Nennt Papst Franziskus Öko-Enzyklika „Laudato sii“ – nach Sonnengesang von Franz von Assisi?


Papst Franziskus und hl. Franz von Assisi
Papst Fran­zis­kus und hl. Franz von Assisi

(Rom) „Lau­da­to sii“. Mit die­sen Wor­ten soll „laut Indis­kre­tio­nen“ die von höch­sten Stel­len, ein­schließ­lich UNO-Gene­ral­se­kre­tär Ban Ki-moon, mit Span­nung erwar­te­te Öko-Enzy­kli­ka von Papst Fran­zis­kus begin­nen. Dies berich­tet der Vati­ka­nist San­dro Magister.

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Der Titel der ange­kün­dig­ten Öko-Enzy­kli­ka ent­spricht damit einem Vers aus dem „Son­nen­ge­sang“ des hei­li­gen Franz von Assi­si. Nach die­sem gro­ßen Hei­li­gen des Mit­tel­al­ters, der als „zwei­ter Chri­stus“ ver­ehrt wur­de, hat sich Papst Fran­zis­kus genannt. Mit der Namen­ge­bung für sei­ne erste Enzy­kli­ka sucht der argen­ti­ni­sche Papst erneut den Brücken­schlag zum Grün­der der fran­zis­ka­ni­schen Spi­ri­tua­li­tät und Orden.

In Wirk­lich­keit han­delt es sich nach Lumen fidei bereits um die zwei­te Enzy­kli­ka die­ses Pon­ti­fi­kats. Die im Juni 2013 ver­öf­fent­lich­te erste Enzy­kli­ka stamm­te aller­dings nach Anga­ben von Papst Fran­zis­kus noch von sei­nem Vor­gän­ger Bene­dikt XVI. Die­ser hat­te sie bereits fer­tig­ge­stellt. Wegen sei­nes uner­war­te­ten Amts­ver­zichts war es aber nicht mehr zu einer Ver­öf­fent­li­chung gekom­men. Seit­her gilt sie als „vier­hän­di­ge“ Enzy­kli­ka, weil zwei Päp­ste dar­an Anteil haben.

Papst Franziskus nennt Öko-Enzyklika nach Vers des heiligen Franziskus

Im Gegen­satz zum Apo­sto­li­schen Schrei­ben Evan­ge­lii gau­di­um, das als „pro­gram­ma­ti­sche“ Aus­sa­ge des Pon­ti­fi­kats gilt, und der schon vor ihrer Ver­öf­fent­li­chung umkämpf­ten Öko-Enzy­kli­ka fand Lumen fidei wenig öffent­li­ches Interesse.

Als sel­te­ne Aus­nah­me wird die Öko-Enzy­kli­ka kei­nen latei­ni­schen Titel haben, son­dern der ita­lie­ni­schen Volks­spra­che zur Zeit des 1226 gestor­be­nen Hei­li­gen ent­nom­men sein.

Der Rück­griff von Papst Fran­zis­kus auf die ita­lie­ni­sche Volks­spra­che gehört zu sei­ner phä­no­me­na­len Kom­mu­ni­ka­ti­ons­fä­hig­keit. PR-Ver­tre­ter wür­den von einem genia­len Kunst­griff spre­chen. Der Vers Lau­da­to sii ist durch den Son­nen­ge­sang des hl. Franz von Assi­si wei­ten Tei­len des katho­li­schen Volks, teils auch dar­über hin­aus, ver­traut und posi­tiv konnotiert.

Enzykliken bisher nur in Ausnahmefällen in Volkssprache verfaßt

Bis weit ins 20. Jahr­hun­dert hin­ein wur­den Enzy­kli­ken in Latein geschrie­ben. Erst unter Papst Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. wur­den sie in ita­lie­ni­scher Spra­che oder der Mut­ter­spra­che des Pap­stes ver­faßt und dann ins Latei­ni­sche über­tra­gen. Beson­ders Bene­dikt XVI. schrieb, im Gegen­satz zu sei­nen Vor­gän­gern, sei­ne Enzy­kli­ken durch­ge­hend selbst und tat dies daher in der ihm ver­trau­ten deut­schen Muttersprache.

Jede Enzy­kli­ka oder ande­res kirch­li­ches Doku­ment wird in der Regel nach den ersten Wor­ten benannt. Die­se wur­den der offi­zi­ell gül­ti­gen latei­ni­schen Fas­sung ent­nom­men, unab­hän­gig davon, in wel­cher Spra­che die Erst­fas­sung geschrie­ben wur­de. Latein, so wur­de es vom Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil bekräf­tigt, ist die offi­zi­el­le Spra­che der Katho­li­schen Kir­che und des Hei­li­gen Stuhls.

„Mit brennender Sorge“ und „Non abbiamo bisogno“ gegen Nationalsozialismus und Faschismus

Aller­dings gab es bereits frü­her Aus­nah­men, die meist mit einer beson­de­ren histo­ri­schen Situa­ti­on zu tun hat­ten. Eine sol­che Aus­nah­me bil­de­te die 1937 von Papst Pius XI. in deut­scher Spra­che ver­öf­fent­lich­te, berühm­te Enzy­kli­ka „Mit bren­nen­der Sor­ge“. Die Enzy­kli­ka war eine Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Natio­nal­so­zia­lis­mus. In die­ser dra­ma­ti­schen Situa­ti­on, und um sich direkt an das deut­sche Volk wen­den zu kön­nen, wur­de aus­nahms­wei­se die deut­sche Spra­che gewählt.

Pius XI. ver­faß­te in sei­nem Pon­ti­fi­kat ins­ge­samt 30 Enzy­kli­ken, 28 davon Latein, eine auf deutsch und eine wei­te­re auf ita­lie­nisch. 1931 ver­öf­fent­lich­te er die Enzy­kli­ka „Non abbia­mo biso­g­no“ (Wir brau­chen nicht) als Reak­ti­on auf die Auf­lö­sung der Katho­li­schen Akti­on durch das faschi­sti­sche Regime von Beni­to Mus­so­li­ni. Die Wahl der Volks­spra­che soll­te der direk­ten Kom­mu­ni­ka­ti­on die­nen. Den­noch dürf­te es sich dabei um den Prä­ze­denz­fall han­deln, wo ein Papst eine Volks­spra­che wähl­te, sich aber an den Wel­tepi­sko­pat wandte.

Der seli­ge Papst Pius IX. schrieb wäh­rend sei­nes lan­gen Pon­ti­fi­kats 41 Enzy­kli­ken, alle aus­nahms­los in Latein. Von sei­nem Nach­fol­ger Leo XIII. stam­men 86 Enzy­kli­ken, fünf sind ita­lie­nisch und zwei Fran­zö­sisch ver­faßt, mit denen er sich spe­zi­fisch und aus aktu­el­lem Anlaß an den jewei­li­gen Epi­sko­pat und nicht an den Wel­tepi­sko­pat wandte.

Die bis­her jüng­ste Enzy­kli­ka, die nicht in der Kir­chen­spra­che, son­dern Fran­zö­sisch ver­faßt ist, stammt von Papst Pius XII. aus dem Jahr 1957. Sie ist den Lour­des-Pil­gern gewid­met und rich­tet sich an den fran­zö­si­schen Epi­sko­pat. Die übri­gen 40 Enzy­kli­ken sei­nes Pon­ti­fi­kats wur­den alle auf Latein ver­öf­fent­licht und tra­gen auch latei­ni­sche Titel.

Aus­nahms­los auf Latein ver­öf­fent­lich­ten auch alle Nach­fol­ger: Johan­nes XXIII. acht Enzy­kli­ken, Paul XVI. sie­ben, Johan­nes Paul II. vier­zehn und Bene­dikt XVI. drei. Ent­spre­chend tra­gen auch alle die­se Enzy­kli­ken latei­ni­sche Titel.

Novum von Papst Franziskus – Noch keine Enzyklika mit solcher Spannung erwartet

Daß der Titel einer Enzy­kli­ka in einer ande­ren Spra­che gehal­ten ist als in jener, in der sie geschrie­ben ist, stellt ein Novum von Papst Fran­zis­kus dar.

„Lau­da­to sii“ wird also bereits vom Titel her eine wei­te­re Aus­nah­me im an Aus­nah­men rei­chen Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus dar­stel­len: eine Öko-Enzy­kli­ka, die wie kei­ne ande­re Enzy­kli­ka bereits mit größ­ter Span­nung erwar­tet und auf­grund ihres mut­maß­li­chen Inhal­tes Gegen­stand eines welt­an­schau­li­chen „Glau­bens­krie­ges“ ist. Frü­her wur­den Enzy­kli­ken auch nicht im Vor­feld ange­kün­digt. Erstaun­li­cher­wei­se zeigt vor allem die nicht-katho­li­sche, welt­li­che Füh­rungs­ebe­ne beson­de­res Inter­es­se an der ange­kün­dig­ten Öko-Enzy­kli­ka (sie­he dazu Die ver­senk­te Öko-Enzy­kli­ka – Papst Fran­zis­kus und sei­ne „Bau­stel­len“). Eine Enzy­kli­ka, mit der Papst Fran­zis­kus mehr denn je beab­sich­tigt, sich an die gan­ze Welt, nicht nur die katho­li­sche zu wenden.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Set­tim Cielo

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