Ivereigh + Universi dominici gregis 81 = Ein radikales Problem für den Papst


Ivereigh überreicht Papst seine brisante Papst-Biographie
Ive­reigh über­reicht Papst sei­ne bri­san­te Papst-Biographie

(Rom) Die neue Papst-Bio­gra­phie des bri­ti­schen Katho­li­ken Austen Ive­reigh sorgt, wie berich­tet, für Unru­he. Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen des ehe­ma­li­gen Pres­se­spre­chers von Kar­di­nal Cor­mac Murphy‑O’Connor im Licht der Apo­sto­li­schen Kon­sti­tu­ti­on Uni­ver­si domi­ni­ci gre­gis von 1998 gele­sen, wer­fen Fra­gen auf. Deren explo­siv­ste lau­tet: Soll­ten Ive­reighs Behaup­tun­gen zutref­fend sein, ist dann die Wahl des amtie­ren­den Pap­stes gül­tig? Ive­reighs, wie es scheint, in ihrer Trag­wei­te nicht erfaß­te Plau­de­rei­en aus dem Näh­käst­chen sind jeden­falls bri­san­ter als Anto­nio Soc­cis Argu­men­ta­ti­on für eine angeb­li­che Ungül­tig­keit der Wahl von Papst Franziskus.

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Am 21. Novem­ber, zwei Tage vor dem Bericht des Sun­day Tele­graph und vier Tage bevor das Buch „The Gre­at Refor­mer“ in den Buch­han­del kam, wur­de Ive­reigh von Papst Fran­zis­kus emp­fan­gen. Der Bri­te über­reich­te dem Papst ein Exem­plar der Bio­gra­phie. Kaum das Ver­hal­ten eines Autors, der dem Papst nicht wohl­ge­son­nen ist oder gar „Ver­schwö­rungs­theo­rien“ gegen den Papst ver­brei­ten will. Anto­nio Soc­ci, der in sei­nem Buch „Non é Fran­ces­co“ die Gül­tig­keit der Papst­wahl in Fra­ge stellt, wur­de weder vom Papst emp­fan­gen noch kam es zu einer Buchüberreichung.

Ive­reigh stellt die Gül­tig­keit der Papst­wahl kei­nes­wegs in Fra­ge und läßt immer wie­der deut­lich sei­ne gro­ßen Sym­pa­thien für den argen­ti­ni­schen Papst erken­nen. Über Twit­ter ver­brei­te­tet Ive­reigh stolz ein Foto, wie er Papst Fran­zis­kus sein Buch über­reicht. Er gehört weder zum Kreis der Papst­kri­ti­ker noch ist er ein Revolverjournalist.

Seit­her sind erst zehn Tage ver­gan­gen und das Buch droht für bei­de zu einem unan­ge­neh­men Pro­blem zu werden.

Zwei Tage nach der Begeg­nung im Vati­kan ver­öf­fent­lich­te John Bing­ham im Sun­day Tele­graph sei­nen Vor­be­richt zum Erschei­nen des Buches. Bing­ham ent­hüll­te den bri­san­te­sten Teil der Berg­o­glio-Apo­loge­tik: Dem­nach orga­ni­sier­te sich nach der Rück­tritts­an­kün­di­gung durch Papst Bene­dikt XVI. eine Grup­pe euro­päi­scher Kar­di­nä­le zur Durch­set­zung eines ihnen geneh­men Kan­di­da­ten. Den Kern der Grup­pe, die Ive­reigh „Team Berg­o­glio“ nennt, bil­de­ten, so der Autor, die deut­schen Kar­di­nä­le Kas­per und Leh­mann, der Fla­me Dan­neels und Ive­reighs ehe­ma­li­ger Arbeit­ge­ber, der Eng­län­der Murphy‑O’Connor. Das „Team“ habe im Stil­len hin­ter den Kulis­sen eine regel­rech­te Wahl­kam­pa­gne für den Erz­bi­schof von Bue­nos Aires organisiert.

Im nach­fol­gen­den wer­den weit­ge­hend Über­le­gun­gen des Fran­zis­ka­ners Bru­der Alexis Bug­no­lo auf sei­nem Blog From Rome wiedergegeben.

Das kuriose Dementi Ivereighs

denialDie Ent­hül­lung ist bri­sant, weil das Gesetz der Kir­che jede Form von Wahl­ab­spra­chen und Kam­pa­gnen ver­bie­tet. Sie wird gera­de­zu explo­siv in dem Teil, wo Ive­reigh behaup­tet, Kar­di­nal Jor­ge Mario Berg­o­glio sei ein­ge­weiht gewe­sen und habe aus­drück­lich sei­ne Zustim­mung gege­ben. Damit steht eine gro­ße Fra­ge im Raum: Wenn Ive­reighs Behaup­tung stimmt, ist dann die Wahl von Papst Fran­zis­kus ungül­tig? Ein Zwei­fel kommt zumin­dest au, ob die kir­chen­recht­li­chen Bestim­mun­gen ein­ge­hal­ten wurden.

Ive­reigh sagt es nicht direkt, stützt sich aber offen­sicht­lich vor allem auf Aus­sa­gen von Kar­di­nal Murphy‑O’Connor, des­sen eng­ster Mit­ar­bei­ter er war. Und er schil­dert im Detail mit wört­li­chen Wie­der­ga­ben, wie die­ser von Berg­o­glio die Zusi­che­rung ein­hol­te, als Kan­di­dat zur Ver­fü­gung zu ste­hen und die­ses Mal, im Gegen­satz zu 2005 auch stand­haft zu bleiben.

Zwei Tage nach der Sun­day Tele­graph-Ent­hül­lung ver­öf­fent­lich­te der Dai­ly Tele­graph ein Demen­ti, das Mag­gie Doh­erty, die Pri­vat­se­kre­tä­rin von Kar­di­nal Murphy‑O’Connor unterzeichnete.

Die Erklä­rung von Mag­gie Doh­erty ist in meh­rer­lei Hin­sicht bemer­kens­wert. Ive­reigh war der Vor­gän­ger von Doh­erty als eng­ster Mit­ar­bei­ter des eng­li­schen Kar­di­nals. Als sol­cher pfleg­te Ive­reigh ein enges, bis heu­te nicht abge­bro­che­nes Ver­hält­nis zum eme­ri­tier­ten Erz­bi­schof von West­min­ster, und unter­hielt von Amts wegen freund­schaft­li­che Kon­tak­te zu den Freun­den sei­nes Arbeits­ge­bers in der gan­zen Welt. Ihm fiel es zu, tag­täg­lich mit ihnen zu kom­mu­ni­zie­ren. Allein die­ses Netz­werk macht es plau­si­bel, daß Ive­reigh Zugang zu Infor­ma­tio­nen aus erster Hand hat­te, die sich nicht nur auf den ehe­ma­li­gen Pri­mas von Eng­land und Wales beschrän­ken. Da die Apo­sto­li­sche Kon­sti­tu­ti­on Uni­ver­si domi­ni­ci gre­gis nur die Wei­ter­ga­be von Infor­ma­tio­nen zu Ereig­nis­sen im und wäh­rend des Kon­kla­ve unter Stra­fe stellt, ist Ive­reigh mit sei­nen Ent­hül­lun­gen über die Vor­be­rei­tung des Kon­kla­ve kei­ner Kir­chen­stra­fe verfallen.

Wür­de jemand aber nicht weit­rei­chen­de nega­ti­ve Fol­gen befürch­ten, wegen sei­ner Rol­le im Vor­kon­kla­ve und mög­li­cher­wei­se wegen der Gül­tig­keits­fra­ge der Papst­wahl, hät­te es nicht eines Demen­ti von Mag­gie Doh­erty bedurft, schon gar nicht als Brief an den Chef­re­dak­teur des Dai­ly Tele­graph.

Doh­erty nennt im Demen­ti nur Kar­di­nal Berg­o­glio. Demen­tiert wird nur, daß Kar­di­nal Murphy‑O’Connor sich dem Erz­bi­schof von Bue­nos Aires genä­hert habe, um des­sen Zustim­mung zur Stim­men­samm­lung ein­zu­ho­len. Das erweckt den Ein­druck, als woll­te Murpy‑O’Connor mit dem Demen­ti das Anse­hen von Papst Fran­zis­kus schüt­zen. Wur­de ihm ein ent­spre­chen­der Wunsch vom Staats­se­kre­ta­ri­at des Vati­kans nahegelegt?

Mag­gie Doh­erty sagt in ihrem Demen­ti: „Was sich im Kon­kla­ve ereig­ne­te (…) unter­liegt der Geheim­hal­tung“. Das ist aller­dings nicht präzise.

Was sagen die geltenden Bestimmungen?

Team BergoglioAlle, die am Kon­kla­ve teil­neh­men, sind durch die von Johan­nes Paul II. erlas­se­ne Apo­sto­li­sche Kon­sti­tu­ti­on zur Geheim­hal­tung ver­pflich­tet. „Alle anwe­sen­den Kar­di­nä­le (müs­sen) den Eid able­gen, die in der Kon­sti­tu­ti­on ent­hal­te­nen Vor­schrif­ten zu beach­ten und das Amts­ge­heim­nis zu wah­ren“ (Para­graph 12). „Alle Per­so­nen, die aus wel­chem Grund und zu wel­cher Zeit auch immer durch jemand direkt oder indi­rekt etwas von den zur Wahl gehö­ren­den Hand­lun­gen, ins­be­son­de­re aber was die Wahl­gän­ge anbe­langt, erfah­ren soll­ten, sind gegen­über jeder Per­son, die nicht zum Kol­le­gi­um der wahl­be­rech­tig­ten Kar­di­nä­le gehört, zu stren­ger Geheim­hal­tung ver­pflich­tet: des­we­gen müs­sen sie vor Beginn der Wahl­hand­lun­gen gemäß den Moda­li­tä­ten und der Form, wie sie in der fol­gen­den Num­mer ange­zeigt sind, den Eid lei­sten“ (Para­graph 47).

„Den wahl­be­rech­tig­ten Kar­di­nä­len ist es ins­be­son­de­re ver­bo­ten, irgend­ei­ner ande­ren Per­son direkt oder indi­rekt Aus­kunft über die Abstim­mun­gen zu geben, wie auch dar­über, was über die Wahl des Pap­stes in den Zusam­men­künf­ten der Kar­di­nä­le vor oder wäh­rend der Zeit der Wahl behan­delt oder ent­schie­den wor­den ist. Die­se Pflicht zur Geheim­hal­tung betrifft auch jene nicht­wahl­be­rech­tig­ten Kar­di­nä­le, die an den Gene­ral­kon­gre­ga­tio­nen der vor­lie­gen­den Kon­sti­tu­ti­on teil­neh­men“ (Para­graph 59). Vor jeder Ver­let­zung die­ser Bestim­mun­gen wer­den die betei­lig­ten Per­so­nen gewarnt, „da sie anson­sten die Stra­fe der Exkom­mu­ni­ka­ti­on latae sen­ten­tiae auf sich zie­hen wür­den“ (Para­graph 58).

Die Ver­pflich­tun­gen betref­fen also, anders als von Doh­erty dar­ge­stellt, nicht die Ereig­nis­se, son­dern die betei­lig­ten Per­so­nen. Die For­mu­lie­rung deu­tet auf Eile hin und daher auf einen Wunsch Kar­di­nal Murphy‑O’Connors direkt an sei­ne Sekre­tä­rin ohne Hin­zu­zie­hung eines Kirchenrechtlers.

Das Wespennest, ist das Ivereigh gestochen hat

Ive­reigh selbst mach­te Stun­den nach Doh­ertys Demen­ti über Twit­ter einen erstaun­li­chen Rück­zie­her von dem, was er im Buch geschrie­ben hat­te. Sein Buch war zu die­sem Zeit­punkt in Groß­bri­tan­ni­en und den USA gera­de erst für weni­ge Stun­den im Buch­han­del. Ive­reigh twitterte:

„They secu­red his assent“ (p. 355) shd have read“
„They belie­ved he wd not oppo­se his election“.
Will amend in future eds. #TheG­reat­Re­for­mer

Was in der ver­krüp­pel­ten Twit­ter-Spra­che soviel hei­ßen soll wie: „Wo ich auf Sei­te 355 geschrie­ben habe: ‚Sie haben sich sei­ner Zustim­mung ver­si­chert‘, soll­te man lesen: ‚Sie glau­ben, daß er sich nicht sei­ner Wahl wider­set­zen wür­de‘. Ich wer­de das in den künf­ti­gen Aus­ga­ben mei­nes Buches The Gre­at Refor­mer ändern.“

In einem wei­te­ren Tweet ver­schick­te Ive­reigh das vom Dai­ly Tele­graph ver­öf­fent­lich­te Doh­erty-Demen­ti mit dem Zusatz:

„+ CMOC erklärt auf der Leser­brief­sei­te des Dai­ly Tele­graph von heu­te.“ + CMOC steht für Kar­di­nal Cor­mac Mur­phy O’Connor.

Ist damit alles geklärt? Kei­nes­wegs. Weder Ive­reigh noch Kar­di­nal Mur­phy-O’Con­nor haben bis­her demen­tiert oder bestrit­ten, daß es Wahl­ab­spra­chen und eine Wahl­kam­pa­gne für Kar­di­nal Berg­o­glio gab.

„Die wahl­be­rech­tig­ten Kar­di­nä­le müs­sen sich außer­dem jeder Form von Ver­hand­lun­gen, Ver­trä­gen, Ver­spre­chen oder son­sti­ger Ver­pflich­tun­gen jeder Art ent­hal­ten, die sie bin­den kön­nen, einem oder eini­gen die Stim­me zu geben oder zu ver­wei­gern. Käme es tat­säch­lich dazu, so erklä­re ich eine sol­che Bin­dung für nich­tig und ungül­tig, auch wenn sie unter Eid ein­ge­gan­gen wor­den wäre, und nie­mand soll ver­pflich­tet sein, sich dar­an zu hal­ten; ich bele­ge ab sofort die Über­tre­ter die­ses Ver­bo­tes mit der Exkom­mu­ni­ka­ti­on latae sen­ten­tiae. Den­noch beab­sich­ti­ge ich nicht zu ver­bie­ten, daß wäh­rend der Sedis­va­kanz ein Gedan­ken­aus­tausch über die Wahl statt­fin­den kann“ (Uni­ver­si domi­ni­ci gre­gis, Para­graph 81).

Ein „Gedan­ken­aus­tausch“ ist erlaubt, aber „jede Form Ver­hand­lun­gen, Ver­trä­gen, Ver­spre­chen oder son­sti­ger Ver­pflich­tun­gen“ sind ver­bo­ten. Um die Bedeu­tung der Kon­sti­tu­ti­on zu ver­deut­li­chen, ist der ver­bind­li­che latei­ni­sche Text heranzuziehen:

„Car­di­na­les elec­to­res prae­te­rea absti­neant ab omni­bus pac­tion­i­bus, con­ven­tio­ni­bus, pro­mis­sio­ni­bus ali­is­que qui­bus­vis obli­ga­tio­ni­bus, qui­bus astrin­gi poss­int ad suf­fra­gi­um cui­dam vel qui­bus­dam dan­dum aut recusan­dum. Quae omnia, si reap­se inter­ven­er­int, eti­am iure iuran­do adiec­to, decer­ni­mus ea nulla et irri­ta esse, neque eadem obser­van­di obli­ga­tio­ne quem­quam tene­ri; faci­en­tes con­tra iam nunc poe­na excom­mu­ni­ca­tio­nis latae sen­ten­tiae inno­da­mus. Veta­ri tamen non intel­le­gi­mus, ne per tem­pus Sedis vacan­tis de elec­tione sen­ten­tiae invicem communicentur.“

Im kon­kre­ten Fall ergibt sich das Pro­blem, daß die Gül­tig­keit einer Papst­wahl, an der Per­so­nen teil­nah­men, die der Exkom­mu­ni­ka­ti­on ver­fal­len sein könn­ten, indem sie die Bestim­mung 81 der Apo­sto­li­schen Kon­sti­tu­ti­on ver­letz­ten, gemäß Canon 171, Para­graph 2 des Codex Iuris Cano­ni­ci ange­foch­ten wer­den kann, der aus­drück­lich eine Wahl für ungül­tig erklärt, bei der die nöti­gen Stim­men nur durch Per­so­nen erreicht wur­den, die zum Zeit­punkt der Wahl exkom­mu­ni­ziert waren (sie­he auch Canon 171, Para­graph 1.3).

„Die Behaup­tun­gen von Ive­reigh zusam­men mit dem Para­graph 81 der Apo­sto­li­schen Kon­sti­tu­ti­on Uni­ver­si domi­ni­ci gre­gis stel­len ein radi­ka­les Pro­blem für die Recht­mä­ßig­keit der Kan­di­da­tur des Kar­di­nals Berg­o­glio für das Papst­amt dar“, so From Rome.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bil­der: From Rome (Screen­shot)

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