Venezianische „Zweitehe“? Überraschungscoup zum Auftakt der Bischofssynode mit Verzerrung des Konzils von Trient


Der Markuslöwe von Venedig
Der Mar­kus­lö­we von Venedig

(Rom) Die römi­sche Jesui­ten­zeit­schrift La Civil­tà  Cat­to­li­ca setzt einen Über­ra­schungs­coup und eilt pünkt­lich zum Beginn der Bischofs­syn­ode Kar­di­nal Wal­ter Kas­per zu Hil­fe. Dafür ver­zerrt die Zeit­schrift mit der beson­de­ren Nähe zum jeweils regie­ren­den Papst das Kon­zil von Trient. 

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Zur Unter­stüt­zung der The­se von Kar­di­nal Wal­ter Kas­per hol­te die vier­zehn­tä­gig erschei­nen­de Zeit­schrift mit päpst­li­chem Impri­matur eine Geste aus dem Kel­ler, die dort seit Jahr­hun­der­ten ver­staub­te. Eine Geste des Kon­zils von Tri­ent für die weni­gen Katho­li­ken der grie­chi­schen Inseln, die unter vene­zia­ni­scher Herr­schaft stan­den, von denen eini­ge im dort vor­herr­schen­den byzan­ti­ni­schen Ritus eine Zweit­ehe eingingen.

Auf den Arti­kel von Pater Gian­car­lo Pani SJ in der jüng­sten Aus­ga­be der Civil­tà  Cat­to­li­ca mach­te der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster aufmerksam.

Nach Lob für Kaspers „Theologie auf den Knien“, macht sich Jesuitenzeitschrift dessen Position ganz zu eigen

Die Jesui­ten­zeit­schrift ließ sich bis zum 4. Okto­ber, dem Vor­abend zum Beginn der Bischofs­syn­ode Zeit, um ihren Auf­satz zu pla­zie­ren. Abge­se­hen von einem Bei­trag, in dem Kar­di­nal Kas­pers „Theo­lo­gie auf den Knien“ geprie­sen wur­de, han­delt es um den ersten direk­ten Bei­trag zum The­ma „Zweit­ehe“, die hin­ter der Befür­wor­tung des deut­schen Kar­di­nals für die Zulas­sung wie­der­ver­hei­ra­te­ter Geschie­de­ner zur Kom­mu­ni­on steht.

Nicht nur der stra­te­gi­sche Zeit­punkt ist bemer­kens­wert, an dem die renom­mier­te und mit dem Nim­bus eines offi­ziö­sen päpst­li­chen Cha­rak­ters ver­se­he­ne Zeit­schrift ihr Schwei­gen brach. Sie mach­te sich die The­se von Kas­pers Par­tei völ­lig zu eigen. Der deut­sche Kar­di­nal „wird von den ersten Zei­len an als Ori­en­tie­rungs­punkt genannt“, so Magister.

Die Civil­tà  Cat­to­li­ca ist nicht irgend­ei­ne Zeit­schrift, wie die vati­ka­ni­sche Zen­sur zeigt. Seit ihrer Grün­dung wer­den bis zum heu­ti­gen Tag alle Bei­trä­ge vor ihrer Druck­le­gung dem vati­ka­ni­schen Staats­se­kre­ta­ri­at vor­ge­legt und eine Druck­erlaub­nis ein­ge­holt. Dar­aus las­sen sich Schlüs­se zie­hen. Die Bei­trä­ge stam­men aus­schließ­lich aus der Feder von Jesui­ten. Zwi­schen Papst Fran­zis­kus, der selbst dem Jesui­ten­or­den ange­hört, und dem der­zei­ti­gen Schrift­lei­ter der Zeit­schrift, Pater Anto­nio Spa­da­ro, herrscht „eng­stes Ein­ver­neh­men“ (Magi­ster). Pater Spa­da­ro ist kir­chen­in­tern das, was Euge­nio Scal­fa­ri außer­halb ist: der wich­tig­ste Inter­pret des päpst­li­chen Den­kens und Handelns.

„Ökumenische“ Öffnung des Konzils von Trient für „Zweitehe“?

Konzil von Trient bekräfigte Unauflöslichkeit der Ehe
Kon­zil von Tri­ent bekrä­fig­te Unauf­lös­lich­keit der Ehe

Um die Bischofs­syn­ode zu einer „Öff­nung“ in Rich­tung „Zweit­ehe“ zu bewe­gen, setz­te die Jesui­ten­zeit­schrift einen Über­ra­schungs­zug. Sie grub das sonst weni­ger beach­te­te Kon­zil von Tri­ent aus, jenes Kon­zil, das mehr als jedes ande­re, die Ein­heit und Unauf­lös­lich­keit des sakra­men­ta­len Ehe­ban­des bekräftigte.

Die­ses Kon­zil habe sich in Wirk­lich­keit einer for­mel­len Ver­ur­tei­lung der „Zweitehe“enthalten, wie sie in den Ost­kir­chen ver­brei­tet ist und zwar nicht nur unter den Gläu­bi­gen des ortho­do­xen Ritus, son­dern auch unter den Katho­li­ken der mit Rom unier­ten Ostkirchen.

„Die Kon­zils­vä­ter von Tri­ent wur­den zu die­ser Geste, die von der Jesui­ten­schrit­schrift als ‚öku­me­nisch‘ ante lit­teram bezeich­net wird, wegen der Katho­li­ken ver­an­laßt, die auf den grie­chi­schen Inseln der Repu­blik Vene­dig leb­ten und mit Geneh­mi­gung ihrer latei­ni­schen Bischö­fe die ortho­do­xen Kir­chen besuch­ten. Die vene­zia­ni­schen Bot­schaf­ter rich­te­ten das Ansu­chen an das Kon­zil, die­sen Katho­li­ken die Bei­be­hal­tung ihrer ‚Riten‘ zu erlau­ben, ein­schließ­lich der Mög­lich­keit einer zwei­ten Ehe­schlie­ßung wenn der Ehe­part­ner Ehe­bruch began­gen hat­te“, so Magister.

Nach einer hef­ti­gen Dis­kus­si­on beschlos­sen die Kon­zils­vä­ter mit 97 gegen 80 Stim­men dem Ansu­chen zu ent­spre­chen und for­mu­lier­ten den Canon neu. Der Canon bekräf­tig­te die Unauf­lös­lich­keit der Ehe, ent­hielt aber nicht mehr eine aus­drück­li­che Ver­ur­tei­lung der öst­li­chen Praxis.

Jesuitenzeitschrift wiederholt überholte, einseitige Darstellung Kaspers

Der Autor des Bei­trags in der Civil­tà  Cat­to­li­ca ist Pater Gian­car­lo Pani SJ, Pro­fes­sor für Kir­chen­ge­schich­te an der Uni­ver­si­tät La Sapi­en­za in Rom. Er rekon­stru­iert die Debat­te auf dem Kon­zil von Tri­ent mit zahl­rei­chen Details, ein­schließ­lich aller Hin­wei­se der Kon­zils­vä­ter auf das Neue Testa­ment und die Kirchenväter.

In sei­ner eige­nen Dar­stel­lung der kirch­li­chen Pra­xis der früh­christ­li­chen Jahr­hun­der­te folgt Pater Pani jedoch aus­schließ­lich der Dar­stel­lung von Gio­van­ni Cere­ti und des­sen Buch Divor­zio, nuo­ve noz­ze e peniten­za nella Chie­sa pri­mi­ti­va (Schei­dung, Wie­der­hei­rat und Buße in der frü­hen Kir­che) von 1977, das im August 2013 pünkt­lich zur neu­en Debat­te neu auf­ge­legt wur­de. Cere­ti ist die wich­tig­ste, wenn nicht ein­zi­ge Bezugs­quel­le von Kar­di­nal Kas­per in sei­ner Rede vor dem Kar­di­nals­kon­si­sto­ri­um im ver­gan­ge­nen Febru­ar. Alle neue­ren Stu­di­en zum The­ma, wie jene der renom­mier­ten Pat­ro­lo­gen Hen­ri Crou­zel und Gil­les Pel­land, bei­de eben­falls Jesui­ten, die Cere­ti „buch­stäb­lich zer­ris­sen“ (Magi­ster), igno­rier­te Kas­per völ­lig und eben­so tut es nun Pater Pani in einem Aufsatz.

Dadurch ent­steht aus dem Arti­kel in der Civil­tà  Cat­to­li­ca der Ein­druck, daß bereits das Kon­zil von Tri­ent eine Geste „evan­ge­li­scher Barm­her­zig­keit“ gesetzt habe, die von der nun tagen­den Bischofs­syn­ode auf­ge­grif­fen und ver­stärkt wer­den sol­le und zwar zum angeb­li­chen Nut­zen „jener Chri­sten, die mit Lei­den eine geschei­ter­te ehe­li­che Bezie­hung leben“.

Konzil von Trient öffnete sich mitnichten gegenüber der „Zweitehe“

„In Wirk­lich­keit“ so Magi­ster, gab es durch das Kon­zil von Tri­ent kei­ner­lei „Öff­nung“ gegen­über der Zweit­ehe: „man ent­schied ledig­lich in die­sem Punkt mit jener Zurück­hal­tung, die auch in den Jahr­hun­der­ten vor­her galt und die auch danach bei­be­hal­ten wur­de, in kei­nen direk­ten Kon­flikt mit den ortho­do­xen Kir­chen zu treten“.

Die Aus­nah­me­si­tua­ti­on, wie sie auf den grie­chi­schen Inseln der See­re­pu­blik Vene­dig herrsch­te, erle­dig­te sich wie­der von selbst, als die Inseln vom Osma­ni­schen Reich besetzt wur­den und für Vene­dig ver­lo­ren­gin­gen. Sie wie­der­hol­te sich nie mehr, nicht ein­mal mehr für jene ost­kirch­li­chen Gemein­schaf­ten, die sich mit der Kir­che von Rom unier­ten. Von ihnen wur­de vor­ab ein Glau­bens­be­kennt­nis ver­langt, mit dem sie aus­drück­lich die Unmög­lich­keit einer Zweit­ehe anerkannten.

Der Arti­kel der Civil­tà  Cat­to­li­ca ver­stärkt den Ein­druck, daß es im Umfeld von Papst Fran­zis­kus eine stra­te­gi­sche Pla­nung zum The­ma gibt, die jene „Öff­nung“ für wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ne för­dert, deren Wort­füh­rer nach außen Kar­di­nal Wal­ter Kas­per ist.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Mar­kus­lö­we (Mar­co Boschi­ni: Kar­te von Kre­ta, 1651)/Konzil von Trient

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