Doktrinelle Präambel versus Gnadenstreit 2.0


Bischof Bernard Fellay und Kardinal Gerhard Müller
Bischof Bernard Fellay und Kardinal Gerhard Müller

(Ber­lin) Am 23. Sep­tem­ber fand in Rom ein Tref­fen zwi­schen der Spit­ze der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on und der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. statt, dar­un­ter an erster Stel­le Ger­hard Kar­di­nal Mül­ler als Prä­fekt der Kon­gre­ga­ti­on und Bischof Ber­nard Fel­lay als Gene­ral­obe­rer der Pius­bru­der­schaft. Aus die­sem Anlaß ver­öf­fent­lich­te Cle­mens Vic­tor Olden­dorf bei Kath­news den Bei­trag „Dok­tri­nel­le Prä­am­bel ver­sus Gna­den­streit 2.0“.

Anzei­ge

Von der Redak­ti­on wur­den eigen­mäch­tig inhalt­li­che Zen­su­ren vor­ge­nom­men und nach­träg­lich mit angeb­lich „zu schar­fen“ und „zu wenig papst- und rom­treu­en For­mu­lie­run­gen“ begrün­det. Der Autor wünsch­te dar­auf­hin die Löschung des Auf­sat­zes, der als „Spe­ku­la­ti­on“ abqua­li­fi­ziert wor­den war.

Am 27. Sep­tem­ber kam Kath​news​.de die­ser Auf­for­de­rung nach und stell­te den Bei­trag offline. 

Katho​li​sches​.info ver­öf­fent­licht nun mit Zustim­mung des Autors den voll­stän­di­gen Bei­trag in unge­kürz­ter Originalfassung.

.

Doktrinelle Präambel versus Gnadenstreit 2.0

von Cle­mens Vic­tor Oldendorf.

Seit Anfang Sep­tem­ber dran­gen Infor­ma­tio­nen durch, am 21. Sep­tem­ber 2014 wer­de es zu einer Zusam­men­kunft zwi­schen dem Prä­fek­ten der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, Ger­hard Kar­di­nal Mül­ler, und dem Gene­ral­obe­ren der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius‘ X., Weih­bi­schof Ber­nard Fel­lay kom­men. Die Pro­gno­sen waren eher skep­tisch und ver­hal­ten, was ange­sichts ein­schlä­gi­ger Äuße­run­gen Mül­lers auch schon aus der Zeit, als er noch Bischof von Regens­burg war, kei­nes­wegs irra­tio­na­ler Pes­si­mis­mus zu sein schien. So erwar­te­te man bei­spiels­wei­se, Mül­ler wür­de von Fel­lay doch ver­lan­gen, die zuletzt vor­ge­leg­te Fas­sung der soge­nann­ten Dok­tri­nel­len Prä­am­bel ohne Wenn und Aber anzu­neh­men. Etwas, was Fel­lay gleich aus­ge­schlos­sen hat­te, nach­dem er 2012 völ­lig über­ra­schend mit die­ser Text­ver­si­on kon­fron­tiert wor­den war.

Meldung von Radio Vatikan

Vor eini­gen Stun­den nun erschien in der Inter­net­prä­senz von Radio Vati­kan die Mel­dung, dass die Begeg­nung nicht am Sonn­tag erfolgt sei, son­dern heu­te statt­ge­fun­den und zwei Stun­den gedau­ert habe (Link zur Mel­dung).

Die­ser Text erwähnt die Dok­tri­nel­le Prä­am­bel über­haupt nicht mehr. Ein Behar­ren auf der Annah­me ihrer letz­ten Fas­sung hät­te sich wohl auch als Blocka­de erwie­sen und sei­tens Roms das Schei­tern der Kon­tak­te sozu­sa­gen mut­wil­lig provoziert.

Unabgeschlossenes, theologisches Denken einst und jetzt

Liest man die heu­ti­ge Nach­richt von Radio Vati­kan, deu­tet sie wohl eher einen offe­ne­ren Modus viven­di an, der Par­al­le­len zur „Lösung“ im soge­nann­ten Gna­den­streit des 16. und des begin­nen­den 17. Jahr­hun­derts erken­nen lässt. Damals stan­den sich Theo­lo­gen des Jesui­ten- und des Domi­ni­ka­ner­or­dens über Fra­gen der Gna­den­leh­re, näm­lich über das rech­te Ver­hält­nis von gött­li­cher Gna­de und mensch­li­cher Mit­wir­kung im Pro­zess der Recht­fer­ti­gung, geg­ne­risch gegen­über und bezich­tig­ten sich gegen­sei­tig, Häre­ti­ker zu sein. 1607 bestimm­te Papst Paul V., dass jeder vor­läu­fig sei­ne theo­lo­gi­sche Posi­ti­on bei­be­hal­ten und auch Argu­men­te sam­meln dür­fe, um die Gegen­sei­te zu wider­le­gen, dass es aber ver­bo­ten sei, ein­an­der zu ver­ket­zern. Der Apo­sto­li­sche Stuhl wer­de, so hieß es damals, die Fra­ge inhalt­lich „dem­nächst“ ent­schei­den. Bis heu­te hat kein Papst die­se Fra­ge ent­schie­den. Eigent­lich ist das ein schö­nes Bei­spiel, dass das von Papst Fran­zis­kus schon mehr­fach gefor­der­te „unab­ge­schlos­se­ne, theo­lo­gi­sche Den­ken“ in der Kir­che schon lan­ge eine guteta­blier­te Tra­di­ti­on besitzt.

Gnadenstreit 2.0 schon 2009 als Gedankenspiel aufgetaucht

Soll­te es jetzt hier sozu­sa­gen zu einer Wie­der­ho­lung einer sol­chen, gleich­sam offe­nen Lösung kom­men, ist es reiz­voll, an ein inter­es­san­tes und kaum bekann­tes Detail aus dem Jah­re 2009 zu erin­nern. Damals, nach­dem Bene­dikt XVI. im Janu­ar gera­de das Exkom­mu­ni­ka­ti­ons­de­kret über die ursprüng­lich vier Weih­bi­schö­fe der Pius­bru­der­schaft zurück­ge­nom­men hat­te, fan­den die Prie­ster­wei­hen, die Fel­lay im Som­mer in Zaitz­kofen, auf dem Ter­ri­to­ri­um der Diö­ze­se Regens­burg, erteil­te, gestei­ger­tes Medieninteresse.

Zahl­reich waren bei der Zere­mo­nie Jour­na­li­sten diver­ser Zei­tun­gen, aus Funk und Fern­se­hen prä­sent und bela­ger­ten qua­si die Fei­er­lich­kei­ten mit Kame­ras und Mikro­pho­nen. Anschlie­ßend wur­den die Repor­ter zu einer Pres­se­kon­fe­renz ein­ge­la­den. Dabei durf­te jeder Medi­en­ver­tre­ter dem Bischof eine Fra­ge stel­len. Fast alle Fra­gen dreh­ten sich nur um die unsäg­li­chen Holo­caust­äu­ße­run­gen sei­nes Mit­bru­ders Richard Wil­liam­son. Aller­dings stell­te der für die Wie­ner Zei­tung anwe­sen­de Jour­na­list eine Fra­ge, die völ­lig aus die­sem Rah­men fiel.
Er the­ma­ti­sier­te näm­lich aus­ge­rech­net den hier gera­de skiz­zier­ten, histo­ri­schen Gna­den­streit und frag­te Fel­lay, ob nicht mög­li­cher­wei­se ein ana­lo­ges Ergeb­nis die beste Lösung für die lehr­mä­ßi­gen Dis­pu­ta­tio­nen über Vati­ca­num II zwi­schen Rom und der Bru­der­schaft sein kön­ne. Nach einer anfäng­li­chen Über­ra­schung, nicht über Gas­kam­mern oder Wil­liam­son befragt zu wer­den, bezeich­ne­te der Gene­ral­obe­re damals die­se Über­le­gung sinn­ge­mäß als sehr klug und inter­es­sant und bestä­tig­te, dass eine sol­che Lösung tat­säch­lich denk­bar sein könne.

Ein­lei­tung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: FSSPX/​Wikicommons

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!