(Rom) Nach der Wegbeförderung von Kardinalpräfekt Antonio Cañizares und dem Fenstersturz der liturgischen Ratzingerianer Pater Anthony Ward und Msgr. Juan Miguel Ferrer-Grenesche als Untersekretäre der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung verstärken sich in Rom die Stimmen, daß Kurienerzbischof Piero Marini zum obersten Liturgiker des Vatikans und künftigen Kardinal befördert werden könnte.
Der Hinweis ist zwingend, Msgr. Piero Marini, den ehemaligen Zeremonienmeister von Johannes Paul II. nicht mit Msgr. Guido Marini, dem Zeremonienmeister von Benedikt XVI. und nach wie vor Zeremonienmeister von Papst Franziskus zu verwechseln. Ersterer amtierte von 1987–2007. Letzterer seit 2007. Die beiden nicht miteinander verwandten Marinis lassen sich auch daran unterscheiden, daß Piero Marini seit 1998 Bischof und seit 2003 Titularerzbischof ist, während es Guido Marini erst bis zum Päpstlicher Ehrenprälaten „schaffte“. Grundlegender ist jedoch das unterschiedliche liturgische Verständnis, das die beiden Marinis auszeichnet.
Die Rede hier ist also von Kurienerzbischof Piero Marini, der einen Monat nach dem Konklave in einem El Pais-Interview Papst Franziskus lobte und mit Benedikt XVI. abrechnete: „Man atmet Frischluft. Er ist ein Fenster, das sich dem Frühling und der Hoffnung öffnet. Bisher haben wir die schlechte Luft sumpfig-stickiger Gewässer geatmet.“
Die Gerüchte, die sich der Reihe nach bewahrheiten
Drei Wochen nach seiner Wahl empfing Papst Franziskus überraschend Piero Marini in Audienz. Zu jenem Zeitpunkt waren noch zahlreiche ranghöhere Kurienvertreter nicht vom neuen Papst empfangen worden. Die Bevorzugung des liturgischen „Designers“ von Johannes Paul II. führte umgehend zu Spekulationen, die seither kein Ende nahmen (siehe Statt Guido Marini wieder neuer (alter) Zeremonienmeister? – Piero Marini in Audienz bei Papst Franziskus).
Zunächst wurde vermutet, der Franziskus liturgisch wesentlich näher stehende Piero Marini könnte Guido Marini als päpstlicher Zeremonienmeister ablösen. Eine solche Rückkehr in dasselbe Amt wäre in der Kirche aber nicht üblich und würde zudem zu offensichtliche Rückschlüsse erlauben.
Ende Juni verdichteten sich Stimmen, Piero Marini könne noch weit höher steigen und anstelle von Kardinal Antonio Cañizares neuer Präfekt der Gottesdienstkongregation werden und damit auch Anwärter auf die Kardinalswürde (siehe Piero Marini nächster Präfekt der Gottesdienstkongregation? Gerüchte über Personalrochaden im Vatikan?). Die Säuberung des Vatikans von Ratzingerianern erfolgt jedoch in Etappen. Kardinal Cañizares wurde erst im Spätsommer 2014 von Papst Franziskus als Erzbischof von Valencia nach Spanien zurückgeschickt. Die Amtseinführung erfolgte am 4. Oktober, einen Tag vor Beginn der Bischofssynode über die Familie in Rom, der Msgr. Cañizares als Kardinalpräfekt von Amts wegen angehört hätte. Gleiches gilt nun für den ebenfalls wegbeförderten Kardinal Burke. Man könnte es als Dezimierung eines bestimmten Lagers auf der Bischofssynode lesen.
„Brutale“ Umfärbung einer Kongregation?
Il Timone schrieb zur Nachfolge von Kardinal Cañizares am 22. September: „Die Entscheidung ist auf ihn gefallen. Es fehlt nur mehr die Bekanntmachung.“ „Ihn“ meinte Erzbischof Piero Marini. Diese Bekanntmachung ist noch nicht erfolgt, doch wird die Ernennung von Pater Corrado Maggioni am 5. November zum neuen Untersekretär der Gottesdienstkongregation in diese Richtung interpretiert. Die Entlassung der beiden bisherigen Untersekretäre gilt als besonders „brutal“ (Riposte Catholique), weil sie davon gleichzeitig mit der Öffentlichkeit aus dem Bulletin des Heiligen Stuhls erfahren mußten.
Da der Stuhl des Kardinalpräfekten vakant ist, wird die Kongregation derzeit vom gemäßigt „progressiven“ Sekretär, Kurienerzbischof Arthur Roche, und dem Bugninisten reinsten Wassers, Untersekretär Pater Maggioni geleitet.
Pater Maggioni ist ein enger Freund von Msgr. Piero Marini, der seit 2007 Präsident des Päpstlichen Komitees für die Eucharistischen Weltkongresse ist und an der Benediktinerhochschule Sant’Anselmo Liturgiewissenschaften unterrichtet. Piero Marini gehörte bereits während dem Zweiten Vatikanischen Konzil zu den engsten Mitarbeitern von Msgr. Annibale Bugnini, dem „Architekten“ der katholischen Liturgiereform.
Wird Piero Marini, was Annibale Bugnini verwehrt blieb?
Die Verwirklichung von Piero Marinis Traum, oberster Liturgiker des Vatikans zu werden, scheint immer näherzurücken und er damit das zu erreichen, was seinem Lehrmeister und Mentor, Annibale Bugnini nicht gelungen ist. Msgr. Bugnini brachte es zwar von 1969–1975 zum Sekretär der Gottesdienstkongregation, doch das Amt des Präfekten und die Kardinalswürde blieben ihm verwehrt. Stattdessen fiel er schließlich bei Paul VI. in Ungnade. Sein Schüler Piero Marini könnte nun auch diesen letzten Schritt schaffen.
Römische Beobachter hielten seit Auftreten des Gerüchts im Frühjahr 2013 entgegen, daß Erzbischof Piero Marini, Jahrgang 1942, bereits zu alt sei für eine solche Berufung. Nach nur drei Jahren Amtszeit wäre er 75. Doch die von Papst Franziskus soeben verschärften Pensionierungsbestimmungen, die die Personalrochade gegen Kardinal Burke ermöglichten, können auch anders gelesen werden. Der Papst stärkte letztlich vor allem sein Recht. Er zwingt Kurienmitarbeiter (ausgenommen die Kardinalpräfekten) mit 75 Jahren ihren Rücktritt anzubieten. Nichts hindert den Papst jedoch, dieses Angebot abzulehnen.
Papst scheut Affront nicht – Revanchegedanken der Bugnini-Anhänger
Andere Beobachter meinten annehmen zu können, daß sich das Kirchenoberhaupt nicht zu einer solchen Provokation, wie die Ernennung von Piero Marini zum Kardinalpräfekten hinreißen lassen werde. Die Abschiebung von Kardinal Burke machte jedoch deutlich, daß der argentinische Papst seinen Willen entschlossen und ohne Rücksicht auf Verluste durchzusetzen gewillt ist.
Die „klügere“ Variante, einen „moderaten“ Präfekten zu ernennen, um den Ausgleich zu suchen, scheint dem drängenden Revanchewunsch der Bugninisten entgegenzustehen. Sie, allen voran Piero Marini, haben das Eindringen der „Reformer der Reform“ in den „heiligen Tempel“ der Liturgiereform nie verwunden. Deren Sensibilität für die Wiedergewinnung des Sakralen und ihre Offenheit gegenüber dem überlieferten Ritus waren für die Bugninisten ein unerträglicher Affront. Es war Don Nicola Bux, der 2012 zusammen mit dem Kirchenrechtler Raffaele Coppola das Buch „Der leere Tanz um das goldene Kalb“ zum Thema verweltlichte Liturgie und Ius divinum vorlegte. Die Einführung steuerte übrigens kein Geringerer als Kardinal Raymond Burke bei (siehe „Der leere Tanz um das goldene Kalb“ – Liturgie und Ius divinum – Bucherscheinung). Die Ernennung von Piero Marini würde die Revanche sichtbar vollenden.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Riposte Catholique