„Via discretionis“: Neue „Lösungen“ für die Bischofssynode – Kommunion „nur zu Ostern“


Papst Franziskus während der Synode 2014(Rom) Der Päpst­li­che Fami­li­en­rat unter der Lei­tung von Kuri­en­erz­bi­schof Vin­cen­zo Paglia orga­ni­sier­te im ver­gan­ge­nen Febru­ar und März ein drei­tä­gi­ges inter­na­tio­na­les Semi­nar hin­ter ver­schlos­se­nen Türen zur Fra­ge der wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen. Vie­le gela­de­ne Theo­lo­gen ver­tei­dig­ten das Ehe­sa­kra­ment. Das Semi­nar soll­te, so römi­sche Stim­men, vor allem einer bestimm­ten The­se eine Platt­form ver­schaf­fen: der „Via dis­cretio­nis“, einer ver­fei­ner­ten und kon­kre­ti­sier­ten Vari­an­te des Kasper-Vorschlags.

Anzei­ge

Die Ver­an­stal­tung fand mit Blick auf die bevor­ste­hen­de Bischofs­syn­ode im Okto­ber statt und war Top Secret. Das The­ma lau­te­te: „Fami­lie und Kir­che. Eine untrenn­ba­re Ver­bin­dung“. So heißt auch der Tagungs­band, der nun vom Vati­kan­ver­lag her­aus­ge­ben wurde.

Internationales Seminar hinter verschlossenen Türen

Zu dem Semi­nar waren kei­ne Bischö­fe gela­den, nur „Exper­ten“. Im Fokus stan­den die umstrit­te­nen The­men der Bischofs­syn­ode. Die Stel­lung­nah­men der Refe­ren­ten fie­len sehr hete­ro­gen aus. Vie­le ver­tei­dig­ten die Unauf­lös­lich­keit der Ehe.

Die lin­ke Tages­zei­tung La Repubbli­ca, die ein­zi­ge Zei­tung, die Papst Fran­zis­kus täg­lich liest, fisch­te sich ziel­si­cher jene Refe­ra­te her­aus, die Kar­di­nal Kas­pers „neu­er Barm­her­zig­keit“ nahe­ste­hen. Die Stich­wor­te lau­ten „Wun­den hei­len“, und „Lei­den min­dern“, von jenen, „die geschei­tert sind“. Das ent­spre­che ganz, so La Repubbli­ca, dem Wunsch, mit dem „Papst Fran­zis­kus zum Abschluß der außer­or­dent­li­chen Ses­si­on der Syn­ode im vori­gen Okto­ber dazu auf­for­der­te, kon­kre­te Lösun­gen für vie­le Schwie­rig­kei­ten und unzäh­li­ge Her­aus­for­de­run­gen zu fin­den, die sich den Fami­li­en stel­len müssen‘“.

Die Vor­schlä­ge des Paglia-Semi­nars „ver­pflich­ten zwar zu nichts“, so die Tages­zei­tung, „zei­gen aber den Wil­len eini­ger Theo­lo­gen, daß auf pasto­ra­ler Ebe­ne nichts blei­ben kann, wie es ist“. Vor einem sei „ein Neu­an­fang für wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne möglich“.

Via discretionis: Symbiose der Thesen von Xavier Lacroix und Paul De Clerck

Tagungsband
Tagungs­band „Fami­lie und Kirche“

Der Vor­schlag lau­tet auf Ein­füh­rung einer „Via dis­cretio­nis“. Dabei hand­le es sich um eine Sym­bio­se aus den Tex­ten der Theo­lo­gen Xavier Lacroix und Paul De Clerck. Lacroix spricht sich für die Zulas­sung zur Kom­mu­ni­on, aber nicht für die Aner­ken­nung der Zweit-Ehe aus. De Clerck ver­tritt auch die Aner­ken­nung der Zweit-Ehe nach dem Vor­bild der ortho­do­xen Kirche.

Die Via dis­cretio­nis sieht vor, daß jede Diö­ze­se einen Prie­ster beauf­tra­gen soll­te, der sich nur um die wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen küm­mert. Sofern not­wen­dig, könn­te die­ser Prie­ster durch ein „Exper­ten­team“ unter­stützt wer­den. Sei­ne Auf­ga­be sei es, die Inten­tio­nen der Paa­re zu prü­fen und die Beweg­grün­de, die sie ver­an­laß­ten, die Wie­der­zu­las­sung zur Kom­mu­ni­on zu bean­tra­gen. Der Prie­ster habe zunächst die Nich­tig­keit der Ehe zu prü­fen und das Paar an das Kir­chen­ge­richt zu ver­wei­sen. Denn, so die The­se, Grund für vie­le Tren­nun­gen sei, daß die Ehen fak­tisch nich­tig sind. Falls der Weg der Nich­tig­keit doch nicht mög­lich sein soll­te, führt der beauf­trag­te Prie­ster das Paar dazu, einen Buß­weg zu begin­nen. Er wird nicht kurz sein und soll aus meh­re­ren Etap­pen bestehen. „Die Moti­ve ver­ste­hen, die zum Schei­tern der Ehe geführt haben; sich bewußt wer­den, ein Gebot Got­tes ver­ra­ten zu haben; zu Ver­söh­nung mit der eige­nen Ver­gan­gen­heit gelan­gen“, so ein wört­li­ches Zitat aus dem Tagungsband.

„Zum Teil Zulassung zur Kommunion nur zu Ostern“

Die­ser Weg „könn­te auch einen öffent­li­chen Cha­rak­ter der Buße ver­lan­gen, um dem all­ge­mei­nen Bewußt­sein der Chri­sten zu zei­gen, daß die Ver­söh­nung des Men­schen, des­sen Ehe geschei­tert ist, kei­ne Leicht­fer­tig­keit der Kir­che in der Aus­le­gung der Vor­schrift des Evan­ge­li­ums bedeu­tet, son­dern den Wil­len, kon­kret den aktu­el­len Gehor­sam gegen­über die­ser Vor­schrift zu bele­gen.“ Kon­kret könn­te die Wie­der­zu­las­sung zu den Sakra­men­ten „voll­stän­dig oder teil­wei­se“ sein. In eini­gen Fäl­len könn­te die Zulas­sung zur Eucha­ri­stie auf einen jähr­lich ein­ma­li­gen Kom­mu­nion­emp­fang zu Ostern beschränkt werden.

Für das Pro­blem, wie Zweit­ehen aner­kannt wer­den könn­ten, gab es eben­falls einen Vor­schlag. Einig waren sich die mei­sten dar­in, daß bei einer Zweit­ehe nicht von einem Sakra­ment gespro­chen wer­den kön­ne. Das Ehe­sa­kra­ment blei­be ein­ma­lig. Dafür könn­te „der hohe mensch­li­che und gei­sti­ge Wert der neu­en Ver­bin­dung“ aner­kannt wer­den. Genau das, was Kar­di­nal Kas­per schon geschrie­ben hat: Dort, wo der Glau­ben gegen­wär­tig und die Lie­be am Werk und die Buße für die Schuld am Schei­tern der ersten Ehe spür­bar sei­en, wer­de auch eine Zweit­ehe zum Teil der geist­li­chen Dimen­si­on des kirch­li­chen Lebens.

Dazu La Repubbli­ca: „Sicher, im Okto­ber hat die Syn­ode das letz­te Wort und dann der Papst. Inzwi­schen exi­stie­ren jeden­falls inner­halb der vati­ka­ni­schen Mau­ern neue Lösun­gen und wur­den im Sin­ne einer Kir­che der Annah­me und der Barm­her­zig­keit schwarz auf weiß zu Papier gebracht“.

Die Autoren der „neuen Lösungen“

Xavier Lacroix und Paul De Clerck
Xavier Lacroix und Paul De Clerck

Der bel­gi­sche Lit­ur­gie­wis­sen­schaft­ler Paul De Clerck, Jahr­gang 1939, ist Prie­ster der Erz­diö­ze­se Mecheln-Brüs­sel. Er war von 1970–1998 Direk­tor des Cent­re d’é­tu­des théo­lo­gi­ques et pasto­ra­les de Bru­xel­les. De Clerck ist eme­ri­tier­ter Pro­fes­sor des Insti­tut supé­ri­eur de lit­ur­gie am Insti­tut catho­li­que de Paris. Von 1986–2001 war er Direk­tor des Instituts.

Der fran­zö­si­sche Moral­theo­lo­ge Xavier Lacroix, Jahr­gang 1947, lehrt seit 1986 Ethik und Moral­theo­lo­gie an der Uni­ver­si­té catho­li­que de Lyon. Von 1986–1994 war er Direk­tor des Insti­tut des sci­en­ces de la famil­le an der Theo­lo­gi­schen Fakul­tät, deren Dekan er von 1997–2003 war. Von 1987–2004 war er Mit­glied des Natio­na­len Rats für Fami­li­en­pa­sto­ral. Lacroix ist Bera­ter der Fran­zö­si­schen Bischofs­kon­fe­renz und des Päpst­li­chen Fami­li­en­rats in Fra­gen der Fami­lie. Seit 2008 gehört er auf Vor­schlag des Staats­prä­si­den­ten dem 39köpfigen Natio­na­len Ethik­rat Frank­reichs an.

Kuri­en­erz­bi­schof Vin­cen­zo Paglia, der Orga­ni­sa­tor des inter­na­tio­na­len Semi­nars, ist seit 2013 vor allem mit Aus­sa­gen zur Aner­ken­nung der Homo­se­xua­li­tät auf­ge­fal­len. Als er mit der Fahr­kar­te der Gemein­schaft San­t’E­gi­dio an die Römi­sche Kurie beru­fen wur­de, hin­ter­ließ er sei­ne Diö­ze­se Ter­ni mit einem Schul­den­berg von 24 Mil­lio­nen Euro.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL/​UCL/​ISL (Screen­shots)

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!