(Rom) Die Bischofssynode tagt in Rom und die Fronten klären sich. Die deutschen Synodalen lassen keinen Zweifel, daß sie die Unauflöslichkeit der Ehe kippen wollen. Daß sie ihre Forderung in salbungsvolle Worte kleiden, ändert an der Absicht nichts. Die mit vatikanischer Druckerlaubnis erscheinende Jesuitenzeitschrift Civiltà Cattolica eilte mit dem Aufsatz eines „jesuitischen Winkeladvokaten“ Kasper zu Hilfe. Der bekannte Historiker Roberto de Mattei verfaßte eine spitze Antwort auf die „venezianische Zweitehe“ von Pater Giancarlo Pani.
Papst Franziskus äußerte sich noch nicht zur Frage der Kommunionzulassung wiederverheiratet Geschiedener. Eine Reihe von Signalen weist jedoch daraufhin, daß er Kaspers These, des Wortführers der „Liberalen“ wohlwollend unterstützt. Ohne seine Zustimmung hätte Kasper keine privilegierte Stellung beim Kardinalskonsistorium gehabt, wären die maßgeblichen Positionen in der Bischofssynode nicht strategisch zugunsten Kaspers besetzt worden, würde die Jesuitenzeitschrift Civiltà Cattolica, mit Druckerlaubnis des von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin geleiteten Staatssekretariats Kasper nicht zu Hilfe eilen.
Der Papst tätigte allerdings auch einige persönliche Aussagen: Er lobte gleich beim ersten Angelus nach seiner Wahl Kardinal Kasper und dessen Buch über die Barmherzigkeit, das im Wesentlichen als Grundlage für seine Forderung nach einem Primat der Praxis vor der Lehre gilt. Er dankte Kasper überschwenglich im Konsistorium, als andere Kardinäle Empörung äußerten und lobte Kaspers These als „Theologie auf den Knien“.
Führende Theologen und Kirchenrechtler sehen in Kaspers These hingegen eine Häresie oder eine These, die der Häresie sehr nahe kommt, wie der bekannte Historiker Roberto de Mattei aufzeigt. In der Tageszeitung Il Foglio veröffentlichte er am 7. Oktober eine spitze Antwort auf den Vorstoß der „Civiltà Cattolica“, in der Pater Giancarlo Pani am Vorabend der Bischofssynode im Gewand eines „jesuitischen Winkeladvokaten“ (Roberto de Mattei) Kasper zu Hilfe eilte. Die Zwischentitel stammen von der Redaktion.
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Die Abenteuer des Kirchenbanns, der die Kirche der Scheidung verhindert
von Roberto de Mattei
Der Riß in der überlieferten Moral hat keine geschichtlichen und theologischen Grundlagen. Die Jesuiten suchen die Wurzeln der Ostkirche, doch nicht einmal die griechische Scheidung taugt dafür.
Die Synode, die eröffnet wurde, wird nicht wegen ihrer Dokumente in die Geschichte eingehen, sondern wegen der Bedeutung, die dem Ereignis zugemessen wird: der eines „Risses“ in die überlieferte Moral, der in der Formel eines Vorrangs der pastoralen Praxis über die Lehre zusammengefaßt wird.
Die These wird von historischen und theologischen Beiträgen unterstützt, die vorsätzlich in die Irre führen, wie der Artikel des Jesuiten Giancarlo Pani, der am Vorabend der Synode in der Civiltà Cattolica mit dem Titel „Ehe und Zweitehe beim Konzil von Trient“ (Heft Nr. 2943 vom 4. Oktober 2014) erschienen ist. In diesem Aufsatz berichtet der Autor von „einem der innovativsten Dekrete des Konzils von Trient: dem über die Ehe, ‚Tametsi‘ genannt“, indem er behauptet, daß die Kirche, die die Lehre Luthers und der Reformatoren verurteilt, im siebten Canon des Dokuments „die Traditionen der Griechen unbeeinträchtigt läßt, die im konkreten Fall eine neue Ehe tolerieren“.
Die Konzilsväter hätten nämlich den Text abgemildert und es vermieden, ein Anathem gegen die Praxis in einigen venezianischen Kolonien zu erlassen, in denen bei Ehebruch die Möglichkeit einer Scheidung und erneuten Eheschließung nach dem vorherrschenden Brauch in der schismatischen griechischen Kirche geduldet wurde.
Irreführende Darstellung mit Druckerlaubnis des Staatssekretariats
Pater Pani, der diese Praxis rechtfertigt, schreibt, daß es auch dem Christen „passieren konnte, in der eigenen Ehe zu scheitern und zu einer neuen Liaison überzugehen; diese Sünde, wie jede Sünde, war nicht von der Barmherzigkeit Gottes ausgeschlossen, und die Kirche hatte und beanspruchte die Macht, ihn loszusprechen. Es handelt sich um die Anwendung der Barmherzigkeit und der pastoralen Nachsicht, die der Schwäche und der Sündhaftigkeit des Menschen Rechnung trägt. Eine solche Barmherzigkeit ist in der östlichen Tradition unter dem Namen der oikonomia erhalten geblieben: obwohl die Unauflöslichkeit der von Gott verkündeten Ehe, als Ikone des Bundes Christi mit seiner Kirche, seiner Braut anerkannt wird, kommt die pastorale Praxis den Problemen der Eheleute entgegen, die in nicht wieder gutzumachenden ehelichen Situationen leben. Nach einer Prüfung durch den Bischof und nach einer Buße, können die Gläubigen versöhnt und die neue Ehe für gültig erklärt werden und sie wieder zur Kommunion zugelassen werden.“
Das ist für Pater Pani die Lektion in Sachen Barmherzigkeit, die das Konzil von Trient erteilt. „Heute“, so schließt er, „scheint es merkwürdig, daß beim Konzil, auf dem die Unauflöslichkeit der Ehe bekräftigt wurde, nicht auch die neue Ehe für die Katholiken der östlichen Tradition verurteilt wurde. Und doch sagt das die Geschichte: ein Kapitel evangelischer Barmherzigkeit für jene Christen, die unter einer gescheiterten ehelichen Beziehung leiden, die man nicht wieder zusammenfügen kann; aber auch ein historisches Geschehnis, das offensichtlich ökumenische Implikationen hat.“
Was sagte das Konzil von Trient wirklich?
Wie lagen die Dinge aber wirklich? Das Konzil von Trient wurde bekanntlich einberufen, um auf den Protestantismus zu reagieren. Luther und Calvin hatten die Bedeutung der Sakramente der Kirche geleugnet oder entleert, darunter auch der Ehe. Das Konzil wollte daher feierlich, auch in diesem Punkt, die rechte Lehre betonen. Am 11. November 1563, der 24. Session, wurde ein Dekret [Matrimonii perpetuum] über das Ehesakrament öffentlich verkündet, das zwölf Canones umfaßt. Der Text des siebten Canon lautet wie folgt:
„Wenn jemand sagt, die Kirche irre, da sie lehrte und lehrt, daß (Mt 19, 6; 1 Kor 7, 10) nach der evangelischen und apostolischen Lehre, wegen Ehebruch des einen Ehegatten, das Band der Ehe nicht aufgelöst werden könne und daß Keiner von beiden, nicht einmal der Unschuldige, der nicht Ursache zum Ehebruch gab, eine andere eingehen könne, so lange der andere Ehegatte lebt und daß derjenige, welche eine Ehebrecherin entlassend, eine andere ehelicht und diejenige, welche den Ehebrecher entlassend, sich einem anderen ehelicht, Ehebruch begehe, der sei im Bann.“
Die Botschafter der Republik Venedig hatten von den Konzilsvätern erbeten und auch erhalten, daß der Canon zwar die Unauflöslichkeit der Ehe bekräftigt, es aber vermeidet, jene explizit zu exkommunizieren, die sagen, daß die Ehe wegen Ehebruchs des anderen Ehepartner aufgelöst werden kann.
Die Bitte entstand aus der Sorge um die griechischen Inseln, die der Seerepublik unterstanden, wo viele Christen dem östlichen Ritus folgten, obwohl sie durch die venezianische Herrschaft lateinischen Bischöfen unterstanden. Die Bedeutung dieses Canons in seiner Endfassung läßt aber dennoch keinen Zweifel. Er stellt eine dogmatische Definition der Unauflöslichkeit der Ehe dar.
Direkte Verurteilung der Protestanten, indirekte der Griechen
Der in jenem Augenblick zu bekämpfende Feind waren die Protestanten und nicht die Griechen, und das Konzil stellte die Behauptungen der Protestanten unter Bann, mit denen sie die der Ehe innewohnende Unauflöslichkeit leugneten. Der Umstand, daß die östliche Praxis nicht explizit verurteilt wurde, bedeutet in keiner Weise, wie aus dem Canon hervorgeht, daß damit deren Scheidung akzeptiert wurde. Der tridentinische Canon, der direkt nur die Protestanten bannte, weil sie die Kirche beschuldigten, zu irren, verurteilte indirekt ebenso jene, die sich auf der Verhaltensebene widersetzten.
In Trient glaubten die Konzilsväter zudem noch, daß die Griechen die Ehe nur im Fall eines Ehebruchs auflösten, während seit mehr als einem Jahrhundert diese Scheidungspraxis sich immer mehr ausweitete. Bereits vor dem Fall Konstantinopels (1453) gewährte die Patriarchalsynode die Scheidung für folgende Gründe: 1) eine ernste Krankheit eines der beiden Ehepartner; 2) völlige Unverträglichkeit des Charakters; 3) Abwesenheit eines Ehepartners für eine Zeit von drei Jahren, oder auch weniger; 4) Verbrechen eines Ehepartners, dessen Verurteilung eine große Schande bedeutet; 5) gegenseitiges Einvernehmen in besonderen, vom Patriarchen anerkannten Fällen aus Gründen, für die er allein ein Urteil beanspruchte.
Kirchenbann gegen protestantische Theorie und östliche Praxis
Die Ehe hatte daher ihren unauflöslichen Charakter verloren und konnte nach Belieben aufgelöst werden, wie es ja auch heute noch geschieht. Ein Großteil der von den Griechen praktizierten Fälle fiel daher direkt unter den Bann von Canon 5 des Konzils von Trient, der festlegt:
„Wenn jemand sagt, wegen Irrlehre oder beschwerlicher Beiwohnung oder vorgeschobener Abwesenheit des einen Ehegatten könne das Band der Ehe aufgelöst werden, der sei im Bann.“
Die übrigen Fälle fallen indirekt darunter.
Es ist daran zu erinnern, daß die griechische Praxis, die vielleicht vor dem tridentinischen Dekret entschuldigt werden konnte, nach dem Konzil als schwere Schuld betrachtet wurde, die durch zahlreiche Verlautbarungen der Kirche verurteilt wurde. 1593 erließ Papst Clemens VIII. (1592–1605) eine Instruktion über die italo-griechischen Riten, in der er ausdrücklich festlegte, daß die Bischöfe aus keinerlei Grund die Scheidung zu tolerieren hatten, und falls irgendeine bereits anerkannt war, hatte sie für null und nichtig erklärt zu werden.
Kirchliche Verlautbarungen und doppeltes Ehenichtigkeitsverfahren
Urban VIII. (1623–1644) verfaßte ein Glaubensbekenntnis, das allen Angehörigen der schismatischen griechischen Kirche abverlangt wurde, die in die katholische Kirche aufgenommen wurden. Dieses Dokument enthält eine Erklärung, in der es heißt, daß Ehebruch zwar eine Trennung rechtfertigen mag, aber absolut nicht eine neue Eheschließung erlaubt. Benedikt XIV. (1740–1758) wiederholt in seiner Instruktion für die Italo-Griechen (1742) Wort für Wort das Dekret von Clemens VIII. Gegen einen sich ausbreitenden Verfall der Sitten in puncto Ehe unter den Polen ordnete derselbe Benedikt XIV. mit dem Dekret Dei miseratione vom 3. November 1741 an, daß in jeder Diözese ein defensor vinculi zu ernennen war, dessen Aufgabe es ist, jeden Antrag auf Eheannullierung anzufechten. Sollte dennoch ein Eheannullierungsdekret gewährt werden, hat er beim übergeordneten Gericht Berufung dagegen einzulegen.
Dieser Grundsatz, daß eine Ehe erst dann annulliert ist, wenn zwei Gerichte zu diesem gleichen Urteil kommen, wurde im Codex Iuris Canonici von 1917 ebenso festgeschrieben, wie in der Apostolischen Konstitution Sacrae Disciplinae Leges vom 25. Januar 1983 von Johannes Paul II., wird aber heute von der Kasper-Partei in Frage gestellt.
Pater Pani behauptet Neuheit, die in Wirklichkeit längst abgehandelt ist – auch von Jesuiten
Der Verfasser des Artikels der Civiltà Cattolica ignoriert, daß gerade auch innerhalb der Gesellschaft Jesu Kirchenrechtler wie Pater Franz Xaver Wernz (1842–1914) und Pater Pedro Vidal (1867–1938) und Theologen wie Pater Giovanni Perrone (1794–1876) die Frage bereits behandelt haben, die er für neu hält, und den Beweis erbrachten, daß die Eheschließungen more graeco unter den Kirchenbann fallen.
Pater Perrone, einer der Hauptvertreter der Römischen Schule des 19. Jahrhunderts erklärte in seinem grundlegenden Werk über die Ehe in Abhandlung „de Graecorum more ac praxi“, daß der Irrtum der Griechen aus der Praxis kommt und nicht aus der Lehre, deshalb aber nicht weniger schwerwiegend ist und daß das Konzil von Trient eine im Widerspruch zur Lehre der Kirche stehende Praxis nullo modo tolerat imo nec tolerare potest, in keiner Weise duldet oder dulden kann (De matrimonio cristiano, Dessain, Leodii 1861, vol. III, pp. 359–361).
Der Standpunkt jener, die die Unauflöslichkeit der Ehe leugnen, ist formell häretisch. Der Standpunkt jener, die zwar die Unauflöslichkeit der Ehe in der Theorie anerkennen, aber in der Praxis ihre Auflösbarkeit zulassen, wird von Pater Perrone als „der Häresie nahe“ bezeichnet. Das ist das Urteil der zuverlässigsten Theologen und Kirchenrechtler, das über den Standpunkt von Kardinal Kasper und jene fällt, die ihn teilen.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Asianews