Die Kirche besitzt eine geistliche und eine sichtbare Wirklichkeit


GeneralaudienzLie­be Brü­der und Schwestern,
guten Tag!

Anzei­ge

In den vor­an­ge­gan­ge­nen Kate­che­sen hat­ten wir Gele­gen­heit her­vor­zu­he­ben, dass die Kir­che eine geist­li­che Natur hat: Sie ist der Leib Chri­sti, erbaut im Hei­li­gen Geist. Wenn wir über die Kir­che spre­chen, dann gehen die Gedan­ken jedoch unmit­tel­bar zu unse­ren Gemein­schaf­ten, zu unse­ren Pfar­rei­en, zu unse­ren Diö­ze­sen, zu den Struk­tu­ren, in denen wir uns gewöhn­lich ver­sam­meln, und natür­lich auch zu den mehr insti­tu­tio­nel­len Tei­len und Per­sön­lich­kei­ten, die sie tra­gen, die sie lei­ten. Das ist die sicht­ba­re Wirk­lich­keit der Kir­che. Wir müs­sen uns also fra­gen: Han­delt es sich um zwei ver­schie­de­ne Din­ge oder um die eine Kir­che? Und wenn es stets die eine Kir­che ist, wie kön­nen wir dann die Bezie­hung zwi­schen ihrer sicht­ba­ren und der geist­li­chen Wirk­lich­keit verstehen?

Wenn wir von der sicht­ba­ren Wirk­lich­keit der Kir­che spre­chen, dann dür­fen wir zunächst ein­mal nicht nur an den Papst, an die Bischö­fe, an die Prie­ster, an die Ordens­frau­en und an alle geweih­ten Per­so­nen den­ken. Die sicht­ba­re Wirk­lich­keit der Kir­che besteht aus den vie­len getauf­ten Brü­dern und Schwe­stern, die in der Welt glau­ben, hof­fen und lie­ben. Oft aber hören wir, dass gesagt wird: „Aber die Kir­che tut dies nicht, die Kir­che tut das nicht…“ – „Aber sag mir, wer ist die Kir­che?“ – „Es sind die Prie­ster, die Bischö­fe, der Papst…“ – Die Kir­che sind wir alle! Wir alle, die Getauf­ten, sind die Kir­che, die Kir­che Jesu. Alle, die Jesus, dem Herrn, nach­fol­gen und die in sei­nem Namen den Gering­sten und den Lei­den­den nahe sind und die ver­su­chen, etwas Erleich­te­rung, Trost und Frie­den zu spen­den. Alle, die das tun, was der Herr uns gebo­ten hat, sind die Kir­che. Wir ver­ste­hen daher, dass auch die sicht­ba­re Wirk­lich­keit der Kir­che nicht mess­bar, nicht in ihrer gan­zen Fül­le erkenn­bar ist: Wie soll man all das Gute erken­nen, das getan wird? Vie­le Lie­bes­wer­ke, viel Treue in den Fami­li­en, viel Arbeit, um die Kin­der zu erzie­hen, um den Glau­ben wei­ter­zu­ge­ben, viel Lei­den bei den Kran­ken, die ihr Lei­den dem Herrn dar­brin­gen… Aber das lässt sich nicht mes­sen, und es ist so groß! Wie soll man all die Wun­der erken­nen, die Chri­stus durch uns im Her­zen und im Leben eines jeden Men­schen wir­ken kann? Ihr seht: Auch die sicht­ba­re Wirk­lich­keit der Kir­che ent­zieht sich unse­rer Kon­trol­le, geht über unse­re Kräf­te hin­aus und ist eine geheim­nis­vol­le Wirk­lich­keit, weil sie von Gott kommt.

Um die Bezie­hung in der Kir­che zu ver­ste­hen, die Bezie­hung zwi­schen ihrer sicht­ba­ren und geist­li­chen Wirk­lich­keit, gibt es kei­nen ande­ren Weg als auf Chri­stus zu schau­en, des­sen Leib die Kir­che ist und von dem sie ins Leben geru­fen wird, in einem Akt unend­li­cher Lie­be. Denn auch in Chri­stus erken­nen wir kraft des Geheim­nis­ses der Mensch­wer­dung eine mensch­li­che Natur und eine gött­li­che Natur, die in der­sel­ben Per­son auf wun­der­ba­re und untrenn­ba­re Wei­se ver­eint sind. Das gilt ana­log auch für die Kir­che. Und wie in Chri­stus die mensch­li­che Natur die gött­li­che in gan­zer Fül­le unter­stützt und ihr dient, zur Erfül­lung des Heils, so gilt dies auch in der Kir­che für ihre sicht­ba­re Wirk­lich­keit gegen­über der geist­li­chen Natur. Auch die Kir­che ist also ein Geheim­nis, in dem das, was man nicht sieht, wich­ti­ger ist als das, was man sieht, und das nur mit den Augen des Glau­bens erkannt wer­den kann (vgl. Dog­ma­ti­sche Kon­sti­tu­ti­on über die Kir­che Lumen gen­ti­um, 8).

Bei der Kir­che müs­sen wir uns jedoch fra­gen: Wie kann die sicht­ba­re Wirk­lich­keit sich in den Dienst der geist­li­chen Wirk­lich­keit stel­len? Auch das kön­nen wir wie­der­um ver­ste­hen, indem wir auf Chri­stus schau­en. Chri­stus ist das Vor­bild der Kir­che, denn die Kir­che ist sein Leib. Er ist das Vor­bild aller Chri­sten, unser aller Vor­bild. Wenn man auf Chri­stus schaut, irrt man nicht. Im Evan­ge­li­um nach Lukas wird berich­tet, dass Jesus nach Naza­ret zurück­kehr­te, wo er auf­ge­wach­sen war, und in die Syn­ago­ge ging. Dort las er den Abschnitt des Pro­phe­ten Jesa­ja – und bezog ihn auf sich selbst –, in dem es heißt: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nach­richt brin­ge; damit ich den Gefan­ge­nen die Ent­las­sung ver­kün­de und den Blin­den das Augen­licht; damit ich die Zer­schla­ge­nen in Frei­heit set­ze und ein Gna­den­jahr des Herrn aus­ru­fe“ (4,18–19). So ist es: Wie Chri­stus sich sei­ner Mensch­heit bedient hat – denn er war auch Mensch –, um den gött­li­chen Plan der Erlö­sung und des Heils umzu­set­zen – denn er war Gott –, so muss es auch für die Kir­che sein. Durch ihre sicht­ba­re Wirk­lich­keit, durch alles, was man sieht, die Sakra­men­te und unser aller Zeug­nis, das Zeug­nis aller Chri­sten, ist die Kir­che jeden Tag auf­ge­ru­fen, jedem Men­schen nahe zu sein, ange­fan­gen bei jenen, die arm sind, die lei­den und die aus­ge­grenzt sind, um auch wei­ter­hin alle den mit­leids­vol­len und barm­her­zi­gen Blick Jesu spü­ren zu lassen.

Lie­be Brü­der und Schwe­stern, oft machen wir als Kir­che die Erfah­rung unse­rer Schwä­che und unse­rer Gren­zen. Wir alle haben sie. Wir alle sind Sün­der. Nie­mand von uns allen kann sagen: „Ich bin kein Sün­der.“ Wenn aber jemand von uns sich nicht als Sün­der fühlt, hebe er die Hand. Wir alle sind es. Und die­se Schwä­che, die­se Gren­zen, unse­re Sün­den müs­sen in uns ein tie­fes Bedau­ern her­vor­ru­fen, vor allem, wenn wir ein schlech­tes Vor­bild sind und mer­ken, dass wir Grund des Ansto­ßes wer­den. Wie oft haben wir in unse­rem Umfeld gehört: „Aber der da geht immer in die Kir­che und spricht schlecht über alle…“ Das ist nicht christ­lich, das ist ein schlech­tes Bei­spiel: Es ist eine Sün­de. Und so geben wir ein schlech­tes Bei­spiel: „Was nun, wenn der oder die Christ ist, dann wer­de ich Athe­ist.“ Unser Zeug­nis besteht dar­in zu ver­mit­teln, was es bedeu­tet, Christ zu sein. Bit­ten wir dar­um, nicht Ursa­che dafür zu sein, dass jemand Anstoß nimmt. Bit­ten wir um das Geschenk des Glau­bens, damit wir ver­ste­hen kön­nen, dass der Herr uns trotz unse­rer Begrenzt­heit und unse­rer Armut wirk­lich zum Werk­zeug der Gna­de und zu einem sicht­ba­ren Zei­chen sei­ner Lie­be zur gan­zen Mensch­heit gemacht hat. Wir kön­nen Grund zum Anstoß wer­den, ja. Aber wir kön­nen auch Grund zum Zeug­nis wer­den, indem wir mit unse­rem Leben das sagen, was Jesus von uns will.

* * *

Einen herz­li­chen Gruß rich­te ich an die Pil­ger deut­scher Spra­che, beson­ders an die Gläu­bi­gen der Pfar­rei St. Cäci­lia in Bösel sowie an die Schü­le­rin­nen und Schü­ler des Gym­na­si­ums Höch­stadt an der Aisch und der Mari­sten­schu­le in Reck­ling­hau­sen. Wer­den wir nicht müde, den Herrn um die Gabe des Glau­bens zu bit­ten, damit wir trotz unser Schwach­heit und unse­rer Gren­zen Werk­zeug und sicht­ba­res Zei­chen sei­ner Lie­be zu den Men­schen sein kön­nen. Von Her­zen seg­ne ich euch alle.

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!