(Wien) Der „Linzer Weg“ ist bekannt und er ist bekanntlich viel, aber nicht katholisch. Als neueste Idee soll die Kathedralkirche der österreichischen Diözese Linz umgebaut werden. Der Altar soll „weiter in die Mitte“ hineingerückt werden.
Mariendom programmatischer Gegensatz zum „Linzer Weg“
Die Kathedralkirche von Linz ist eine im Volksmund als „Neuer Dom“ bezeichnete Marienkirche. Die zwischen 1862 und 1924 erbaute Bischofskirche ist der unbefleckten Empfängnis geweiht. Die Initiative zum Kirchenbau geht auf den Linzer Bischof Franz Joseph Rudigier zurück, der den neuen Dom zum Dank für das von Papst Pius IX. am 8. Dezember 1854 verkündete Dogma der immaculata conceptio errichten ließ. Der Mariendom stellt damit einen programmatischen Gegensatz zum „Linzer Weg“ dar.
Bis zum Neubau war die Kirche des damals gerade verbotenen Jesuitenordens Bischofskirche der jungen, erst 1784 von Kaiser Joseph II. errichteten und der Kirche aufgezwungenen Diözese Linz. Deren Gebiet hatte bis dahin zum alten Bistum Passau gehört. 1785 stimmte Papst Pius VI. notgedrungen zu und errichtete die Diözese auch kirchenrechtlich. Der neugotische Dom ist übrigens nach Fassungsvermögen die größte Kirche Österreichs.
Bischof durch Räteregiment isoliert
Doch seit dem streitbaren Bischof Rudigier ist viel Wasser die Donau hinuntergeflossen. Heute hat der „Linzer Weg“ die Schalthebel in der Diözese fest im Griff. Die Räte haben das Sagen. Hausherr im Mariendom ist neben dem Bischof Dompfarrer Maximilian Strasser. Doch der amtierende Bischof von Linz hat wenig zu melden im Räteregiment.
Der liberale und häufig beweibte Klerus-Mittelbau hat den Bischof in Zusammenarbeit mit dem hauptamtlichen Laienapparat im bischöflichen Palais isoliert. Als 2009 der Bischof durch die Ernennung von Pfarrer Gerhard Maria Wagner zum Weihbischof aus seiner „Gefangenschaft“ befreit werden sollte, kam es mit medialer Anfeuerung zum Aufstand der Dechanten und der grün-liberalen Apparatschiks. Wiens Erzbischof versetzte dem Versuch in Rom den Gnadenstoß. Der Bischof, der die Ernennung zunächst „freudig begrüßt“ hatte, mußte wieder in seine Isolation zurückkehren und ließ nach der erfolgreichen Verhinderung Wagners artig über die Medien wissen: „Jetzt wird alles besser“.
Pastoralassistentinnen „spielen Priester“
„Gut“ bedeutet in der Diözese Linz, daß in zahlreichen Pfarreien keine Heilige Messe mehr zelebriert wird und dies durch den Sammelbegriff „Gottesdienst“ verschleiert wird. Pfarrer arbeiten nach Kollektivvertrag, da kann es schon passieren, daß ein Priester, der zu einem Sterbenden gerufen wird, auf seinen „freien Tag“ pocht und zu einem „Kollegen“ weiterschickt.
Am Altar häufen sich Pastoralassistentinnen in meßgewandähnlicher Kostümierung, die bei der Wandlung neben dem Priester „konzelebrieren“ oder in dessen Abwesenheit gleich ganz den „Gottesdienst“ übernehmen. Die Verantwortlichen schauen weg. Niemand ist zuständig. Briefe an den Bischof bleiben unbeantwortet. Meßstipendien werden kassiert, dann aber von einer Pastoralassistentin oder einem Diakon eine Wort-Gottes-Feier gehalten. Gläubige sprechen von „Betrug“ in großem Stil und sind verbittert. Nicht wegen des Geldes, sondern weil Lebende und Verstorbene um die Gnadenmittel betrogen werden. Gläubige fragen sich, ob es in der Kirche keine verbindliche Anlaufstelle gibt, an die Eingaben zu Mißständen gemacht werden können.
Der Übergang erfolgt schleichend, aus Messe wird Gottesdienst wird Wort-Gottes-Feier. Alles sehr ähnlich, verblüffend ähnlich. Wer kennt schon noch den Unterschied. Das Volk wird nicht aufgeklärt. Mit „Priestermangel“ wird alles gerechtfertigt. Der Diakon, der als Priester auftritt, die Pastoralassistentin, die gleich gewandet wie der Priester auftritt. Wer kennt schon die unscheinbaren kleinen Unterschiede, die so gestaltet sind, daß sie dem Volk gar nicht auffallen sollen. Den Gläubigen wird nicht gesagt, daß sie ihre Sonntagspflicht nicht erfüllen, wenn sie dem „Gottesdienst“ eines Diakons oder einer Pastoralassistentin beiwohnen. Die beabsichtigte Gewöhnung soll den Zugang aller zum sakramentalen Priestertum vorbereiten.
Der „Linzer Weg“ ist bereits seit vielen Jahren im Gang. Das Bild mit der Pastoralassistentin am Altar stammt aus Wels aus dem Jahr 2004. In Linz und anderswo sieht es inzwischen genauso aus. Daß der ständige Diakon Samy (Franz) Schrittwieser Unterzeichner des Aufrufs zum Ungehorsam der „Pfarrer-Initiative“ ist, versteht sich da geradezu von selbst. Von 2006–2014 war Schrittwieser in der Diözese als Referent für die ständigen Diakone zuständig, von denen es inzwischen 113 gibt. Ende 2014 wurde Samy Schrittwieser von Bischof Schwarz mit dem Ehrentitel Konsistorialrat ausgezeichnet.
„Meßtisch näher zu den Menschen rücken“
Wo „Räte“ an die Stelle von Glaubenseifer treten, werden Mission und Verkündigung durch Gremien, Sitzungen und geschäftiges „Machen“ ersetzt, Spiritualität durch Verwaltung. Äußeres Werken tritt an die Stelle von innerem Wirken. Ein Merkmal für dieses Machen statt Verkündigen sind ständige Bauprojekte, meist zur Umgestaltung des Kirchenraumes.
So ist es auch für den Mariendom von Linz geplant. Der „Meßtisch“ soll in das Kirchenschiff hineinversetzt werden. Darin sind sich die Macher einig. Für das „Wie“ wurden sieben Künstler- und Architektenpaare zu einem Gestaltungswettbewerb „eingeladen“.
Das Ganze läuft unter dem Stichwort: Den Altar „näher zu den Menschen rücken“. Damit sind Gremien und Rätewirtschaft wieder für einige Zeit beschäftigt und können für die Jahresberichte „Ergebnisse“ vorweisen. Und sie scheinen der Überzeugung zu sein, daß die geistliche Bedeutung von der Entfernung zwischen Volk und Altar abhängt, der mit dem Meterband gemessen werden kann.
Der „Stuhlkreis“ vollendet Marsch durch die Institutionen
Manche werden es schon erahnen. Am Ende soll die Neugestaltung des Altares einen „Kreis“ ergeben. Zumindest an drei Seiten, soll der Altar von Bänken umgeben sein. Die Umsetzung des „Stuhlkreises“ der 68er-Pädagogik gelangt mit der Bischofskirche in ihr letztes Stadium. Oder anders gesagt: Vollendet ihren Marsch durch die (kirchlichen) Institutionen.
Was soll damit erreicht werden? Die Beschäftigungstherapie wurde bereits genannt. Zudem sollen, was nicht gesagt wird, die schrumpfenden Kirchenbesucher kaschiert werden. Man reduziert stillschweigend die Zahl der Kirchenbänke und rückt enger zusammen. Das sei ja viel heimeliger, denn schließlich solle man sich in der Kirche ja „wohlfühlen“. Kirchenraumneugestaltung, um gläubiges „Publikum“ bei Laune zu halten?
Was aber bedeutet es theologisch? Der „Stuhlkreis“ setzt den Paradigmenwechsel von der theozentrischen Vertikalität zur anthropozentrischen Horizontalität im Gotteshaus um. Dergleichen ist zwar völlig unbiblisch, man denke an die Gliederung des alten Tempels von Jerusalem in den Raum der Gläubigen, das Heiligste, das nur die Leviten betreten durften und das Allerheiligste, in das nur der Hohepriester Zugang hatte. Doch wen kümmert das in soziologisch demokratisierten Gremien.
Erweiterung oder Zertrümmerung des Presbyteriums?
Der Altarraum bildete den nur Befugten zugänglichen Raum, in den es während der Liturgie für alle anderen keinen Zutritt gibt. Aus diesem Grund wird im überlieferten Ritus am Beginn der Liturgie das Gitter zum Presbyterium geschlossen und erst am Ende wieder geöffnet.
Seit der Liturgiereform herrscht hingegen ein seltsames Gedränge im Altarraum. Dabei kennt auch der Neue Ritus klare Vorschriften darüber, wer sich während der Liturgie im Presbyterium aufhalten darf und wer nicht. Doch wen scheren schon kirchliche Vorschriften. Die Linzer Räte in der Regel nicht.
Mit der Liturgiereform wurde der Altarraum geöffnet und damit stückweise entsakralisiert. Der Hochaltar mit dem Tabernakel, dem Allerheiligsten, wurde zu einem leblosen Relikt vergangener Zeiten degradiert. In manchen Orten wurde er sogar abgerissen. Überall wurde der Hochaltar durch einen „Meßtisch“ im Altarraum ersetzt. Eine liturgisch befremdliche Doppelung.
Auf Entledigung des Hochaltars folgt Entledigung des Altarraums
Doch die Gremien brauchen etwas zum Tun, um ihre häufig bezahlte Existenzberechtigung zu belegen. Also muß eine neue Umgestaltungsstufe folgen. Auf die Entsorgung des Hochaltars folgt nun die Entsorgung des ganzen Altarraums. Nach dem Allerheiligsten, in der Gliederung des Alten Tempels, Prototyp des Gotteshauses, entledigt man sich nun auch des Heiligsten.
Übrigbleibt nur mehr der Raum für die Gläubigen, wo kein Kultus stattfand. Die Umgestaltung symbolisiert damit de facto den Weg in die Kultlosigkeit, weil Bedeutung und Inhalt des Meßopfers nicht mehr verstanden werden. Endstation ist der kultlose und damit priesterlose Stuhlkreis.
Dieser Logik folgend sollen auch im Linzer Dom nicht nur der Altar, sondern auch der Bischofssitz und der Priestersitz aus dem Altarraum hinausgenommen und in das Kirchenschiff hineingesetzt werden. Denn, so die rechtfertigende Begründung von Dompfarrer Strasser, bei „großen Feierlichkeiten“, wenn zum Beispiel „viele Chöre anwesend sind“, brauche man „mehr Raum hinter dem Altar“.
„Hinter dem Altar“ meint natürlich den Volksaltar, da der Blick von Priester und Volk im neuen Ritus nicht mehr gemeinsam auf Gott gerichtet ist, sondern ziemlich profan auf den Mitmenschen. Im Linzer Dom steht bei „großen Feierlichkeiten“ ohnehin der Domchor im Altarraum, verdeckt den Hochaltar, schaut ins „Publikum“ und ist Blickfang für selbiges. Da braucht es eben „mehr Raum“.
Steht Juroren Entscheidung über Altargestaltung zu ?
Der „Gestaltungswettbewerb“ wurde nicht allgemein ausgeschrieben, sondern ist exklusiv nur ausgewählten Künstlern und Architekten vorbehalten. Es handelt sich jeweils aus einem Paar bestehend aus einem Architekten und einem Künstler. Die Gremien wollen ja beschäftigt sein, unter anderem durch solche Vorentscheidungen. Dompfarrer Strasser gibt sich ganz „neutral“, als hätten Fachjuroren eines Künstlerwettbewerbs über die Altargestaltung einer Bischofskirche zu befinden. „Ich bin auf die Entscheidung gespannt und neugierig, wie der Altar dann aussehen wird“, wird Strasser von den Oberösterreichischen Nachrichten zitiert.
Und eine gewisse Eile legt man plötzlich an den Tag. „Ende Mai“ soll der Wettbewerb abgeschlossen und durch eine „Jury“ eine Entscheidung getroffen sein. Die Eile scheint mit dem anstehenden Bischofswechsel zusammenzuhängen. Im Juni wird Bischof Ludwig Schwarz aus dem Salesianerorden 75. Aufgrund der erkennbaren Praxis von Papst Franziskus ist mit seiner baldigen Emeritierung zu rechnen. Die erwähnten Gremien sollen sich bereits seit über einem Jahr eifrig den Kopf über eine „geeignete“ Nachfolge zerbrechen, der den „Linzer Weg“ nicht stört.
Die Zeit der Sedisvakanz eignet sich zudem vortrefflich, vollendete Tatsachen zu schaffen. Vor allem scheinen die Diözesen noch immer zuviel Geld zu haben. Die sinnlose, ja theologisch bedenkliche Umgestaltung wird „Kosten im sechsstelligen Bereich“ verursachen. Damit allemal rechnet jedenfalls Dompfarrer Strasser. Genaue Zahlen sind noch nicht absehbar. Es könnte also auch erheblich mehr sein.
Ein Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten, der wichtigsten Tageszeitung des Landes macht den dürftigen, aber verbreiteten Kenntnisstand zur Heiligen Messe sichtbar: „Was wohl wenige wissen, ist, dass der derzeit benützte Altar nur ein Provisorium ist. Ursprünglich feierten die Priester die Messe von einem Hochaltar aus. Die Geistlichen standen dabei mit dem Rücken zu den Gläubigen. Erst Ende der 1960er Jahre erlaubte es die Kirche, dass Priester mit dem Gesicht zu den Teilnehmern der Messen predigen. 1984 wurde der heutige Altar im Mariendom errichtet.“
Text: Martha Weinzl
Bild: Wikicommons/OÖNarchrichten (Screenshot)/Die Wahrheit