Damals galt es Heinrich VIII. zu widerstehen, heute dem Papst? – Roberto de Matteis vernichtende Kritik am Zwischenbericht der Synode


Gut und Böse
Gut und Böse

(Rom) In Rom beginnt eine neu­er Syn­oden­tag, an dem sich Kar­di­nal Kas­per als Eis­bre­cher für einen revo­lu­tio­nä­ren Angriff auf die katho­li­sche Leh­re und Pra­xis betä­tigt. Den Auf­takt dazu mach­te sei­ne Rede vor dem Kar­di­nals­kon­si­sto­ri­um im ver­gan­ge­nen Febru­ar. Damals trat ihm als erster ein Mann öffent­lich ent­ge­gen und unter­zog sei­ne Rede einer ver­nich­ten­den Kri­tik: der Histo­ri­ker Rober­to de Mat­tei. Heu­te geht er erneut an die Öffent­lich­keit und unter­zieht den von Kar­di­nal Peter Erdö unter­zeich­ne­ten Zwi­schen­be­richt der Syn­ode einer ver­nich­ten­den Kri­tik. Die Autoren des Berichts ver­tre­ten eine Hal­tung, so de Mat­tei, mit der sie die Glau­bens­wahr­heit zer­stö­ren. Der ver­stor­be­ne Rechts­phi­lo­soph Mario Pal­ma­ro schrieb im letz­ten Auf­satz vor sei­nem Tod, Kas­pers Rede sei aus dem Stoff, aus dem die wei­ßen Fah­nen der bedin­gungs­lo­sen Kapi­tu­la­ti­on gemacht sind. Der bedin­gungs­lo­sen Kapi­tu­la­ti­on vor dem Zeit­geist der Welt. Mit dem Zwi­schen­be­richt sei man inzwi­schen viel wei­ter, so de Mattei.
Der Auf­satz des Histo­ri­kers Rober­to de Mat­tei erscheint par­al­lel im Ori­gi­nal in der heu­ti­gen Tages­zei­tung Il Foglio und in deut­scher Über­set­zung auf Katho​li​sches​.info. Die Zwi­schen­ti­tel stam­men von der Redaktion.

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Sexuelle Revolution in die Kirche eingedrungen – Verständnis der Sünde gestrichen – Wissen um Gut und Böse abgeschafft

von Rober­to de Mattei

Das Ver­ständ­nis der Sün­de gestri­chen; das Wis­sen um Gut und Böse abge­schafft; das Natur­recht auf­ge­ho­ben; jeder posi­ti­ve Bezug auf Wer­te wie die Jung­fräu­lich­keit und die Keusch­heit archi­viert. Mit dem am 13. Okto­ber 2014 von Kar­di­nal Peter Erdö bei der Syn­ode über die Fami­lie vor­ge­leg­ten Bericht dringt die sexu­el­le Revo­lu­ti­on offi­zi­ell in die Kir­che ein, mit ver­hee­ren­den Fol­gen für die See­len und die Gesellschaft.

Die von Kar­di­nal Erdö redi­gier­te Rela­tio post dis­cep­t­atio­nem ist der zusam­men­fas­sen­de Bericht über die erste Woche der Syn­oden­ar­bei­ten und jener, nach dem sich die Schluß­fol­ge­run­gen aus­rich­ten. Der erste Teil des Doku­ments ver­sucht mit einer Spra­che des übel­sten 68er Jar­gons, den „anthro­po­lo­gisch-kul­tu­rel­len Wan­del“ der Gesell­schaft als „Her­aus­for­de­rung“ für die Kir­che auf­zu­drän­gen. Ange­sichts einer Zusam­men­schau, die von der afri­ka­ni­schen Poly­ga­mie und „Ehe in Stu­fen“ bis zur „Pra­xis des Zusam­men­le­bens“ der west­li­chen Gesell­schaft reicht, stellt der Bericht das Vor­han­den­sein „eines dif­fu­sen Wun­sches nach Fami­lie“ fest. Kein Ele­ment einer mora­li­schen Wer­tung fin­det sich. Der Bedro­hung des Indi­vi­dua­lis­mus und des indi­vi­dua­li­sti­schen Ego­is­mus stellt der Text den posi­ti­ven Aspekt von „Ver­hält­nis“ ent­ge­gen, das für sich als etwas Gutes betrach­tet wird, vor allem wenn es dazu neigt, sich in eine sta­bi­le Bezie­hung zu ver­wan­deln (Nr. 9–10). Die Kir­che ver­zich­tet dar­auf, Wert­ur­tei­le abzu­ge­ben, um sich dar­auf zu beschrän­ken, „ein Wort der Hoff­nung und des Sinns zu sagen“ (Nr. 11). Es bestä­tigt sich damit ein neu­es erstaun­li­ches Moral­prin­zip, das „Gesetz der Gra­dua­li­tät“, das es erlaubt, posi­ti­ve Ele­men­te in allen Situa­tio­nen wahr­zu­neh­men, die bis­her von der Kir­che als sünd­haft defi­niert wur­den. Das Böse und die Sün­de exi­stie­ren über­haupt nicht. Es exi­stie­ren nur „unvoll­kom­me­ne For­men des Guten“ (Nr. 18), laut einer Dok­trin der „Gra­de der Gemein­schaft“, die dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil zuge­schrie­ben wird. „Da daher eine geist­li­che Unter­schei­dung bezüg­lich des Zusam­men­le­bens und den stan­des­amt­li­chen Ehen und den wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen not­wen­dig ist, fällt es der Kir­che zu, jene über die sicht­ba­ren und sakra­men­ta­len Gren­zen hin­aus ver­streu­ten Samen des Wor­tes zu erken­nen“ (Nr. 29).

Wiederverheiratet Geschiedene als Vorwand, um 2000 Jahre Moral und Glauben aus den Angeln zu heben

Das Pro­blem der wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen ist der Vor­wand, um ein Prin­zip durch­zu­brin­gen, das zwei­tau­send Jah­re katho­li­sche Moral und katho­li­schen Glau­ben aus den Angeln hebt. Unter Ver­weis auf Gau­di­um et Spes „wen­det sich die Kir­che mit Respekt an jene, die an ihrem Leben auf unfer­ti­ge und unvoll­kom­me­ne Wei­se teil­neh­men, indem sie mehr die posi­ti­ven Wer­te schätzt, die sie in sich tra­gen, als die Schwä­chen und Män­gel“ (Nr. 20). Das bedeu­tet, daß jede Art von mora­li­scher Ver­ur­tei­lung weg­fällt, weil jed­we­de Sün­de eine unvoll­kom­me­ne Form des Guten dar­stellt und damit eine unfer­ti­ge Art, am Leben der Kir­che teil­zu­neh­men. „In die­sem Sinn besteht eine neue Dimen­si­on der heu­ti­gen Fami­li­en­pa­sto­ral im Begrei­fen der Rea­li­tät stan­des­amt­li­cher Ehen und, mit den not­wen­di­gen Unter­schie­den, auch des Zusam­men­le­bens“ (Nr. 22). Und das vor allem „wenn die Ver­bin­dung durch eine öffent­li­che Bin­dung eine beacht­li­che Sta­bi­li­tät erreicht und durch tie­fe Zunei­gung, Ver­ant­wor­tung gegen­über dem Nach­wuchs, und die Fähig­keit Prü­fun­gen stand­zu­hal­ten, gekenn­zeich­net ist“ (Nr. 22). Damit wird die Leh­re der Kir­che umge­stürzt, laut der die Festi­gung der Sün­de durch eine stan­des­amt­li­che Ehe­schlie­ßung eine grö­ße­re Sün­de dar­stellt, als die gele­gent­li­che und flüch­ti­ge sexu­el­le Ver­ei­ni­gung, weil Letz­te­re es leich­ter ermög­licht, wie­der auf den rech­ten Weg zurückzukehren.

„Mutige pastorale Entscheidungen“ meinen nicht den Mut, sich dem Bösen zu widersetzen

„Eine neue Sen­si­bi­li­tät in der heu­ti­gen Seel­sor­ge besteht dar­in, die posi­ti­ve Rea­li­tät der stan­des­amt­li­chen Ehen und, mit den nöti­gen Unter­schie­den, des Zusam­men­le­bens, auf­zu­grei­fen“ (Nr. 36). Die neue Pasto­ral gebie­tet also, über das Böse zu schwei­gen, auf die Bekeh­rung des Sün­ders zu ver­zich­ten und den Sta­tus quo als unum­kehr­bar zu akzep­tie­ren. Das ist das, was der Bericht „muti­ge pasto­ra­le Ent­schei­dun­gen“ (Nr. 40) nennt. Der Mut, wie es scheint, besteht nicht dar­in, sich dem Bösen zu wider­set­zen, son­dern dar­in, sich ihm anzu­pas­sen. Die Stel­len, die der Annah­me der homo­se­xu­el­len Per­so­nen gewid­met sind, sind jene, die am skan­da­lö­se­sten schei­nen, aber nur logi­sche Fol­ge­rich­tig­keit der bis­her dar­ge­leg­ten Grund­sät­ze sind. Auch der Mensch auf der Stra­ße ver­steht das: wenn es dem wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen erlaubt ist, die Sakra­men­te zu emp­fan­gen, ist alles erlaubt, ein­schließ­lich die homo­se­xu­el­le Pseudo-Ehe.

Homosexuelle Personen haben „der christlichen Gemeinschaft Gaben zu bieten“?

Noch nie, wirk­lich nie, betont Mar­co Poli­ti in der Tages­zei­tung Il Fat­to vom 14. Okto­ber, hat man in einem offi­zi­el­len, von der kirch­li­chen Hier­ar­chie pro­du­zier­ten Doku­ment einen sol­chen Satz gele­sen: „Die homo­se­xu­el­len Per­so­nen haben der christ­li­chen Gemein­schaft Gaben und Eigen­schaf­ten zu bie­ten.“ Gefolgt von einer Fra­ge an die Bischö­fe der gan­zen Welt: „sind wir imstan­de die­se Men­schen anzu­neh­men, indem wir ihnen einen Raum der Brü­der­lich­keit in unse­ren Gemein­schaf­ten sicher­stel­len?“ (Nr. 50). Obwohl die Ver­bin­dun­gen gleich­ge­schlecht­li­cher Per­so­nen nicht mit der Ehe zwi­schen Mann und Frau gleich­ge­stellt wer­den, bie­tet sich die Kir­che an, „rea­li­sti­sche Wege des affek­ti­ven Wachs­tums und der mensch­li­chen und evan­ge­li­schen Rei­fe unter Ein­schluß der sexu­el­len Dimen­si­on aus­zu­ar­bei­ten“ (Nr. 51). „Ohne die mit den homo­se­xu­el­len Bin­dun­gen zusam­men­hän­gen­den mora­li­schen Pro­blem­stel­lun­gen zu leug­nen nimmt man zur Kennt­nis, daß es Fäl­le gibt, in denen die gegen­sei­ti­ge Unter­stüt­zung bis zum Opfer eine kost­ba­re Hil­fe für das Leben der Part­ner ist“ (Nr. 52). Kein grund­sätz­li­cher Wider­spruch wird gegen die Kin­derad­op­ti­on durch homo­se­xu­el­le Paa­re erho­ben. Man beschränkt sich dar­auf, zu sagen, daß „die Kir­che beson­de­re Auf­merk­sam­keit für die Kin­der hat, die mit gleich­ge­schlecht­li­chen Paa­ren leben, indem sie betont, daß die Bedürf­nis­se und die Rech­te der Klei­nen immer an die erste Stel­le zu set­zen sind“ (Nr. 52). Auf der Pres­se­kon­fe­renz, bei der der Bericht vor­ge­stellt wur­de, ging Msgr. Bru­no For­te soweit, den Wunsch zu äußern nach einer „Kodi­fi­zie­rung der Rech­te, die Men­schen zu garan­tie­ren wären, die in homo­se­xu­el­len Ver­bin­dun­gen leben“.

68er Parolen statt Worte des Apostel Paulus

Die ver­nich­ten­den Wor­te des hei­li­gen Pau­lus, laut dem „weder Unzüch­ti­ge noch Göt­zen­die­ner, weder Ehe­bre­cher noch Lust­kna­ben, noch Kna­ben­schän­der, noch Die­be, noch Hab­gie­ri­ge, kei­ne Trin­ker, kei­ne Läste­rer, kei­ne Räu­ber das Reich Got­tes erben wer­den“ ( 1 Kor 6,9–10) ver­lie­ren für die Gauk­ler der neu­en pan­se­xu­el­len Moral die Bedeu­tung. Laut ihnen muß man die posi­ti­ve Rea­li­tät des­sen auf­grei­fen, was die Sün­de war, die zum Him­mel nach Rache schreit. (Kate­chis­mus des Hl. Pius X.). Die „Ver­bots­mo­ral“ ist durch die des Dia­logs und der Barm­her­zig­keit zu erset­zen, und der 68er Slo­gan „ver­bie­ten ver­bo­ten“ wird in die pasto­ra­le For­mel aktua­li­siert: „nichts darf ver­ur­teilt wer­den“. Es fal­len nicht nur zwei Gebo­te, das Sech­ste und das Neun­te, die unrei­ne Gedan­ken und Hand­lun­gen außer­halb der Ehe ver­bie­ten, es ver­schwin­det auch die Idee einer objek­ti­ven natür­li­chen und gött­li­chen Ord­nung, die im Deka­log zusam­men­ge­faßt ist. Es exi­stie­ren kei­ne in sich uner­laub­te Hand­lun­gen, kei­ne Wahr­hei­ten und mora­li­schen Wer­te, für die man bereit sein muß, auch das eige­ne Leben zu geben (Nr. 51 und Nr. 94), wie die Enzy­kli­ka Veri­ta­tis Sple­ndor defi­niert. Auf der Ankla­ge­bank sitzt nicht nur Veri­ta­tis Sple­ndor und die jüng­sten Stel­lung­nah­men der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on zur Sexu­al­mo­ral, son­dern auch das Kon­zil von Tri­ent, das dog­ma­tisch die Natur der sie­ben Sakra­men­te for­mu­lier­te, begin­nend mit der Eucha­ri­stie und der Ehe.

Der „Fragebogen“ an die Bischöfe und die „soziologische“ Manipulation

Alles beginnt im Okto­ber 2013 als Papst Fran­zis­kus, nach­dem er die Ein­be­ru­fung der bei­den Syn­oden über die Fami­lie, der ordent­li­chen und der außer­or­dent­li­chen ange­kün­digt hat­te, einen „Fra­ge­bo­gen“ an die Bischö­fe der gan­ze Welt ver­tei­len ließ. Der irre­füh­ren­de Ein­satz von Mei­nungs­um­fra­gen und Fra­ge­bö­gen ist bekannt. Die öffent­li­che Mei­nung glaubt, daß eine Sache rich­tig sein muß, wenn eine Mehr­heit der Men­schen das so sieht. Und die Umfra­gen schrei­ben der Mehr­heit die von den Kon­sens­ma­ni­pu­lie­rern bereits vor­ge­fer­tig­ten Mei­nun­gen zu. Der von Papst Fran­zis­kus gewoll­te Fra­ge­bo­gen behan­del­te die bren­nend­sten The­men von der Ver­hü­tung bis zur Kom­mu­ni­on für wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ne, von den wil­den Ehen bis zur Ehe unter Homo­se­xu­el­len mehr, um die Mei­nung zu len­ken, als Mei­nun­gen einzuholen.

Die erste Ant­wort, die ver­öf­fent­licht wur­de, war am 3. Febru­ar nicht zufäl­lig jene der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz mit der kla­ren Absicht, die Vor­be­rei­tung der Syn­ode zu beein­flus­sen und vor allem, um Kar­di­nal Kas­per die sozio­lo­gi­sche Grund­la­ge zu lie­fern, die er für sei­nen Bericht an das Kar­di­nals­kon­si­sto­ri­um brauch­te, mit dem ihn Papst Fran­zis­kus beauf­tragt hat­te. Was dar­aus her­vor­ging war die aus­drück­li­che Ableh­nung der „kirch­li­chen Aus­sa­gen zu vor­ehe­li­chem Geschlechts­ver­kehr, zur Homo­se­xua­li­tät, zu wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen und zur Gebur­ten­re­ge­lung“ durch die deut­schen Katho­li­ken (DBK-Ant­wort, S. 2). Und wei­ter: „Die Ant­wor­ten aus den Bis­tü­mern machen deut­lich, wie groß die Dif­fe­renz zwi­schen den Gläu­bi­gen und der offi­zi­el­len Leh­re vor allem hin­sicht­lich des vor­ehe­li­chen Zusam­men­le­bens, der wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen, der Emp­fäng­nis­re­ge­lung und der Homo­se­xua­li­tät ist“ (DBK-Ant­wort, S. 19). Die­se „Dif­fe­renz“ wur­de nicht als ein Sich-Ent­fer­nen der Katho­li­ken vom Lehr­amt der Kir­che dar­ge­stellt, son­dern als Unfä­hig­keit der Kir­che, den Lauf der Zeit zu ver­ste­hen und zu unter­stüt­zen. Kar­di­nal Kas­per bezeich­ne­te in sei­nem Bericht beim Kon­si­sto­ri­um am 20. Febru­ar die­se Dif­fe­renz als „Abgrund“, den die Kir­che auf­zu­fül­len habe, indem sie sich der Pra­xis der Sit­ten­lo­sig­keit anpaßt.

Papst will „transparente“ Diskussion“ hinter verschlossenen Türen?

Laut einem der Anhän­ger Kas­pers, dem Genue­ser Prie­ster Gio­van­ni Cere­ti, bekannt wegen einer ten­den­ziö­sen Stu­die über die Schei­dung in der Urkir­che, wur­de der Fra­ge­bo­gen von Papst Fran­zis­kus in Gang gebracht, um zu ver­hin­dern, daß die Debat­te „hin­ter ver­schlos­se­nen Türen“ statt­fin­de (Il Reg­no-Attua­li­tà  6/​2014, S. 158). Wenn es wahr sein soll­te, daß der Papst eine trans­pa­ren­te Dis­kus­si­on woll­te, dann ver­steht man nicht, war­um das außer­or­dent­li­che Kon­si­sto­ri­um im Febru­ar und nun die Syn­ode im Okto­ber hin­ter ver­schlos­se­nen Türen statt­fin­det. Der ein­zi­ge Text, von dem man dank der Tages­zei­tung Il Foglio Kennt­nis erhielt, war die Rede von Kar­di­nal Kas­per. Über die Arbei­ten selbst leg­te sich ein Man­tel des Schweigens.

Wer den Ablauf kontrolliert, kontrolliert die Meinung

In sei­nem Kon­zils­ta­ge­buch notier­te Pater Chenu am 10. Novem­ber 1962 fol­gen­den Satz von Don Giu­sep­pe Dos­set­ti, einem der Haupt­stra­te­gen der pro­gres­si­ven Front: „Die wirk­sam­ste Schlacht spielt sich über das Ver­fah­ren ab. Ich habe immer auf die­sem Weg gewon­nen.“ In Ver­samm­lun­gen liegt der Ent­schei­dungs­pro­zeß nicht in der Hand der Mehr­heit, son­dern in der Hand der Min­der­heit, die die Vor­ge­hens­wei­se kon­trol­liert. Die Demo­kra­tie exi­stiert in der poli­ti­schen Gesell­schaft nicht und erst recht nicht in der reli­giö­sen. Die Demo­kra­tie in der Kir­che, wie der Phi­lo­soph Mar­cel De Cor­te anmerk­te, ist kirch­li­cher Cäsa­ris­mus, das schlimm­ste aller Regime. Im lau­fen­den Syn­oden­ver­fah­ren wur­de die Exi­stenz die­ses kirch­li­chen Cäsa­ris­mus durch das drücken­de Kli­ma der Zen­sur bewie­sen, das bis heu­te auf ihm lastet.

Sogar weltliche Medien von explosiver Kraft des Berichts überrascht

Die auf­merk­sam­sten Vati­ka­ni­sten wie San­dro Magi­ster und Mar­co Tosat­ti haben dar­auf hin­ge­wie­sen, daß im Unter­schied zu den bis­he­ri­gen Syn­oden, die Wort­mel­dun­gen der Syn­oden­vä­ter unter ein Ver­öf­fent­li­chungs­ver­bot fal­len. Magi­ster erin­ner­te an die Unter­schei­dung, die Bene­dikt XVI. traf zwi­schen dem „wirk­li­chen“ Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil und dem „vir­tu­el­len“, das sich ihm über­stülp­te, und sprach von einer „Dop­pe­lung zwi­schen einer wirk­li­chen und einer vir­tu­el­len Syn­ode, letz­te­re von den Medi­en kon­stru­iert unter syste­ma­ti­scher Beto­nung der Din­ge, die dem Zeit­geist wich­tig sind“. Heu­te sind es aber die Tex­te der Syn­ode selbst, die sich mit zer­stö­re­ri­scher Macht Bahn bre­chen, und zwar ohne Ver­zer­rung durch die Medi­en, die sich viel­mehr selbst ganz über­rascht zeig­ten von der explo­si­ven Kraft der Rela­ti­on von Kar­di­nal Erdö.

Natür­lich besitzt die­ses Doku­ment kei­nen lehr­amt­li­chen Wert. Es ist auch erlaubt zu bezwei­feln, daß es tat­säch­lich das Den­ken der Syn­oden­vä­ter wider­spie­gelt. Die Rela­tio nimmt aber die Rela­tio Syn­odi vor­weg, das Schluß­do­ku­ment der Bischofsversammlung.

Widerstand heute größeres Gewissensdrama: damals galt es Heinrich VIII. zu widerstehen, heute dem Papst

Das wirk­li­che Pro­blem, das sich nun stel­len wird, ist das des Wider­stan­des, der vom Buch „In der Wahr­heit Chri­sti blei­ben“ der Kar­di­nä­le Brand­mül­ler, Bur­ke, Caf­farra, De Pao­lis und Mül­ler (Ech­ter Ver­lag, 2014) ange­kün­digt wur­de. Kar­di­nal Bur­ke bekräf­tig­te in sei­nem Inter­view mit Ales­san­dro Gnoc­chi (Il Foglio, 14. Okto­ber 2014), daß even­tu­el­le Ände­run­gen der Glau­bens­leh­re oder der Pra­xis der Kir­che durch den Papst inak­zep­ta­bel wären, „weil der Papst der Stell­ver­tre­ter Chri­sti auf Erden und daher der erste Die­ner der Glau­bens­wahr­heit ist. Die Leh­re Chri­sti ken­nend sehe ich nicht, wie man von die­ser Leh­re mit einer dok­tri­nel­len Erklä­rung oder einer pasto­ra­len Pra­xis abwei­chen könn­te, die die Wahr­heit übergehen“.

Die Bischö­fe und Kar­di­nä­le mehr noch als die ein­fa­chen Gläu­bi­gen befin­den sich vor einem schreck­li­chen Gewis­sens­dra­ma, das weit schwer­wie­gen­der ist, als jenes, in dem sich im 16. Jahr­hun­dert die eng­li­schen Mär­ty­rer befan­den. Damals ging es dar­um, der höch­sten welt­li­chen Auto­ri­tät unge­hor­sam zu sein, König Hein­rich VIII., der wegen einer Schei­dung die Kir­che von Eng­land ins Schis­ma mit der Kir­che von Rom führ­te. Heu­te aber muß sich der Wider­stand der höch­sten kirch­li­chen Auto­ri­tät wider­set­zen, soll­te sie von der immer gül­ti­gen Leh­re der Kir­che abwei­chen. Und wer zum Wider­stand geru­fen ist, das sind nicht unge­hor­sa­me Katho­li­ken oder sol­che, die im Wider­spruch zur Leh­re ste­hen, son­dern genau jene, die am stärk­sten die Insti­tu­ti­on des Papst­tums ver­eh­ren. Damals wur­den jene, die wider­stan­den, dem welt­li­chen Arm über­ge­ben, der sie ent­haup­ten oder vier­tei­len ließ. Der heu­ti­ge welt­li­che Arm wen­det die mora­li­sche Lynch­ju­stiz an durch psy­cho­lo­gi­schen Druck, der von den Mas­sen­me­di­en auf die öffent­li­che Mei­nung aus­ge­übt wird. Das Ergeb­nis ist häu­fig der psy­chi­sche und phy­si­sche Zusam­men­bruch des Opfers, eine Iden­ti­täts­kri­se, der Ver­lust der Beru­fung und des Glau­bens, außer man ist imstan­de, mit Hil­fe der Gna­de die heroi­sche Tugend der Stand­haf­tig­keit aus­zu­üben. Wider­ste­hen heißt in letz­ter Ana­ly­se, die voll­stän­di­ge Über­ein­stim­mung des eige­nen Lebens mit der unver­än­der­li­chen Wahr­heit Jesu Chri­sti zu bekräf­ti­gen, indem man die The­sen jener umstürzt, die die Ewig­keit des Wah­ren in der Flüch­tig­keit des Erleb­ten auf­lö­sen möchten.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Sün­den­fall, Six­ti­ni­sche Kapel­le, Michelangelo

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