von Wolfram Schrems*
950.000,– Euro soll dem Vernehmen nach die „Neugestaltung“ des Altarraums im Linzer Dom kosten. Mit diesem Projekt soll „das Atmen des Raums“ „erfahrbar“ gemacht werden. Dümmliche Ideologie und kirchliche Verschwendungssucht gehen also wieder einmal Hand in Hand. Das „Atmen des Raumes“ ist bekanntlich weder eine theologische noch eine liturgische Kategorie. Allenfalls ist es gutes Marketing der Künstlergruppe, die ja evidenterweise einen gewaltigen Auftrag an Land gezogen hat.
Man fragt sich ohnehin, für wen dieses neue Ensemble errichtet werden soll, wenn nicht für die Auftragnehmer. Für die verbliebenen Gläubigen ja wohl nicht. Wohl eher gegen diese. Sie haben die theologischen und liturgischen Verwüstungen nach dem Konzil ja evidenterweise mit Fernbleiben beantwortet.
Dazu einige Beobachtungen und Überlegungen.
Säkulare Implikationen der Verwüstung
Mit der Verwüstung des kirchlichen Binnenraumes (im doppelten Wortsinn) sind gesellschaftspolitische Implikationen verbunden.
Es geht zunächst um das Evidenteste, nämlich um die schlechte Vorbildwirkung bezüglich des verschwenderischen Umganges mit Kircheneigentum bzw. Kirchenbeitragsgeldern. Die Parallele zum unverantwortlichen Umgang mit Steuergeldern im politischen Bereich ist auf den ersten Blick evident.
Eine andere Implikation ist, daß sich die kirchliche Führungsschicht aus Eitelkeit und weltlicher Gefallsucht weit vom gläubigen Volk, oder was davon noch übrig geblieben ist, entfernt hat: Der Linzer Dompfarrer mag sich als wichtigen Kunstmäzen stilisieren, den ihm anvertrauten Gläubigen nützt das gar nichts.
Somit geben die geistlichen Autoritäten ein schlechtes Beispiel für die weltlichen Autoritäten ab, die sich im Zweifelsfall tendenziell auch eher der eigenen Eitelkeit verpflichtet fühlen als dem Wohl der ihnen Anvertrauten.
Die dritte Implikation dieser Tragikomödie ist das fanatische Festhalten an einer zutiefst gescheiterten Liturgiereform, die an der rapiden Entchristlichung und Re-Barbarisierung unseres Landes entscheidenden Anteil hat. Denn mit dem Hineinklotzen dieses neuen Ensembles soll die Idee des „Volksaltars“ gleichsam festzementiert werden. Damit wird der Dom für die Liturgie, für die er von Bischof Franz Joseph Rudigier (1811 – 1884) gebaut worden ist, praktisch ungeeignet.
Das ist pervers und in gewisser Hinsicht „antidemokratisch“: Wie auf dieser Seite berichtet, wurde am 4. Juli d. J. ein junger Diakon der Priesterbruderschaft St. Petrus von Bischof Ludwig Schwarz im überlieferten Ritus zum Priester geweiht. Das wurde vom diözesanen Netzauftritt mit völligem Schweigen übergangen (!) – und das, obwohl der Dom unüblich gut gefüllt war.
Diejenigen, die noch – oder wieder – zur Kirche kommen, wissen sich also zu einem großen Teil dem überlieferten Meßritus verbunden. Vom derzeitigen Establishment werden diese aber wie Aussätzige behandelt.
Wenn also der Ausdruck „abgehobene Elite“ einen Sinn hat, dann besonders in diesem Zusammenhang.
Die geplante Zerstörung des alten Ensembles im Linzer Dom ist also Teil eines innerkirchlichen Kulturkampfes. Auch das ist für die weltlichen Autoritäten ein schlechtes Beispiel, da diesen nun vollends jeder Sinn für Tradition und Erbe abhanden kommen muß. Kein Beamter einer Kulturabteilung, etwa des Landes Oberösterreich, wird nun „päpstlicher als der Papst“ sein wollen.
Dieses fanatische Festhalten an der gescheiterten „Liturgiereform“ im innerkirchlichen Bereich präfiguriert also das fanatische Festhalten an gescheiterten Konzepten im politischen Bereich, von der Eurozone bis zum Freihandel.
Geld statt Glaube – die neue „Kirche der Armen“?
Es ist eine Erfahrung der letzten Jahrzehnte, auch meiner selbst, daß der hiesige kirchliche Apparat bei weitem mehr am Geld als an der Verbreitung des Glaubens und der Prägung der weltlichen Bereiche interessiert ist. Vermutlich haben es mehr Kirchensteuerpflichtige erlebt, daß nach der Hauptwohnsitzmeldung (in diesem Fall in Wien) die Kirchensteuervorschreibung nach vierzehn Tagen eintrifft, der Willkommensbrief der zuständigen Pfarre nach fünf Monaten.
Klare Prioritäten eben.
Kirchliche Dienstbesprechungen zeichnen sich, wie man aus Insiderkreisen weiß, auch nicht durch großen Glaubenseifer aus, dafür mehr durch Larmoyanz aufgrund befürchteter knapp bemessener Mittel.
Aber wofür braucht man diese? Nun, die zeitgeistigen Kunstprojekte kosten eben Geld – genauso wie die Erhaltung des selbstzweckhaften und immer noch überdimensionierten Apparats.
All das steht in schreiendem Kontrast zur derzeit so penetrant ausgerufenen „Option für die Armen“ und der berühmten „armen Kirche für die Armen“.
Linz – Prototyp einer „failed diocese“
Wie es „failed states“ gibt (die häufig von außen dazu gemacht wurden), gibt es auch eine „failed Church“. Der ganze Bereich der Österreichischen Bischofskonferenz ist so gut wie nicht mehr als katholisch erkennbar, die Diözese Linz ist aber ein besonders krasses Beispiel einer vom Apparat systematisch betriebenen Apostasie. Vieles könnte man dazu berichten.
Sinnbildlich für diesen desaströsen Zustand war die (temporäre) Verschandelung des Linzer Mariendoms durch das diözesane Kunstreferat während der überaus entbehrlichen Aktion „Kulturhauptstadt“ 2009.
Die eingangs erwähnte geplante permanente Verwüstung des Doms soll diesen Status nun zementieren.
(Die Jesuiten haben die ihnen anvertraute Kirche, den Alten Dom, übrigens auch verunstaltet. Weil man dort ebenfalls zu viel Geld und zu wenig Gespür für die Tradition hat, hat man die Beichtstühle herausgerissen und durch eine Installation ersetzt, die einer Autobahn-Toiletteanlage gleicht.)
Man hat das Erbe des Ehrwürdigen Dieners Gottes Bischof Franz Joseph Rudigier bewußt verspielt. Einer der bedeutendsten Linzer Bischöfe, vielleicht der bedeutendste, ist aus dem Bewußtsein verdrängt worden. Der von ihm in schwierigen Zeiten initiierte Dom soll der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Sein Grab ist, wie vor kurzem auf dieser Seite berichtet, praktisch unzugänglich. Der Seligsprechungsprozeß war 1895 (!) eröffnet worden. An einem Ergebnis hat der Linzer Apparat offensichtlich kein Interesse.
Es ist kein Wunder, daß die Kirche in völliger Auflösung begriffen ist.
Resümee: Das Wohl der Gesellschaft hängt von der Gesundheit der geistlichen Autorität ab
Allerdings hat die Eitelkeit und Verblendung der Kirchenmänner in Linz und anderswo auch den gesellschaftlichen Bereich in die Auflösung mithineingerissen. Diesen – schon öfter thematisierten – Zusammenhang darf man nie übersehen.
Dummheit und Verschwendungssucht in der Politik können jederzeit auf klerikale Vorbilder verweisen. Denn wenn für ein überflüssiges, ja schädliches Altarprojekt eine knappe Million Euro recht ist, sind die verschwendeten Milliarden für irgendwelche sagenhafte „Friedensprojekte“ ja wohl nur billig.
Die geistlichen Herren mögen also immer ihre Verantwortung im Auge behalten.
*MMag. Wolfram Schrems, Linz und Wien, katholischer Theologe, Philosoph, Katechist
Bild: Wikicommons/Wikilinz