Gibt es in den Niederlanden mehr Atheisten als Gläubige?


(Den Haag) Ver­bän­de der Athe­isten und Agno­sti­ker ver­brei­te­ten jüngst mit unver­hoh­le­ner Genug­tu­ung die Nach­richt, daß es in den Nie­der­lan­den mehr Athe­isten als Gläu­bi­ge gibt. Die Nie­der­lan­de gel­ten zusam­men mit Bel­gi­en als „Vor­zei­ge­land“ des Lai­zis­mus. Laut einer Erhe­bung des Ipsos-Insti­tuts von Paris wür­den die Athe­isten erst­mals die Gläu­bi­gen zah­len­mä­ßig über­run­den, und das gleich deutlich.

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Laut Umfra­ge hät­ten sich 25 Pro­zent der Befrag­ten als Athe­isten bekannt, aber nur 17 Pro­zent als gläu­big. die gro­ße Mehr­heit der 58 Pro­zent zwi­schen den bei­den Polen habe sich als agno­stisch oder gleich­gül­tig zu erken­nen gege­ben. Die­ser gro­ße Block, so Ipsos, sehe sich durch die Got­tes­fra­ge nicht berührt, sei somit säku­la­ri­siert. Mit ande­ren Wor­ten: Die gro­ße Mehr­heit fol­ge in ihren Ent­schei­dun­gen rela­ti­vi­sti­schen Gesichts­punk­ten. Gott spie­le dabei kei­ne Rol­le. Gefragt wur­de nicht nach der Reli­gi­ons­zu­ge­hö­rig­keit, son­dern nach dem per­sön­li­chen Bekenntnis.

Erhe­bun­gen die­ser Art gab es in den ver­gan­ge­nen Jah­ren meh­re­re und nach unter­schied­li­chen Kri­te­ri­en und mit abwei­chen­den Fra­ge­stel­lun­gen. Ent­spre­chend gegen­läu­fig sind zum Teil die Ergeb­nis­se. Gemein­sam ist allen, daß die Zahl der Ungläu­bi­gen in den Nie­der­lan­den grö­ßer wird (sie­he zur reli­giö­sen Situa­ti­on in den Nie­der­lan­den den Bei­trag Sie nen­nen sie die „toten Kir­chen“ – Chri­sten­tum in den Nie­der­lan­den). So weißt auch die Ipsos-Erhe­bung bei nähe­rer Betrach­tung eini­ge Anoma­lien auf. Laut Ipsos haben 53 Pro­zent der Befrag­ten ange­ge­ben, an ein Leben nach dem Tod zu glau­ben. Eine Aus­sa­ge, die aus dem Mund von Athe­isten und Agno­sti­kern ziem­lich bizarr klingt. Ein zwei­ter Aspekt ist inter­es­sant: Unter den Gläu­bi­gen ist die Zahl der Jugend­li­chen und jun­gen Erwach­se­nen höher als unter den alten Men­schen. Ein Anzei­chen für einen leben­di­gen Glau­ben, der schwer­lich das Pro­dukt blo­ßer Gewohn­heit sein kann, da die­se in den Gene­ra­tio­nen, die sie wei­ter­ge­ben könn­ten, nicht mehr vor­han­den ist.

Die Fach­leu­te spre­chen von einer Jugend auf der Suche nach Halt und Füh­rung für ihr Leben. Eine Aus­sa­ge, die der Behaup­tung einer reli­giö­sen Abend­däm­me­rung wider­spricht. Offen­bar ste­hen jün­ge­re Gene­ra­tio­nen schon bereit. Die Fra­ge ist, in wel­che Bah­nen deren reli­giö­se Suche gelan­gen wird. Der Jah­res­be­richt des Inter­na­tio­nal Bul­le­tin of Mis­sio­na­ry Rese­arch von 2011 zeig­te, daß der katho­li­sche Glau­be zah­len­mä­ßig welt­weit die weit­aus größ­te Glau­bens­ge­mein­schaft bil­det und der Athe­is­mus welt­weit gese­hen rück­läu­fig ist. Als Ori­en­tie­rungs­punkt sei er für vie­le Men­schen unat­trak­tiv, da zu ätzend. Bezo­gen auf die Nie­der­lan­de kommt hin­zu, daß durch die Mas­sen­ein­wan­de­rung der hohe Mos­le­m­an­teil unter jun­gen Men­schen, Ten­denz stei­gend, unter­schied­li­che Ergeb­nis­se gegen­über den nie­der­län­di­schen Senio­ren auf­tre­ten. Ein Hin­weis auf radi­ka­le Umwäl­zun­gen, die mit dem Gegen­satz­paar athe­istisch-gläu­big in kei­nem Zusam­men­hang stehen.

Ten­den­zi­ell ver­läuft die Ent­wick­lung in den Nie­der­lan­den gegen den welt­wei­ten Trend, wie alle Erhe­bun­gen zei­gen. Jahr­zehn­te eines ideo­lo­gi­schen, syste­ma­ti­schen, metho­di­schen und mili­tan­ten Lai­zis­mus blei­ben nicht spur­los und las­sen sich nicht von heu­te auf mor­gen behe­ben. Die Ten­denz zur unge­hemm­ten Indi­vi­dua­li­sie­rung ver­mitt­le es dem Mensch zur unein­ge­schränk­ten Selbst­ent­fal­tung den Ein­druck, daß Bin­dungs­lo­sig­keit das höch­ste Ide­al sei. Klein- und Kleinst­fa­mi­li­en, oft mit zer­bro­che­nem Eltern­haus und dem Sta­tus eines Ein­zel­kin­des berau­ben auto­ma­tisch jener Grund­la­ge, die for­men­den und stüt­zen­den Halt gibt. Der bin­dungs­lo­se Mensch gau­kelt sich einen „Fami­li­en­er­satz“ mit Hil­fe der sozia­len Netz­wer­ken vor. Die Inter­net-Bin­dun­gen sind jedoch im Zwei­fels­fall nur ein Klick wert, mit dem der Kon­takt eben­so schnell auf Nim­mer­wie­der­se­hen gelöscht wird, wie er zuvor nur mit einem Maus­klick ent­stan­den ist.

Grün­de und Ursa­chen für die nie­der­län­di­sche Ent­wick­lung wur­den nicht erho­ben. Im katho­li­schen Bereich in den süd­li­chen Nie­der­lan­den kommt man dies­be­züg­lich nicht umhin, den inner­kirch­li­chen Son­der­weg zu beach­ten, der seit den 60er Jah­ren zu einer beschleu­nig­ten, ja radi­ka­len Anglei­chung an die cal­vi­ni­stisch-rela­ti­vi­sti­sche Mehr­heits­po­si­ti­on (im Gegen­satz zu einer streng cal­vi­ni­sti­schen Min­der­heits­po­si­ti­on) führ­te. 1958 hat­te der Katho­li­ken­an­teil 42 Pro­zent der Staats­be­völ­ke­rung erreicht, obwohl die Nie­der­lan­de im aus­drück­li­chen Gegen­satz zu den Katho­li­ken in der frü­hen Neu­zeit als Staat der Cal­vi­ni­sten ent­stan­den und 1648 end­gül­tig sou­ve­rän gewor­den waren.

Die Ten­den­zen in den Nie­der­lan­den sind auf­ge­zeigt, womit sich noch die Fra­ge stellt, ob Euro­pa dem nie­der­län­di­schen Weg fol­gen wird in eine weit­ge­hend ent­christ­lich­te Zukunft? Eine Ent­schei­dung ist noch nicht gefallen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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