(Tripolis) Das Video zeigt zwei Hinrichtungen: zwölf Christen wird die Kehle durchgeschnitten, 16 Christen werden mit der Pistole hingerichtet. Die Aufzeichnungen haben vorherige Morddrohungen festgehalten: Islam oder Tod. Die Christen, sie stammten nach IS-Angaben alle aus Äthiopien, haben den Tod vorgezogen.
Gruppen, die dem Islamischen Staat (IS) nahestehen, haben mit makabrer und provokanter Zeitplanung am gestrigen Sonntag ein Video veröffentlicht. Es ist angefüllt mit Drohungen gegen Christen und zeigt die Ermordung von insgesamt 28 Männern. Die Opfer werden als Angehörige der „feindlichen äthiopischen Kirche“ vorgestellt.
Ob alle der Äthiopisch-Orthodoxen Kirche angehören oder auch der Äthiopisch-Katholischen Kirche oder anderen christlichen Denominationen, läßt sich noch nicht sagen. Alle Ermordeten aber waren nach derzeitigem Erkenntnisstand äthiopische Christen.
Hinrichtung erinnert an Ermordung der 21 koptischen Christen im vergangenen Februar
Das Video wurde professionell hergestellt und ist von erstaunlicher Qualität. Die Bildabfolge erinnert an die Szenen des Videos, das die Ermordung der 21 koptischen Christen in Libyen zeigte und das im vergangenen Februar verbreitet wurde und weltweit für Schrecken sorgte.
Das neue Video zeigt zwei unterschiedliche Hinrichtungen: einmal die Ermordung von 12 Christen, die orange gekleidet sind, um den Status von Gefangenen zu unterstreichen in Anspielung an die orange Gefangenenkleidung, die von den USA für mutmaßliche islamistische Terroristen nach dem Attentat vom 11. September 2001 verwendet wird.
Als Hinrichtungsort wurde, wie bei den ägyptischen Kopten, ein Meeresstrand gewählt. Allen Christen wird von vermummten Islamisten mit Messern die Kehle durchgeschnitten.
Die zweite Szene zeigt die Ermordung von 16 weiteren Christen. Der Henker ist ganz in schwarz gekleidet, die anderen Islamisten tragen Kampfanzüge. Der Henker bedroht die Opfer mit der Pistole und fordert sie auf, den Islam anzunehmen. Da sie ablehnen, schießt er einem nach dem anderen in den Kopf.
Islam oder Tod – oder Kopfsteuer der Unterworfenen
Vor der Hinrichtung werden weitere Männer gezeigt, die als syrische Christen vorgestellt werden. Sie erklären, daß ihnen die Dschihadisten die Wahl lassen, den Islam anzunehmen oder eine Schutzsteuer bezahlen zu müssen, die Dschizya. Diese Kopfsteuer kann nach islamischem Recht der unterworfenen, nichtmuslimischen Bevölkerung aufgezwungen werden.
Erstmals ist mit den Hinrichtungen Äthiopien zur Zielscheibe des Islamischen Staates (IS) geworden, der seinen Aktionsradius auf immer neue Gebiete ausdehnt, ohne daß ihm Einhalt geboten wird. Die äthiopische Regierung hat das „abscheuliche Massaker entschieden verurteilt“ und ist bemüht, die Identität der Opfer zu klären.
Äthiopiens Christentum geht bis auf die Zeit Jesu zurück
Äthiopien ist nach Nigeria der zweitbevölkerungsreichste Staat Afrikas. Obwohl das Land von 1974–1991 von einem mit dem Ostblock verbündeten marxistischen Regime regiert wurde, das die Christen verfolgte, sind zwei Drittel der rund 90 Millionen Äthiopier Christen. Der Großteil davon gehört der Äthiopisch-Orthodoxen Kirche an, deren Gründung auf die Zeit Jesu zurückgeführt wird.
Viele Äthiopier suchen heute Arbeit in anderen Staaten. Auf diese Weise gelangten etliche auch nach Libyen, wo sich verschiedene islamische Gruppen bekämpfen. Die staatliche Ordnung Libyens ist nach dem Sturz von Muammar al-Gaddafi zusammengebrochen, der 2011 von einer US-geführten westlichen Koalition herbeigeführt wurde. Der Islamische Staat (IS), dem sich örtliche Islamistengruppen angeschlossen haben, kontrolliert heute Teile des Landes an der Großen Syrte. In Libyen waren bereits die im Februar ermordeten koptischen Christen den Islamisten in die Hände gefallen. Nun haben die äthiopischen Christen dasselbe Schicksal erlitten und wurden gnadenlos ermordet.
UNO sieht Abkommen für stabile Regierung in Libyen in greifbarer Nähe
Unterdessen gab ein UNO-Unterhändler, Bernardino Leon, bekannt, daß „ein Abkommen zur Bildung einer neuen Regierung nach wochenlangen Verhandlungen sehr nahe“ sei. Das treibe auch die „Feinde des Friedens“ auf den Plan. Leon interpretierte das Mordvideo als Teil der Gegenstrategie, ein Abkommen zur Bildung einer stabilen Regierung zu verhindern.
Das Video wurde, wie bereits vorherige IS-Bekennervideos, von SITE bekanntgemacht.
Text: Asianews/Giuseppe Nardi
Bild: Asianews