(Tokio) Die Frage, warum die USA nach der Vernichtung Hiroshimas am 9. August 1945 noch eine zweite Atombombe auf Nagasaki abgeworfen haben, versuchen sich Historiker unter Verweis auf den noch herrschenden Kriegszustand zu erklären: Japan sollte zur Kapitulation gezwungen werden. Die beiden Atombombenabwürfe wurden zum apokalyptischen Ereignis, wie es die Welt noch nicht gekannt hat. Tatsache ist auch, daß mit einem Schlag nicht das japanische Volk, aber zwei Drittel der japanischen Katholiken ausgelöscht wurden.
Innerhalb von 350 Jahren wurde die katholische Kirche Japans zweimal fast annulliert. Die erste Verfolgung hatte 1587 begonnen und mündete 1614 im völligen Verbot. Sie führte zum Shimabara-Aufstand der japanischen Katholiken im Jahr 1637. Die calvinistischen Niederlande unterstützen das japanische Shogunat bei der Niederschlagung des Aufstandes, dessen christlicher Hintergrund noch heute gerne bestritten wird.
„Das Kreuz des Samurei“
Rino Cammilleri setzte den japanischen Katholiken mit seinem historischen Roman „Das Kreuz des Samurei“ ein literarisches Denkmal. Trotz Verfolgung und Dezimierung und ohne Priester bewahrten japanische Katholiken, Kakure kirishitan genannt, ihren Glauben im Verborgenen. Als 1873 wieder ausländische Missionare Japan betreten durften, staunten sie, dort Katholiken vorzufinden.
Im Sommer 1945 starben am 6. und 9. August durch zwei Atombomben 220.000 Menschen. Das entsprach etwa 0,3 Prozent der japanischen Bevölkerung, aber zwei Drittel der japanischen Katholiken.
Der Katholik Akira Fukahori ist ein Überlebender der Atombombenexplosion. Am 31. Dezember 2008 berichtete er in Novara im Rahmen einer Gebetvigil für den Frieden über die Ereignisse.
Augenzeugenbericht eines Überlebenden
„Auch am 9. August 1945 ging ich mit anderen Mitschülern in die Mitsubishi-Fabrik. Ich war 15 Jahre alt. Um die Arbeiter zu ersetzen, die zum Kriegsdienst eingezogen worden waren, hatten wir Schüler in der Fabrik zu arbeiten und die wenigen verbliebenen Arbeiter zu unterstützen.
An jenem Morgen wurde ich mit einer Nachricht zur zweieinhalb Kilometer entfernten Zentrale der Feuerwehr geschickt. Gegen 11 Uhr war ich dort und wartete auf einer Veranda auf eine Antwort. Dort waren noch andere Personen. Kurz darauf hörte ich ein Flugzeug über uns und sah dann eine immense Lichtsäule, die Licht in alle Richtungen auszustrahlen schien. In dem Augenblick wurde ich mit Wucht zu Boden geschleudert. Als ich wieder zu Bewußtsein kam, lagen die Körper von zwei oder drei jungen Burschen auf mir. Die beiden, die zuoberst lagen hatten Gesicht und Hals von Glassplittern entstellt. Einer von ihnen war bereits tot. Wie durch ein Wunder war ich darunter nur leichtverletzt worden.
Der Sitz der Feuerwehr befand sich etwa zwei Kilometer vom Epizentrum entfernt. Das mit Stahlträgern errichtete Gebäude war verwüstet, stand aber noch. Es herrschte großes Durcheinander, Schreie, Panik, viele Tote und Verletzte.
Über die Hänge von Urakami rollte eine Flammenwelle mit enormem Tempo dahin.
Vor mir rannte eine Frau mit verbrannten Haaren verzweifelt und mit kleinen Schritten. Ein völlig entstellter Mann, dessen Arme nur mehr Stummel waren und dessen Haut verbrannt war, ging ziellos umher. Dann sah ich eine andere Frau, die ein Kind auf dem Rücken trug, aus dessen Kopf Blut spritzte. Meine Beine und der ganze Körper zitterten im Anblick dieses Grauens. Es war ein höllischer Anblick. Auf den Straßen schienen sich nicht mehr Menschen zu bewegen, sondern entsetzlich entstellte, abscheuliche Gestalten. Man sagte mir später, daß sich die Druckwelle der Explosion mit einer Geschwindigkeit von 500 Metern in der Sekunde ausbreitete und daß man davon ausgeht, daß die durch die Atombombe verursachte Flammensäule am Boden eine Temperatur von 3000 oder 4000 Grad erreichte. Damals aber wußte noch niemand, daß das, was wir soeben erlebten, eine Atombombe war. Es drängte mich, nach Hause zu gehen. Wo ich hinsah, lagen verkohlte Körper. Als ich in meinen Stadtteil kam, war ich inmitten der völlig zerstörten Gebäude nicht in der Lage, mein Elternhaus zu erkennen. Ich irrte immer verzweifelter herum, konnte es aber nicht finden.
Eine fast völlig nackte Frau irrte in den Ruinen herum. Ihre Haut war eine offene Wunde, an ihrem Körper floß Blut vom Hals herunter. Ich bekam solche Angst, daß ich nur mehr davonlief.“
Die Atombombe war über Urakami explodiert. Urakami, der Stadtteil im Norden Nagasakis, war damals das katholische Zentrum Japans. Dort stand die Kathedrale, die größte katholische Kirche Ostasiens. Urakami zählte 12.000 Katholiken. 8.500 von ihnen starben an jenem Tag des Jahres 1945.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons