisiert wurde. Lord Falconer ist Vorsitzender der parlamentarischen Überwachungskommission für Sterbehilfe. Immer mittels Artikel 8 wurde auch die Präimplantationsdiagnostik (PID) im Rahmen der künstlichen Befruchtung eingeführt, die tödliche Konsequenzen für ungeborene Kinder haben kann. Unter Verweis auf Artikel 8 wird die Privatsphäre betont, in die sich der Staat nicht einzumischen habe. Das Gegenteil ist jedoch der Fall.
„Drogen haben immer Auswirkungen auf andere Menschen“
„Die Gruppe aktiver und ehemaliger Abgeordneter vergißt, daß jede schädliche Entscheidung, die durch Staatsgesetze zu geltendem Recht wird, Auswirkungen auf die ganze Gesellschaft hat“ und daher nicht als „Privatsache“ abgetan werden könnte, so das Wochenmagazin Tempi. Deshalb warnte Mary Brett von der Vereinigung Cannabis Skunk Sense vor dem Vorschlag zur Drogenfreigabe, den sie als „diabolisch“ bezeichnete.
„Natürlich treffen Drogen immer andere Menschen: die Drogenabhängigen, denn darum handelt es sich, können durch die Bewußtseinsveränderung psychotisch und gewalttätig werden. Wir sehen schreckliches Leid, das den Familien durch die Drogen angetan wird. Drogen kosten Geld: Die Menschen beginnen zu stehlen, um an das Geld zu kommen, das für den Drogenkauf brauchen.“
Regierung soll „legalen Drogenmarkt“ schaffen
Dagegen schlägt die Legalisierungsgruppe vor, die Regierung solle einen Markt für den legalen Kauf von Cannabis schaffen.
Die ehemalige Sozialarbeiterin Molly Meacher meinte, auch sie sitzt heute auf Vorschlag der Regierung Blair als Life Peer im Oberhaus, es wäre „wunderbar“, wenn die britische Regierung einen „regulierten Drogenmarkt“ einrichten würde. Meacher ist seit seiner Gründung 2011 Vorsitzende der UK All-Party Parliamentary Group for Drug Policy Reform. Es gibt keine Angaben darüber, wieviele der Gruppenmitglieder direkt oder indirekt in Dorgenkonsum verstrickt sind.
Kritiker sehen eine Reihe von Gefahren, darunter auch, daß künftig Drogendealer und ‑händler, sobald sie sich vor Gericht verantworten müssen, sich unter Berufung auf Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wenden.
Ablehnend äußerte sich die konservative Abgeordnete Keith Vaz, Vorsitzende des Komitees für interne Angelegenheiten des Unterhauses: „Eine Ausnahmeregelung, auch nur eine kleine, würde einen Dammbruch bedeuten. Die Menschenrechtskonvention ist nicht gedacht, um auf diese Weise benutzt zu werden.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Tempi