Schleichendes Manöver gegen Kardinal George Pell im Gange


Kardinal George Pell
Kar­di­nal Geor­ge Pell

(Rom) Am Abend des 13. März 2013 gab Kar­di­nal­pro­to­dia­kon Jean-Lou­is Tauran den Namen des Kar­di­nals bekannt, der im Kon­kla­ve zum neu­en Papst gewählt wor­den war. Als der Name Geor­gi­um fällt, dach­te man­cher für einen Augen­blick an Kar­di­nal Geor­ge Pell. Der dama­li­ge Erz­bi­schof von Syd­ney gilt als recht­gläu­big und tra­di­ti­ons­freund­lich. Er ist kein zwei­ter Kar­di­nal Bur­ke und den­noch wird er im Vati­kan man­chen immer lästiger.

Anzei­ge

Mit der Errich­tung des C8-Kar­di­nals­rats, dem je ein Ver­tre­ter der ver­schie­de­nen Erd­tei­le ange­hört, wur­de der Austra­li­er als ein­zi­ger ozea­ni­scher Kar­di­nal auto­ma­tisch zu uner­war­te­ten Ehren erho­ben. Unter­schie­de wur­den schnell sicht­bar. Wäh­rend ande­re C8-Räte, wie der Hon­du­ra­ner Kar­di­nal Mara­dia­ga als „Vize-Päp­ste“ auf­tra­ten und sich in Ankün­di­gun­gen über­schlu­gen, was nun alles geän­dert wer­de, war der austra­li­sche Kar­di­nal bemüht, die Trag­wei­te der viel­zi­tier­ten Kuri­en­re­form und der Mit­spra­che bei der Kir­chen­lei­tung zu mini­mie­ren. Dahin­ter steht ein unter­schied­li­ches Kir­chen­ver­ständ­nis, dem sich das eige­ne Ego unter­zu­ord­nen habe.

Am 24. Febru­ar, weni­ge Tage nach dem Ende des Kar­di­nals­kon­si­sto­ri­um, auf dem Kar­di­nal Wal­ter Kas­per den Anstoß zur „neu­en Barm­her­zig­keit“ gab, errich­te­te Papst Fran­zis­kus mit dem Motu pro­prio Fide­lis dis­pen­sa­tor (Der treue Ver­wal­ter) ein Wirt­schafts­mi­ni­ste­ri­um des Hei­li­gen Stuhls. Geor­ge Pell wur­de zum ersten Kar­di­nal­prä­fek­ten ernannt und nach Rom geholt.

Von Sydney zum C9-Berater und Wirtschaftsminister

Über die­se Ein­bin­dung wur­de viel gerät­selt. Sie mach­te den Weg zur Ernen­nung eines neu­en Erz­bi­schofs von Syd­ney mög­lich. Als Diö­ze­san­bi­schof konn­te Pell unter ande­rem die Tra­di­ti­on för­dern und in der Seel­sor­ge wir­ken. Als Wirt­schafts­mi­ni­ster ist er mehr der Ober­buch­hal­ter des Hei­li­gen Stuhls. Zudem setz­te ihn Papst Fran­zis­kus wie ein Stich ins Wes­pen­nest ein. Eine Akti­on, die weni­ger den Papst, dafür aber um so mehr den Kar­di­nal gefährdet.

Durch die Beru­fung nach Rom kann er in dem inzwi­schen zum C9-Rat erwei­ter­ten Bera­ter­gre­mi­um für die Lei­tung der Kir­che ersetzt wer­den, sobald ein wei­te­rer ozea­ni­scher Kar­di­nal ernannt sein wird. Am ver­gan­ge­nen 18. Sep­tem­ber ernann­te Papst Fran­zis­kus den Domi­ni­ka­ner Antho­ny Colin Fisher zum neu­en Erz­bi­schof von Syd­ney und Pri­mas von Austra­li­en. Oder wur­de gegen­über Kar­di­nal Pell ange­wandt, was Johan­nes Paul II. mit eini­gem Erfolg bei Wal­ter Kas­per anwand­te? Zäh­mung durch Beför­de­rung und Beru­fung nach Rom? Seit dem Ende des Pon­ti­fi­kats von Bene­dikt XVI. hat die­ser Ver­such aller­dings Schiff­bruch erlitten.

Verteidiger von Ehesakrament und Morallehre

Wie dem auch sei. Tat­sa­che ist, daß sich Kar­di­nal Pell bei Ehe und Fami­lie im Vor­feld der Bischofs­syn­ode und auf der Syn­ode in die Grup­pe der ortho­do­xen Ver­tei­di­ger der kirch­li­chen Leh­re ein­reih­te. An der Syn­ode konn­te er als Dik­aste­ri­en­lei­ter immer­hin von Amts wegen teil­neh­men, was ihm als Erz­bi­schof von Syd­ney ohne per­sön­li­che päpst­li­che Ernen­nung zum Syn­oda­len nicht mög­lich gewe­sen wäre.

Kar­di­nal Kas­per hat­te sei­ne Rede vor dem Kar­di­nals­kon­si­sto­ri­um als „Evan­ge­li­um der Fami­lie“ bezeich­net und publi­ziert. Kar­di­nal Pell ant­wor­te­te unzwei­deu­tig mit einem Vor­wort zum Buch „Das wah­re Evan­ge­li­um der Fami­lie“ (Ver­lag Media Maria).

Kar­di­nal Ray­mond Bur­ke, der Wort­füh­rer der Syn­oda­len, die sich einer Auf­wei­chung der Moral­leh­re und einer Unter­gra­bung des Ehe­sa­kra­ments wider­setz­ten, wur­de von Papst Fran­zis­kus bereits kalt abser­viert. Inzwi­schen begin­nen auch Angrif­fe gegen Kar­di­nal Pell.

Manöver gegen „ehrliche, unabhängige Stimmen an der Kurie“

An der Römi­schen Kurie ist ein Ver­such im Gan­ge, den „ehr­li­chen austra­li­schen Pur­pur­trä­ger“ zu schä­di­gen, wie der Vati­ka­nist Mar­co Tosat­ti bestä­tigt. Ihm wird sein direk­ter und ener­gi­scher Cha­rak­ter zum Vor­wurf gemacht. Inter­es­san­ter ist, daß die Angrif­fe unmit­tel­bar nach dem Ende der Bischofs­syn­ode ein­setz­ten, obwohl der Kar­di­nal seit acht Mona­ten in Rom ist. Und tat­säch­lich fehlt es bei der Kri­tik an sei­ner Per­son nicht an Hin­wei­sen auf sei­ne Wort­mel­dun­gen in der Synode.

Nun, da Kar­di­nal Bur­ke, „eine der ehr­lich­sten und unab­hän­gig­sten Stim­men an der Römi­schen Kurie“ (Tosat­ti) aus der Apo­sto­li­schen Signa­tur, dem Ober­sten Gerichts­hof der Katho­li­schen Kir­che, ent­fernt wur­de, „reden sie an der Kurie über ein schlei­chen­des Manö­ver gegen den austra­li­schen Kar­di­nal Geor­ge Pell, der sich wie der Ame­ri­ka­ner kein Blatt vor den Mund nimmt“, so Tosat­ti in einem gestern in der Tages­zei­tung La Stam­pa erschie­ne­nen Artikel.

Bei Synode Mikrophon abgeschaltet, doch Kardinal Pell sprach mit lauter Stimme weiter

Am 16. Okto­ber war es Geor­ge Pell, der auf der Bischofs­yn­ode als erster das Wort ergriff und mit einer feu­ri­gen Rede Ankla­ge gegen die Vor­gangs­wei­se des Gene­ral­se­kre­ta­ri­ats und des­sen Infor­ma­ti­ons­po­li­tik erhob. Eine Initi­al­zün­dung, die zum Auf­stand der Syn­ode­nau­la wur­de und den ziem­lich ver­zwei­fel­ten Syn­oden­se­kre­tär Kar­di­nal Bal­dis­se­ri Hil­fe bei Papst Fran­zis­kus suchen ließ.

Bal­dis­se­ri hat­te soeben bekannt­ge­ge­ben, daß die Ergeb­nis­se der Syn­oden­ar­beits­krei­se nicht ver­öf­fent­licht wür­den. Das brach­te das Faß zum Über­lau­fen. Bereits zuvor hat­ten die Kar­di­nä­le Mül­ler, Bur­ke und ande­re Syn­oda­len die ein­sei­ti­ge Bevor­zu­gung der Kas­per-Par­tei in der Infor­ma­ti­ons­po­li­tik kri­ti­siert. Kar­di­nal Bur­ke sprach von „Mani­pu­la­ti­on“.

Kar­di­nal Pell wie­der­hol­te den Vor­wurf nun offen in der Syn­ode­nau­la. Der Kar­di­nal traf damit den Nerv ande­rer Syn­oda­len. Die offe­ne Rebel­li­on gegen die Syn­oden­re­gie war per­fekt. Die­se ver­such­te hilf­los gegen­zu­steu­ern und pro­vo­zier­te dadurch noch mehr. Um den Kar­di­nal zum Schwei­gen zu brin­gen, wur­de sein Mikro­phon abge­schal­tet. Der Austra­li­er sprach ein­fach mit lau­ter Stim­me so lan­ge wei­ter, bis das Mikro­phon wie­der auf­ge­schal­tet wurde.

„Wir trauen einer Erklärung nicht!“

Sei­ne ankla­gen­de For­de­rung: „Es braucht Trans­pa­renz! Jeder muß sagen kön­nen, was er zu sagen hat!“ Ein har­ter Schlag­ab­tausch, der sei­nen Höhe­punkt erreich­te, als Kar­di­nal Bal­dis­se­ri mit einer Erklä­rung durch das vati­ka­ni­sche Pres­se­amt ver­trö­sten woll­te und Kar­di­nal Pell sinn­ge­mäß erwi­der­te: „Wir trau­en einer Erklä­rung nicht“. An die­ser Stel­le brach hef­ti­ger Applaus aus und vie­le Syn­oden­vä­ter mach­ten Zwi­schen­ru­fe zur Bekräf­ti­gung des Australiers.

Obwohl es Papst Fran­zis­kus, dem offen­sicht­li­chen Regis­seur der „neu­en Barm­her­zig­keit“, sicht­lich gegen den Strich ging, wil­lig­te er in die Ver­öf­fent­li­chung der Arbeits­kreis­be­rich­te ein. Spä­te­stens an die­ser Stel­le dürf­te dem Papst bewußt gewor­den sein, daß mit der Syn­ode 2014 die gewünsch­ten Zie­le nicht zu errei­chen waren. Tat­säch­lich schei­ter­ten die drei ent­schei­den­den Para­gra­phen des Schluß­be­richts und mach­ten die Syn­ode für deren Pro­mo­to­ren wert­los. Oder fast.

Bruch der Synoden-Geschäftsordnung

Papst Fran­zis­kus, ein gewief­ter Stra­te­ge, ließ die Syn­oden-Geschäfts­ord­nung bre­chen und die drei abge­lehn­ten Para­gra­phen den­noch ver­öf­fent­li­chen. Eine brüs­ke Vor­gangs­wei­se um sich Unter­stüt­zung durch Medi­en und bestimm­te Kir­chen­krei­se zu sichern. Vor allem eine demon­stra­ti­ve Trotz­re­ak­ti­on nach dem Mot­to: Dies­mal wur­de noch ver­hin­dert, aber das näch­ste Mal … Das näch­ste Mal ist bereits im Okto­ber 2015 mit der Ordent­li­chen Bischofs­syn­ode zum sel­ben Thema.

Kar­di­nal Bur­ke bekam die Ver­gel­tung bereits zu spü­ren. Und das „muti­ge und evan­ge­li­sche Ver­hal­ten von Kar­di­nal Pell (Ja Ja, Nein Nein)“, so Tosat­ti, lie­fer­te jenen Muni­ti­on, die den Austra­li­er, der heu­te auf dem Papier fast allein für die Finan­zen und die Ver­wal­tung des Hei­li­gen Stuhls zustän­dig ist und damit einen ziem­lich undank­ba­ren Posten hat, ohne­hin nicht son­der­lich mögen. Geld und Ver­wal­tung spie­len für die Kir­che zwar vor­der­grün­dig kei­ne wich­ti­ge Rol­le, doch das sehen nicht alle so. Bekannt­lich hört für man­che beim Geld vie­les auf.

Der Kar­di­nal wird nun als „zu unaus­ge­gli­chen“ und „zu radi­kal“ dar­ge­stellt. „Dabei soll­te die Auf­rich­tig­keit dem nicht miß­fal­len, der den Prie­stern nahe­legt, nicht kle­ri­kal zu sein. Aber…“, so Tosat­ti in Anspie­lung auf eine jüng­ste „Per­le“ von Papst Franziskus.

Päpstlicher Unmut und Trittbrettfahrer

Tat­sa­che ist, daß sich Kar­di­nal Pell unter den maß­geb­li­chen Per­so­nen kei­ne neu­en Freun­de gemacht hat. Das gilt etwa für die ande­ren Wirt­schafts­ein­rich­tun­gen des Vati­kans, denen durch päpst­li­che Anord­nung wirk­li­che Ent­schei­dungs­be­fug­nis­se ent­zo­gen wur­den. Der Ärger rich­tet sich gegen den, der sie nun inne­hat. Das bedeu­tet auch, daß Tritt­brett­fah­rer ver­su­chen, sich den päpst­li­chen Unmut gegen den Kar­di­nal zunut­ze zu machen. Laut Motu pro­prio vom Febru­ar 2014 soll­te auch die Finanz­ab­tei­lung des Staats­se­kre­ta­ri­ats Pells Wirt­schafts­dik­aste­ri­um unter­stellt wer­den. Eine Abtei­lung, die über Finan­zen ver­fügt, die jenen der Vatik­an­bank IOR nicht nach­ste­hen. Glei­ches gilt für die Per­so­nal­ab­tei­lung des Staats­se­kre­ta­ri­ats. Doch acht Mona­te nach dem Motu pro­prio ist von einem Über­gang der Zustän­dig­kei­ten kei­ne Rede. Es gibt erheb­li­che Wider­stän­de. Der für sei­ne prag­ma­ti­sche Effi­zi­enz bekann­te austra­li­sche Kar­di­nal dürf­te davon nicht begei­stert sein und es auch sagen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: MiL

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!