Was bedeutet die Opposition zur alten Messe wirklich? – (Teil 1)


Missa Tridentina
Mis­sa Tridentina

von Peter Kwasniewski

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Anläss­lich des sieb­ten Jah­res­ta­ges des Inkraft­tre­tens von Sum­morum Pon­ti­fi­cum am ver­gan­ge­nen 14. Sep­tem­ber 2014 ver­fass­te Dr. Peter Kwas­niew­ski einen Arti­kel für „New Lit­ur­gi­cal Move­ment“, des­sen ersten Teil wir nach­fol­gend in deut­scher Über­set­zung wie­der­ge­ben. Der zwei­te Teil wird Im Lau­fe die­ser Woche erschei­nen. Kwas­niew­ski lehrt Phi­lo­so­phie und Theo­lo­gie am „Wyo­ming Catho­lic Col­lege“ in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka. Im Früh­jahr wur­de sein Werk „Sacred Cho­ral Works“ ver­öf­fent­licht, das zahl­rei­che sei­ner Kom­po­si­tio­nen für den lit­ur­gi­schen Gebrauch enthält.

In der Welt nach Sum­morum Pon­ti­fi­cum kann der alte römi­sche Ritus nicht län­ger als ver­bo­ten, bedenk­lich, rand­stän­dig oder obso­let betra­chet wer­den. Er erfreut sich der glei­chen Bür­ger­rech­te wie der Novus Ordo. Zwei For­men des römi­schen Ritus – eine genannt „ordent­lich“, weil zuletzt pro­mul­giert und in wei­te­rem Gebrauch, die ande­re genannt „außer­or­dent­lich“, der usus anti­qui­or, wel­cher Respekt ver­dient wegen sei­nes alt­ehr­wür­di­gen Gebrauchs –, wobei bei­de von jedem Prie­ster des römi­schen Ritus frei zele­briert wer­den kön­nen, ohne beson­de­re Geneh­mi­gung. Man soll­te mei­nen, dass die bei­den For­men als eine Geste der Ver­söh­nung im Her­zen der Kir­che Sei­te an Sei­te flo­rie­ren wür­den, mit Katho­li­ken, die über­all pri­vi­le­giert sind, bei­de For­men ehr­furchts­voll und schön gefei­ert zu erleben.

Dies ist jedoch immer noch weit von der Wirk­lich­keit ent­fernt, und trau­ri­ger­wei­se gibt es immer noch viel zu vie­le Bischö­fe und Prie­ster, wel­che die alte Mes­se ableh­nen, sie mit beschwer­li­chen Bedin­gun­gen anket­ten oder auf macht­po­li­ti­sche Mit­tel zurück­grei­fen, um sicher­zu­stel­len, dass ihre Unter­stüt­zer form­ge­recht gewarnt sind und bestraft wer­den für ihre toll­küh­ne Annah­me unse­res katho­li­schen Erbes.

Wenn wir heu­te den sieb­ten Jah­res­tag der Imple­men­tie­rung von Sum­morum Pon­ti­fi­cum bege­hen, des­sen Bestim­mun­gen am 14. Sep­tem­ber 2007 in Kraft getre­ten sind, so ist es sowohl erbau­lich als auch ernüch­ternd, die Bedeu­tung zu beden­ken, die Joseph Ratz­in­ger selbst der Oppo­si­ti­on zur alten Mes­se anhef­te­te. Was bedeu­tet es, wenn jemand die­se Mes­se ablehnt, oder jene, die sie zele­brie­ren, oder jene, die sie lie­ben als eine Form des Gebets, die ihnen teu­er ist?

Im Inter­view­buch „Salz der Erde“, ver­öf­fent­lich im Jahr 1996, sag­te Ratzinger:

Ich bin […] der Mei­nung, daß man viel groß­zü­gi­ger den alten Ritus all denen gewäh­ren soll­te, die das wün­schen. Es ist über­haupt nicht ein­zu­se­hen, was dar­an gefähr­lich oder unan­nehm­bar sein soll­te. Eine Gemein­schaft, die das, was ihr bis­her das Hei­lig­ste und Höch­ste war, plötz­lich als strikt ver­bo­ten erklärt und das Ver­lan­gen danach gera­de­zu als unan­stän­dig erschei­nen läßt, stellt sich selbst in Fra­ge. Denn was soll man ihr eigent­lich noch glau­ben? Wird sie nicht mor­gen wie­der ver­bie­ten, was sie heu­te vorschreibt?

Elf Jah­re vor Sum­morum Pon­ti­fi­cum rich­te­te er sei­nen Fin­ger auf den sprin­gen­den Punkt. Wenn die Lit­ur­gie, die für Jahr­hun­der­te der hei­lig­ste und höch­ste Besitz der Kir­che war, das Objekt voll­kom­me­ner Andacht und Ehre, das Mit­tel der Hei­li­gung für zahl­lo­se Katho­li­ken, plötz­lich ver­bo­ten ist, und wenn der Wunsch, wie unse­re Vor­vä­ter anzu­be­ten, als falsch behan­delt wird, was sagt das über die Kir­che selbst aus, über ihre Ver­gan­gen­heit, ihre Tra­di­ti­on, ihre eige­nen Hei­li­gen? Wahr­lich, ihre Glaub­wür­dig­keit ent­schwin­det voll­kom­men, ihre Pro­kla­ma­tio­nen wer­den zu will­kür­li­chen Befeh­len. War die gan­ze Zeit an unse­rem zen­tra­len Akt der Anbe­tung etwas ver­häng­nis­voll man­gel­haft? Lagen all die Päp­ste der Ver­gan­gen­heit, die mit Lie­be die­se Lit­ur­gie ver­edel­ten, falsch, waren all die Mis­sio­na­re, die sie in die gan­ze Welt brach­ten, in die Irre geführt? Könn­ten sie, mit den Wor­ten Agurs, des Soh­nes des Jake aus Mas­sa, sagen: „Ich habe kei­ne Weis­heit gelernt und kei­ne Kennt­nis des Hei­li­gen erlangt“ (Spr 30,3)?

In „Gott und die Welt“, einem wei­te­ren die­ser groß­ar­tig auf­schluss­rei­chen und dok­tri­nell robu­sten Inter­views, die jetzt, im Rück­blick, für so weh­mü­ti­ges Lesen sor­gen, kam Ratz­in­ger auf den Punkt zurück:

Wich­tig für die Bewußt­seins­bil­dung in Sachen Lit­ur­gie ist auch, daß end­lich die Äch­tung der bis 1970 gül­ti­gen Form von Lit­ur­gie auf­hö­ren muß. Wer sich heu­te für den Fort­be­stand die­ser Lit­ur­gie ein­setzt oder an ihr teil­nimmt, wird wie ein Aus­sät­zi­ger behan­delt; hier endet jede Tole­ranz. Der­lei hat es in der gan­zen Geschich­te nicht gege­ben, man äch­tet damit ja auch die gan­ze Ver­gan­gen­heit der Kir­che. Wie soll­te man ihrer Gegen­wart trau­en, wenn es so ist? Ich ver­ste­he, offen gestan­den, auch nicht, war­um so vie­le mei­ner bischöf­li­chen Mit­brü­der sich weit­ge­hend die­sem Into­le­ranz­ge­bot unter­wer­fen, das den nöti­gen inne­ren Ver­söh­nun­gen in der Kir­che ohne ein­sich­ti­gen Grund entgegensteht.

Hier haben wir eine Spra­che, die erstaun­lich ver­wandt ist mit der, die wir fünf Jah­re spä­ter in Papst Bene­dikts Brief an die Bischö­fe fin­den, der mit Sum­morum Pon­ti­fi­cum ein­her­ging. Erneut fin­den wir das bezeich­nen­de Bestehen dar­auf, die rich­ti­ge Hal­tung ein­zu­neh­men gegen­über dem unver­gäng­li­chen und lebens­spen­den­den Erbe der Kir­che. Die lit­ur­gi­schen Riten, die aus den apo­sto­li­schen Samen her­vor­ge­hen im Ver­wei­len der Kir­che durch die Geschich­te, sind die Früch­te des­sen, der da ist der Herr und Lebens­spen­der, und sie kön­nen nicht, in sich selbst, ver­en­den oder Ver­nich­tung brin­gen – noch kön­nen sie legi­tim ver­bo­ten werden.

Dies wür­de erklä­ren, war­um Papst Bene­dikt XVI. in Sum­morum Pon­ti­fi­cum sagt, dass der tra­di­tio­nel­le latei­ni­sche Mess­ri­tus „auf­grund sei­nes ver­eh­rungs­wür­di­gen und alten Gebrauchs […] sich der gebo­te­nen Ehre erfreu­en“ soll. In sei­nem Brief an die Bischö­fe fügt er hinzu:

Was frü­he­ren Gene­ra­tio­nen hei­lig war, bleibt auch uns hei­lig und groß; es kann nicht plötz­lich rund­um ver­bo­ten oder gar schäd­lich sein. Es tut uns allen gut, die Reich­tü­mer zu wah­ren, die im Glau­ben und Beten der Kir­che gewach­sen sind und ihnen ihren rech­ten Ort zu geben.

Das Erwei­sen der gebo­te­nen Ehre, was sich aus­drückt in der tat­säch­li­chen Fei­er des Ritus, ist kei­ne optio­na­le Sache, und dar­um soll­ten wir höf­lich ableh­nen, von unse­ren Mit-Katho­li­ken als Leu­te mit gewis­sen „Vor­lie­ben“ kate­go­ri­siert zu wer­den: „O, Sie bevor­zu­gen das Alte und ich das Neue.“ Nein, es geht über Vor­lie­ben hin­aus hin zur Struk­tur des katho­li­schen Glau­bens: jenen Din­gen, die ver­eh­rungs­wür­dig und alt sind, muss die gebo­te­ne Ehre erwie­sen wer­den; was frü­he­ren Gene­ra­tio­nen hei­lig war, muss auch uns hei­lig – und groß! – sein; es liegt an uns, die­se Reich­tü­mer zu bewah­ren und sicher­zu­stel­len, dass sie ihren rech­ten Platz ein­neh­men im Leben der Kir­che heute.

Ein erneu­tes Zei­chen dafür, dass wir Papst Bene­dikt kor­rekt lesen, ist, dass die klä­ren­de Instruk­ti­on Uni­ver­sঠEccle­siঠkei­ne Mühen scheut, die­se Punk­te zu beto­nen. Tat­säch­lich ist Abschnitt 8 die­ses Doku­ments ein­drucks­voll in sei­ner kom­pro­miss­lo­sen Schlicht­heit, sei­nem voll­kom­me­nen Man­gel an ver­klau­su­lie­ren­den Ein­schrän­kun­gen oder Schlupflöchern:

Das Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum stellt einen wich­ti­gen Aus­druck des Lehr­am­tes des Pap­stes und der ihm eige­nen Sen­dung (munus) dar, die hei­li­ge Lit­ur­gie der Kir­che zu regeln und zu ord­nen, und zeigt sei­ne pasto­ra­le Sor­ge als Stell­ver­tre­ter Chri­sti und Hir­te der Gesamt­kir­che. Sein Schrei­ben hat fol­gen­de Zie­le: a) allen Gläu­bi­gen die römi­sche Lit­ur­gie im Usus anti­qui­or anzu­bie­ten, da sie ein wert­vol­ler Schatz ist, den es zu bewah­ren gilt; b) den Gebrauch der for­ma extra­or­di­na­ria all jenen wirk­lich zu gewähr­lei­sten und zu ermög­li­chen, die dar­um bit­ten. Dabei ist vor­aus­ge­setzt, dass der Gebrauch der 1962 gel­ten­den römi­schen Lit­ur­gie eine Befug­nis ist, die zum Wohl der Gläu­bi­gen gewährt wor­den ist und daher zugun­sten der Gläu­bi­gen, an die sie sich pri­mär rich­tet, aus­ge­legt wer­den muss; c) die Ver­söh­nung inner­halb der Kir­che zu fördern.

Text: M. Bene­dikt Buerger
Bild: Wikicommons

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