(Rom) In seinem Gesprächsbuch „Dieu ou rien“ (Gott oder nichts) nahm der neue Präfekt der Gottesdienstkongregation, Kardinal Robert Sarah auch zum Motu proprio Summorum Pontificum von Papst Benedikt XVI. Stellung. Der traditionsverbundene französische Informationsdienst Paix liturgique veröffentlichte die Auszüge in seinem „Brief 65“.
Paix liturgique hatte bereits im Herbst 2014 die Ernennung des Kardinals aus Guinea zum Nachfolger von Kardinal Canizares begrüßt. Nun schrieb der Informationsdienst:
Kardinal wählte birituelle Pariser Pfarrei, um über die Liturgie zu sprechen
„Anfang März 2015 hielt sich Kardinal Robert Sarah, Präfekt der römischen Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung für längere Zeit in Paris und Umgebung auf, um das gemeinsam mit dem Journalisten Nicolas Dat entstandene Gesprächsbuch „Gott oder nichts“ (Fayard) vorzustellen. Das Buch zeichnet ein persönliches und überraschendes Porträt eines der diskretesten und doch bedeutendsten Prälaten dieses Pontifikats.
Während zahlreicher Veranstaltungen zur Vorstellung des Buches wollte der Kardinal einen beachtlichen Teil seiner Zeit nicht den Medien, sondern den Gläubigen widmen. Er besuchte mehrere Pfarreien. In jeder griff er ein bestimmtes Thema seines Buches auf. Dazu gehörte auch die Liturgie, über die er genau in der Pfarrei Saint-Eugà¨ne-Sainte Cécile sprach, in der seit 30 Jahren in beiden Formen des Römischen Ritus zelebriert wird.“ Soweit Paix liturgique. Im Folgenden ein Ausschnitt zur Liturgie aus dem Gesprächsbuch von Kardinal Sarah.
Freude und Dankbarkeit über Summorum Pontificum
„Persönlich habe ich Summorum Pontificum mit großem Vertrauen, Freude und Dankbarkeit aufgenommen. Es ist Zeichen und Beweis dafür, wie die Kirche, Mutter und Lehrerin, auf alle Gläubigen schaut, indem sie alle Sensibilitäten berücksichtigt. Benedikt XVI. wollte den Reichtum der verschiedenen geistlichen Ausdrucksformen fördern in der Überzeugung, daß diese zur wahren kirchlichen Einheit führen und zu einer immer strahlenderen Ausbreitung der Heiligkeit der Kirche.
Ich denke, daß sich dieses schöne Motu proprio vollkommen innerhalb der von den Konzilsvätern gezogenen Furche einfügt. Deshalb dürfen wir nicht so tun, als hätten wir vergessen, was ausdrücklich in Sacrosanctum Concilium erklärt wurde: „Denn die Liturgie enthält einen kraft göttlicher Einsetzung unveränderlichen Teil und Teile, die dem Wandel unterworfen sind. Diese Teile können sich im Laufe der Zeit ändern, oder sie müssen es sogar, wenn sich etwas in sie eingeschlichen haben sollte, was der inneren Wesensart der Liturgie weniger entspricht oder wenn sie sich als weniger geeignet herausgestellt haben.“
Im Brief, der Summorum Pontificum begleitete, schrieb Benedikt XVI.:
Im übrigen können sich beide Formen des Usus des Ritus Romanus gegenseitig befruchten: Das alte Meßbuch kann und soll neue Heilige und einige der neuen Präfationen aufnehmen. Die Kommission Ecclesia Dei wird im Kontakt mit den verschiedenen Institutionen die sich dem usus antiquior widmen, die praktischen Möglichkeiten prüfen. In der Feier der Messe nach dem Missale Pauls VI. kann stärker, als bisher weithin der Fall ist, jene Sakralität erscheinen, die viele Menschen zum alten Usus hinzieht. Die sicherste Gewähr dafür, daß das Missale Pauls VI. die Gemeinden eint und von ihnen geliebt wird, besteht im ehrfürchtigen Vollzug seiner Vorgaben, der seinen spirituellen Reichtum und seine theologische Tiefe sichtbar werden läßt.
Es ist wahrscheinlich, daß man in der Zelebration der Messe nach dem alten Missale die Messe besser als Akt Christi und nicht der Menschen verstehen kann. So ist auch ihr geheimnisvoller und mystagogischer Charakter unmittelbarer wahrnehmbar. Auch wenn wir aktiv an der Messe teilnehmen, handelt es sich dabei nicht um unsere Aktion, sondern um jene von Christus. In seinem Apostolischen Schreiben Vicesimus Quintus Annus fragte sich Johannes Paul II. worin die aktive Teilnahme bestehe.
Aber worin besteht diese tätige Teilnahme? Was muß man da tun? Leider ist das Wort sehr schnell in einem äußerlichen Sinn mißverstanden und die Notwendigkeit eines allgemeinen Agierens daraus abgeleitet worden, als ob möglichst viele möglichst oft für alle sichtbar in Aktion treten müßten. Das Wort „Teilnahme“ (oder auch „Teilhabe‘„verweist aber auf eine Haupthandlung, an der alle teil-haben sollen. Wenn man also herausfinden will, um welches Tun es geht, dann muß man zuallererst ermitteln, welches denn diese eigentliche, zentrale „actio“ ist, an der sich dann alle Glieder der Gemeinschaft beteiligen sollen. […] Unter der actio der Liturgie versteht man in den Quellen das Hochgebet. Die wirkliche liturgische Aktion, der wahre liturgische Akt, ist die oratio – das große Gebet, das den Kern der Eucharistiefeier bildet, die deswegen als ganze von den Vätern als oratio bezeichnet wurde.…Diese oratio- das eucharistische Hochgebet, der „Kanon“ – ist wirklich mehr als Rede, ist aactio im höchsten Sinn. Denn darin geschieht es, daß die menschliche actio (wie sie bisher von den Priestern in den verschiedenen Religionen geübt worden war) zurücktritt und Raum gibt für die actio divina, das Handeln Gottes (Joseph Kardinal Ratzinger: Vom Geist der Liturgie, Herder, 6.Aufl., Freiburg im Breisgau 2002, S. 147f).
Das Motu proprio Summorum Pontificum versucht, die beiden Formen des Römischen Ritus zu versöhnen und versucht vor allem uns zu helfen, die Sakralität der Heiligen Messe wiederzuentdecken als Akt Gottes und nicht der Menschen. Wir berühren hier einen wirklich wichtigen Punkt: Das Problem der verbreiteten Disziplinlosigkeit, den Mangel an Respekt und Treue gegenüber dem Ritus, der sogar die Gültigkeit des Sakraments angreifen kann.“
Auszug aus Robert Kardinal Sarah: Dieu ou rien, Fayard, Paris 2015, S. 400–402
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL