„Die Kirche ist ein Schlachtfeld“ – Auf dem Weg zur Synode 2015


Trojanisches Pferd
Wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ne als Tro­ja­ni­sches Pferd in der Katho­li­schen Kirche

von Rober­to de Mattei*

Anzei­ge

„Das Dra­ma geht wei­ter!“ erklär­te Rein­hard Kar­di­nal Marx, Erz­bi­schof von Mün­chen-Frei­sing in einem Inter­view (La Repubbli­ca, 20. Okto­ber 2014). Das Dra­ma ist das der Bischofs­syn­ode, die in der Aula einen uner­war­te­ten Pau­ken­schlag erleb­te. Die am 13. Okto­ber vor­ge­leg­te Rela­tio post dis­cep­t­atio­nem, erhielt trotz Über­ar­bei­tun­gen zu den zen­tra­len Knack­punk­ten nicht die erwar­te­te Zwei­drit­tel­mehr­heit: die Zulas­sung der wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen zur Kom­mu­ni­on und die Öff­nung gegen­über homo­se­xu­el­len Part­ner­schaf­ten. Für den ersten Punkt stimm­ten 104 Syn­oda­len dafür, dage­gen 74. Zum zwei­ten Punkt gab es 118 pla­cet und 62 non pla­cet. Trotz des offen­sicht­li­chen Débà¢cle zeig­te sich Kar­di­nal Marx, einer der eif­rig­sten Ver­tre­ter des pro­gres­si­sti­schen Flü­gels zufrie­den, weil der revo­lu­tio­nä­re Pro­zeß aus ver­schie­de­nen Etap­pen besteht. Zu eini­gen The­men, erklär­te er, „haben wir zwei Schrit­te vor­wärts und dann einen Schritt zurück gemacht“. Der Schritt zurück wur­de durch einen Wider­stand der Syn­oden­vä­ter erzwun­gen, der stär­ker als erwar­tet war. Um die Trag­wei­te des Ereig­nis­ses zu ver­ste­hen, emp­fiehlt es sich, das Zwei­te Vati­ka­ni­schen Kon­zil in Erin­ne­rung zu rufen: trotz der erbit­ter­ten Debat­te in der Aula wur­den die umstrit­ten­sten Doku­men­te, wie Dignita­tis Hum­a­nae und Nost­ra Aet­a­te mit 2.308 gegen 70 das erste und mit 2.221 gegen 88 das zwei­te Doku­ment ange­nom­men. Wenn man ange­sichts des dama­li­gen Ergeb­nis­ses von einem Mehr­heits­kon­sens sprach, dann ist heu­te die Spal­tung offensichtlich.

Die Kirche ist ein Schlachtfeld – Trojanisches Pferd wiederverheiratet Geschiedene

Die Kir­che ist heu­te ein Schlacht­feld, wie sie es schon vie­le Male war von Nicäa bis zum Zwei­ten Vati­ca­num, und nie prall­ten dabei Kon­ser­va­ti­ve und Pro­gres­si­sten zusam­men, son­dern immer Katho­li­ken, die nicht ein Iota des gött­li­chen Depo­si­tum anrüh­ren wol­len, und jene, die die­sem Depo­si­tum etwas Neu­es hin­zu­fü­gen wol­len. Der Satz von Papst Fran­zis­kus, Gott habe „kei­ne Angst vor dem Neu­en!“, ist in einem ganz ande­ren Sinn zu ver­ste­hen, als dem, den ihm der Papst zuge­schrie­ben hat. Rich­tig ver­stan­den kann er nur bedeu­ten, daß Gott die Nova­to­res nicht fürch­tet, son­dern deren Werk zer­stört und die Auf­ga­be, sie zu besie­gen den Ver­tei­di­gern des unver­än­der­li­chen Lehr­am­tes der Kir­che überträgt.

Im Bereich von Glau­ben und Moral führt jede Aus­nah­me eine neue Regel ein, und jede neue Regel öff­net den Weg zu einem nor­ma­ti­ven System, das das vor­he­ri­ge umstürzt. Das Neue hat eine revo­lu­tio­nä­re Trag­wei­te, die bereits im embryo­na­len Sta­di­um zu erken­nen ist. Kar­di­nal Geor­ge Pell bezeich­ne­te in einem Fern­seh­in­ter­view für Catho­lic News Ser­vice die For­de­rung der Kom­mu­ni­on für wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ne als Tro­ja­ni­sches Pferd, das den Weg zur Aner­ken­nung der homo­se­xu­el­len Part­ner­schaf­ten öff­net. Die Zahl der wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen, die um die Zulas­sung zur Kom­mu­ni­on bit­ten, ist irrele­vant. Hier steht ganz ande­res auf dem Spiel: die Aner­ken­nung der Homo­se­xua­li­tät durch die Kir­che, die nicht mehr als Sün­de oder objek­tiv unge­ord­ne­te Nei­gung ver­stan­den wird, son­dern als posi­ti­ve „Span­nung“ zum Guten, die der pasto­ra­len Annah­me und des recht­li­chen Schut­zes wür­dig ist.

Anerkennung der Homosexualität: Marx und Schönborn forderten, Forte erfüllte sofort den Wunsch

Papst Franziskus bei der Bischofssynode
Papst Fran­zis­kus bei der Bischofssynode

Die Kar­di­nä­le Marx und Schön­born waren in die­ser Sache ganz klar und der Son­der­se­kre­tär der Syn­ode, Msgr. Bru­no For­te, Zög­ling der häre­ti­schen Tübin­ger Schu­le erfüll­te die Desi­de­ra­ta als Autor der anstö­ßig­sten Tei­le des Zwi­schen­be­richts. Die brei­te Mehr­heit der Syn­oden­vä­ter lehn­te die skan­da­lö­sen Para­gra­phen ab, aber was die Leh­re nicht erlaubt, wird in Erwar­tung, daß die näch­ste Syn­ode sie zulas­sen wer­de, in der Pra­xis ein­fach erlaubt. Für vie­le Lai­en, Prie­ster und Bischö­fe kann Homo­se­xua­li­tät prak­ti­ziert, wenn auch nicht offi­zi­ell aner­kannt wer­den, weil sie für sie kei­ne schwe­re Sün­de ist. Damit ver­bun­den ist die Fra­ge des außer­ehe­li­chen Zusam­men­le­bens. Wenn die Sexua­li­tät außer­halb der Ehe kei­ne schwe­re Sün­de mehr, son­dern – sofern sta­bil und ehr­lich – ein posi­ti­ver Wert ist, dann ver­dient sie vom Prie­ster geseg­net und vom Staat lega­li­siert zu wer­den. Und wenn sie ein Wert ist, dann ist sie auch ein Recht und wenn es ein Recht auf Sexua­li­tät gibt, dann ist der Schritt von der Aner­ken­nung des Zusam­men­le­bens Geschie­de­ner zur Aner­ken­nung der Homo-Ehe unvermeidlich.

Augustinus: „Schandtaten wider die Natur immer zu verabscheuen und zu bestrafen“

Das Lehr­amt der Kir­che, das sich im Lauf von zwei­tau­send Jah­ren nie geän­dert hat, lehrt dage­gen, daß die prak­ti­zier­te Homo­se­xua­li­tät als wider­na­tür­li­ches Laster zu betrach­ten ist, das nicht nur die ewi­ge Ver­damm­nis der Indi­vi­du­en zur Fol­ge hat, son­dern auch den mora­li­schen Ruin der Gesell­schaft. Die Wor­te des Hei­li­gen Augu­sti­nus in den Bekennt­nis­sen fas­sen das Den­ken der Väter zusam­men: „Dar­um sind Schand­ta­ten, die wider die Natur sind, immer und über­all zu ver­ab­scheu­en und zu bestra­fen als sol­che, die denen Sodoms gleich­kom­men. Begin­gen alle Völ­ker sol­che, so wür­den sie nach dem gött­li­chen Geset­ze der­sel­ben Stra­fe ver­fal­len, da sie nicht dazu geschaf­fen sind, um auf sol­che Wei­se Miß­brauch zu üben.“ (Con­fes­sio­nes, Buch III, Kapi­tel 8, Über­setz. Otto F. Lach­mann, Reclam 1888).

Die Hir­ten der Kir­che haben im Lauf der Jahr­hun­der­te die­se ewig­gül­ti­ge Leh­re auf­ge­nom­men und wei­ter­ge­ge­ben. Die christ­li­che Moral hat die Homo­se­xua­li­tät immer vor­be­halt­los ver­ur­teilt und fest­ge­legt, daß die­ses Laster auf kei­ne Wei­se von der Rechts­ord­nung lega­li­siert oder von der poli­ti­schen Macht geför­dert wer­den kann. Als 1994 das Euro­päi­sche Par­la­ment die erste Reso­lu­ti­on zugun­sten der homo­se­xu­el­len Pseu­do-Ehe beschloß, rief Johan­nes Paul II. in sei­ner Rede vom 20. Febru­ar 1994 in Erin­ne­rung, daß „die recht­li­che Aner­ken­nung der homo­se­xu­el­len Prak­tik mora­lisch unzu­läs­sig ist. (…) Mit der Reso­lu­ti­on des Euro­päi­schen Par­la­ments wird ver­langt, eine mora­li­sche Unord­nung zu legi­ti­mie­ren. Das Par­la­ment hat unrecht­mä­ßig abwei­chen­den, nicht dem Plan Got­tes ent­spre­chen­den Ver­hal­tens­wei­sen einen insti­tu­tio­nel­len Wert zuer­kannt. (…) Das Wort Chri­sti ver­ges­send – ‚Die Wahr­heit wird euch frei machen“ (Joh 8,32) – hat man ver­sucht den Ein­woh­nern unse­res Kon­ti­nents das mora­li­sche Übel, die Abir­rung, eine Form der Skla­ve­rei als Weg der Befrei­ung auf­zu­zei­gen, indem man selbst das Wesen der Fami­lie ver­fälscht hat.“

Am 28. Juli 2013 hat sich erstmals im Lehrgebäude ein Riß aufgetan

Papst Franziskus Rückflug von Rio
Papst Fran­zis­kus auf dem Rück­flug von Rio

Am 28. Juli 2013 hat sich ein Riß in die­sem Lehr­ge­bäu­de auf­ge­tan, als Papst Fran­zis­kus auf dem Rück­flug von Bra­si­li­en die explo­si­ven Wor­te sag­te: „Wer bin ich, um zu urtei­len!“, die seit­her dazu gebraucht wer­den, um jede Form von Über­schrei­tun­gen zu recht­fer­ti­gen. Das Urteil mit der dar­aus fol­gen­den Defi­ni­ti­on der Wahr­heit und der Ver­ur­tei­lung der Irr­tü­mer, steht sogar par excel­lan­ce dem Stell­ver­tre­ter Chri­sti zu, dem ober­sten Hüter und Rich­ter des Glau­bens und der Moral. Unter Beru­fung auf die Wor­te von Fran­zis­kus haben eini­ge Bischö­fe und Kar­di­nä­le inner­halb und außer­halb der Syn­ode­nau­la die For­de­rung zum Aus­druck gebracht, die posi­ti­ven Aspek­te wider­na­tür­li­cher Bezie­hun­gen aufzugreifen.

Wenn aber eine der schlimm­sten Sün­den auf­hört eine sol­che zu sein, dann wird dadurch auto­ma­tisch das Ver­ständ­nis von Sün­de über­haupt ange­grif­fen und lebt das luthe­ri­sche Ver­ständ­nis von Barm­her­zig­keit wie­der auf, das vom Kon­zil von Tri­ent in Bann gestellt wur­de. In den am 13. Janu­ar 1547 beschlos­se­nen Cano­nes über die Recht­fer­ti­gung heißt es: „Wenn jemand sagt, der recht­fer­ti­gen­de Glau­ben sei nichts ande­res, als eine Zuver­sicht auf die gött­li­che Barm­her­zig­keit“ (Canon 12); „Wenn jemand sagt, Jesus Chri­stus sei den Men­schen von Gott nur als ein Erlö­ser, dem sie glau­ben und (Is 33,2; Mt 6) nicht auch als ein Geset­ze­ber, dem sie gehor­chen sol­len (Canon 21); „Wenn jemand sagt, es gebe (1 Kor 6,10) kei­ne schwe­re Sün­de, als die der Ungläu­big­keit“ (Canon 27), „der sei im Bann“.

Kein spielerisches Spektakel, sondern harter Kampf, in den Himmel und Erde verwickelt sind

Es geht um theo­lo­gi­sche The­men, die eine gesell­schaft­li­che und sozia­le Rück­wir­kung haben. Auch Lai­en haben das Recht und die Pflicht, sich damit aus­ein­an­der­zu­set­zen, wäh­rend sich nicht nur die Syn­ode von 2015 nähert, son­dern auch das Jahr 2017, in dem sich zum 500. Mal die Revo­lu­ti­on Luthers jährt, aber auch zum 100. Mal die Erschei­nun­gen von Fati­ma. Das, was in der Kir­che im Gan­ge ist, ist nicht ein spie­le­ri­sches Spek­ta­kel, wie Kar­di­nal Marx weis­ma­chen möch­te, son­dern ein har­ter Kon­flikt, der Him­mel und Erde mit­ein­schließt. Die letz­ten Akte wer­den dra­ma­tisch, der Epi­log aber wird mit Sicher­heit sieg­reich sein laut der gött­li­chen Ver­hei­ßung, die von der Got­tes­mut­ter in 1917 in der Cova da Iria bestä­tigt wur­de. Möge die Unbe­fleck­te Jung­frau sich her­ab­las­sen und beharr­li­che Rein­heit der Gedan­ken und des Han­delns all jenen gewäh­ren, die im Eifer des Gefechts mit Mut die Inte­gri­tät des katho­li­schen Glau­bens verteidigen.

*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Schriftleiter der Monatszeitschrift Radici Cristiane und der Online-Nachrichtenagentur Corrispondenza Romana, von 2003 bis 2011 stellvertretender Vorsitzender des Nationalen Forschungsrats von Italien, von 2002 bis 2006 außenpolitischer Berater der italienischen Regierung, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt erschienen: Vicario di Cristo. Il primato di Pietro tra normalità  ed eccezione (Stellvertreter Christi. Der Primat des Petrus zwischen Normalität und Ausnahme), Fede e Cultura, Verona 2013; in deutscher Übersetzung sind zuletzt erschienen: Das Zweite Vatikanische Konzil – eine bislang ungeschriebene Geschichte, Edition Kirchliche Umschau, Ruppichteroth 2011; Die Türkei in Europa – Gewinn oder Katastrophe?, Resch Verlag, Gräfelfing 2010; Plinio Corràªa de Oliveira – Der Kreuzritter des 20. Jahrhunderts, mit einem Vorwort von Alfons Maria Kardinal Stickler SDB, Österreichische Gesellschaft zum Schutz von Tradition, Familie und Privateigentum, Wien 2004

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: ACIPrensa

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