Tango mit dem Papst, während das Schifflein Petri in Seenot gerät


Tango mit dem Papst
Tan­go mit dem Papst

von Rober­to de Mattei

Anzei­ge

(Rom) Viel­leicht wer­den die Histo­ri­ker dar­an erin­nern, daß 2014 auf dem Peters­platz Tan­go getanzt wur­de, wäh­rend die Chri­sten im Nahen Osten umge­bracht wur­den und die Kir­che vor dem Abgrund eines Schis­mas stand. Die­ses Kli­ma von Leich­tig­keit und Leicht­sinn ist nicht neu in der Geschich­te. In Kar­tha­go, erin­nert Sal­vi­an von Mar­seil­le (um 400–475), wur­de getanzt, als die Van­da­len zur Erobe­rung ansetz­ten. Und in Sankt Peters­burg waren, wie der ame­ri­ka­ni­sche Jour­na­list John Reed berich­te­te, Thea­ter und Restau­rants wei­ter­hin über­füllt, als die Bol­sche­wi­sten bereits die Macht an sich ris­sen. Der Herr, so lehrt die Hei­li­ge Schrift, „hat ihre Augen blind gemacht“ (Joh 12,27–41).

Das eigent­li­che Dra­ma unse­rer Zeit sind nicht die Angrif­fe, die von außen geführt wer­den, son­dern jener geheim­nis­vol­le Pro­zeß der Selbst­zer­stö­rung der Kir­che, der zu sei­nen letz­ten Kon­se­quen­zen gelangt, nach­dem er erst­mals von Paul VI. in sei­ner berühm­ten Anspra­che vor dem lom­bar­di­schen Semi­nar am 7. Dezem­ber 1968 beklagt wur­de. Die Selbst­be­schä­di­gung ist kein phy­sio­lo­gi­scher Pro­zeß. Es ist ein Übel, für das es Ver­ant­wort­li­che gibt. Und die Ver­ant­wort­li­chen sind in die­sem Fall jene Kir­chen­män­ner, die davon träu­men, den mysti­schen Leib Chri­sti durch einen neu­en Orga­nis­mus zu erset­zen, der ohne Wahr­heit und ohne Dog­men Sub­jekt einer stän­di­gen Evo­lu­ti­on sein soll.

Zwei Dossiers über die Lage der Kirche

Ein beein­drucken­des Bild der Lage wur­de Ende 2014 von zwei Dos­siers über die Kir­che gebo­ten, von denen eines von der fran­zö­si­schen Tages­zei­tung Le Figa­ro und das ande­re von der ita­lie­ni­schen Tages­zei­tung La Repubbli­ca ver­öf­fent­licht wurde.

Le Figa­ro, eine bür­ger­lich-libe­ra­le, mit­te-rechts ver­or­te­te Zei­tung, die für ihre gemä­ßig­te Hal­tung bekannt ist, wid­me­te die Dezem­ber­bei­la­ge des Figa­ro Maga­zi­ne der „Guer­re secrà¨te au Vati­can. Com­ment le papa Fran­çois bou­le­ver­se l’Eglise“. Das Dos­sier umfaßt elf Sei­ten, die von Jean-Marie Gué­nois ver­ant­wor­tet wur­den, der als einer der seriö­se­sten und kom­pe­ten­te­sten Vati­ka­ni­sten gilt.

„Etwas scheint nach der Syn­ode über die Fami­lie vom Herbst 2014 in der Kir­che auf den Kopf gestellt zu wer­den“, schreibt Gué­nois, „und die Häu­fung der Indi­zi­en erlaubt, sich zu fra­gen: Ris­kiert die Kir­che nicht, sich Ende 2015 nach der zwei­ten Pha­se der Fami­li­en­syn­ode einem Sturm aus­zu­set­zen?“ Gué­nois ent­hüll­te, daß unter den Kar­di­nä­len ein „Geheim­krieg“ im Gan­ge ist, der nicht die Erobe­rung von Macht zum Ziel hat. Was im Gan­ge ist, ist ein Kampf der Ideen, der als Haupt­an­griffs­punkt die Leh­re der Kir­che über die Fami­lie und die Ehe zum Ziel hat. Papst Fran­zis­kus wird inner­halb der Römi­schen Kurie beschul­digt, eine auto­kra­ti­sche Amts­füh­rung zu pfle­gen, was der fran­zö­si­sche Jour­na­list mit den Wor­ten zusam­men­faßt: „Quand il tran­che, le Pape ne met pas de gants“ (Wenn der Papst ent­schei­det, gebraucht er kei­ne Samthandschuhe).

Das eigentliche Problem ist das Kirchenverständnis des Papstes

Das eigent­li­che Pro­blem ist aller­dings sein Kir­chen­ver­ständ­nis, das von den pro­gres­siv­sten Strö­mun­gen im Vati­kan beein­flußt ist. Laut Gué­nois bestim­men drei Theo­lo­gen deren Zie­le: der deut­sche Kar­di­nal Wal­ter Kas­per, der ita­lie­ni­sche Erz­bi­schof Bru­no For­te und der argen­ti­ni­sche Titu­lar­erz­bi­schof Vic­tor Manu­el Fer­nan­dez. „Und die­ses Trio hat anläß­lich der Fami­li­en­syn­ode die Lun­te gelegt!“ Um genau zu sein, ist Kas­per der Ramm­bock für die Zulas­sung der wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen zu den Sakra­men­ten, For­te für die Lega­li­sie­rung der Homo­se­xua­li­tät und Fer­nan­dez der füh­ren­de Kopf der pero­ni­sti­schen Volkstheologie.

Gué­nois inter­view­te Kar­di­nal Bur­ke zur Bischofs­syn­ode, der sich, wie es sei­ner Art ent­spricht, glas­klar aus­drück­te: „Die Syn­ode war eine schwie­ri­ge Erfah­rung. Es gab eine Linie, jene von Kar­di­nal Kas­per kön­nen wir sagen, der sich jene anschlos­sen, in deren Hän­den die Lei­tung der Syn­ode lag. In Wirk­lich­keit scheint es, daß der Zwi­schen­be­richt [Rela­tio post dis­cep­t­atio­nem] bereits vor den Wort­mel­dun­gen der Syn­oden­vä­ter geschrie­ben wor­den ist! Und zwar im Sin­ne einer ein­zi­gen Linie, zugun­sten der Posi­ti­on von Kar­di­nal Kas­per … zudem wur­de die Homo­se­xu­el­len-Fra­ge ein­ge­fügt – die in kei­ner­lei Bezie­hung zum The­ma Ehe steht – indem man posi­ti­ve Ele­men­te in ihr such­te. Ein wei­te­rer sehr besorg­nis­er­re­gen­der Punkt: der Zwi­schen­be­richt ent­hält weder einen Hin­weis auf die Hei­li­ge Schrift noch auf die Tra­di­ti­on der Kir­che noch auf das Lehr­amt von Johan­nes Paul II. über die Ehe­part­ner. Das ist sehr befremd­lich. Eben­so die Tat­sa­che, daß im Schluß­be­richt die Para­gra­phen über die Homo­se­xua­li­tät und die wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen ent­hal­ten sind, obwohl sie bei den Bischö­fen nicht die nöti­ge Mehr­heit fan­den.“ Und wei­ter: „Ich bin des­halb sehr besorgt und for­de­re alle katho­li­schen Lai­en, Prie­ster und Bischö­fe auf, schon ab heu­te bis zur näch­sten Bischofs­syn­ode sich dafür ein­zu­set­zen, daß die Wahr­heit über die Ehe sicht­bar wird.“

Schlüsselfiguren: Kasper, Forte, Fernandez und Marx

Wie berech­tigt die Besorg­nis von Kar­di­nal Bur­ke ist, beweist die Wochen­bei­la­ge Il Ven­er­dଠdi Repubbli­ca vom 27. Dezem­ber 2014 der füh­ren­den links­li­be­ra­len ita­lie­ni­schen Tages­zei­tung La Repubbli­ca. Die Bei­la­ge ist zur Gän­ze einer „Unter­su­chung über die Kir­che“ gewid­met: 98 Sei­ten mit 20 Arti­keln, mit denen „die neue Ära von Fran­zis­kus zwi­schen Geg­nern, Hei­li­gen, Ver­folg­ten und Sün­dern“ beschrie­ben wird.

Die Schlüs­sel­fi­gur für La Repubbli­ca ist Kar­di­nal Rein­hard Marx, der Erz­bi­schof von Mün­chen und Frei­sing, der sei­ne „Öff­nung“ für wie­der­ver­hei­ra­te­te geschie­de­ne und homo­se­xu­el­le Paa­re bekräf­tigt, einen mora­li­schen Ver­fall des Westens ver­neint und „die soge­nann­te Säku­la­ri­sie­rung“ als eine „not­wen­di­ge Ent­wick­lung der Frei­heit“ dar­stellt. Wört­lich sag­te Kar­di­nal Marx wei­ter: „Und eine freie Gesell­schaft ist nach dem wirk­li­chen Gesichts­punkt des Evan­ge­li­ums ein Fort­schritt“. Fran­zis­kus, so Marx, „will die Kir­che zur ursprüng­li­chen Kraft ihres Zeug­nis­ses zurück­füh­ren. Er hat eine kla­re Vor­stel­lung von dem, was er will, aber er ver­folgt weder einen fixier­ten, per­sön­li­chen oder vor­ge­ge­be­nen Plan noch ein Regie­rungs­pro­gramm. Er sen­det Signa­le aus und gibt Bei­spie­le, wie er es mit der Syn­ode über Ehe und Fami­lie getan hat“.

Der atheistische „Geist“

Als Teil des Dos­siers bie­tet Mar­co Ansal­do ein Inter­view mit dem Titel „Fran­zo­ni, die Revan­che des ehe­ma­li­gen roten Abtes“, mit dem Gio­van­ni Fran­zo­ni, dem ehe­ma­li­gen Abt der Patri­ar­chal­ba­si­li­ka Sankt Paul vor den Mau­ern brei­ter Raum gege­ben wird. Dabei wird betont, daß des­sen Posi­tio­nen, für die er ver­ur­teilt wur­de, sich heu­te der Vati­kan annä­hert. Fran­zo­ni nahm als jüng­ster Kon­zils­va­ter an den bei­den letz­ten Sit­zungs­pe­ri­oden des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils teil, bau­te in sei­ner Abtei eine „Basis­ge­mein­de“ auf und radi­ka­li­sier­te sei­ne zuneh­mend mar­xi­sti­schen Posi­tio­nen jedoch so, daß er 1973 als Abt zurück­tre­ten muß­te und 1975 von Paul VI. a divi­nis sus­pen­diert wur­de. Fran­zo­ni wur­de 1976 aus dem Kle­ri­ker­stand ent­las­sen, weil er die Geset­ze unter­stütz­te, mit denen in Ita­li­en sowohl die Schei­dung als auch die Tötung unge­bo­re­ner Kin­der im Mut­ter­leib erlaubt wur­den. Zudem gab er öffent­lich Erklä­run­gen ab, die kom­mu­ni­sti­sche Par­tei zu wäh­len. Inzwi­schen mit einer athe­isti­schen japa­ni­schen Jour­na­li­stin ver­hei­ra­tet, die er Ende der 80er Jah­re im san­di­ni­sti­schen Nika­ra­gua ken­nen­ge­lernt hat­te, tritt er heu­te für die Lega­li­sie­rung der Eutha­na­sie ein.

Papst Franziskus und ein neues Priestertum durch verheiratete viri probati und laisierte Priester ?

Laut eini­gen Indis­kre­tio­nen hege Papst Fran­zis­kus die Absicht, eini­ge ver­hei­ra­te­te Lai­en (die soge­nann­ten viri pro­ba­ti) zum Prie­ster­tum zuzu­las­sen und ver­hei­ra­te­te und daher lai­sier­te Prie­ster wie­der in ihr Amt zurück­zu­ru­fen, Leu­te wie Fran­zo­ni oder den ehe­ma­li­gen Fran­zis­ka­ner und Anti-Glo­ba­li­sie­rungs­theo­lo­gen Leo­nar­do Boff, der der­zeit mit einer Lebens­ge­fähr­tin in Bra­si­li­en lebt. Am 17. Dezem­ber bestä­tig­te Boff, der von der Befrei­ungs­theo­lo­gie zur Öko­theo­lo­gie umge­stie­gen ist, gegen­über der Nach­rich­ten­agen­tur ANSA, dem Papst, auf des­sen Wunsch hin, Mate­ri­al für sei­ne näch­ste Enzy­kli­ka geschickt zu haben. Und am 28. Dezem­ber schrieb er in offe­ner Pole­mik mit Vitto­rio Mess­o­ri auf der ita­lie­ni­schen Inter­net­sei­te von „Wir sind Kir­che“ unter dem Titel „Unter­stüt­zung für Papst Fran­zis­kus gegen einen nost­al­gi­schen Schrift­stel­ler“ fol­gen­de Wor­te: „Eine offe­ne Kir­che, wie sie Fran­zis­kus von Rom will, ist äußerst wich­tig. Es ist not­wen­dig, daß sie offen ist für das Ein­drin­gen des Gei­stes, der von eini­gen Theo­lo­gen ‚die Phan­ta­sie Got­tes‘ genannt wird wegen sei­ner Krea­ti­vi­tät und Neu­heit, in die Gesell­schaf­ten der Welt, in die Geschich­te der Völ­ker, in die Indi­vi­du­en, in die Kir­chen und auch in die Katho­li­sche Kir­che. Ohne den Hei­li­gen Geist wird die Kir­che eine bela­sten­de, lang­wei­li­ge Insti­tu­ti­on ohne Krea­ti­vi­tät und ab einem bestimm­ten Moment hat sie der Welt nichts mehr zu sagen außer Dok­tri­nen über Dok­tri­nen, ohne Hoff­nung und Lebens­freu­de zu wecken.“

Wenn ein Tango wie das Echo der Musik auf der Titanic klingt

Wer kann noch das Vor­han­den­sein einer tota­len Ver­wir­rung leug­nen? Der am 17. Dezem­ber 2014 zum Geburts­tag von Papst Fran­zis­kus auf dem Peters­platz getanz­te Tan­go erin­nert wie ein fer­nes Echo an eine ande­re Musik: jene, die auf der Tita­nic erklang in der Nacht der gro­ßen Tra­gö­die. Damals tauch­te die Spit­ze des Eis­ber­ges plötz­lich aus dem Dun­kel auf und die Tän­zer waren ahnungs­los über die unmit­tel­bar bevor­ste­hen­de Kata­stro­phe. Heu­te ist der Eis­berg sicht­bar und es gibt jene, die auf den unmög­li­chen Schiff­bruch des Schiff­leins Petri ansto­ßen. Vie­le Men­schen sind jedoch besorgt und haben den star­ken Ein­druck, wie Kar­di­nal Bur­ke es sag­te, daß die Kir­che ein Schiff ist, das zuneh­mend eine gefähr­li­che Schlag­sei­te bekommt. Wir gehö­ren zu die­sen Men­schen und aus die­sem Grund haben wir das neue Jahr 2015 nicht mit Tanz und Feu­er­werk begrüßt, son­dern mit der festen Ent­schlos­sen­heit, dem Auf­ruf von Kar­di­nal Bur­ke zu fol­gen und „ab heu­te bis zur näch­sten Bischofs­syn­ode sich dafür ein­zu­set­zen, daß die Wahr­heit über die Ehe sicht­bar wird“.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!