Wann reden Merkel und Marx auf Kundgebung „Steh auf. Nie wieder Christenhaß“?


"Nie wieder Judenhass" - Bild-Zeitung im Juli 2014
„Nie wie­der Juden­hass“ – Bild-Zei­tung im Juli 2014

Gast­kom­men­tar von Andre­as Becker

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(Ber­lin) In Ber­lin fand am Sonn­tag unter dem Mot­to „Steh auf. Nie wie­der Juden­hass“ eine Kund­ge­bung des Zen­tral­rats der Juden gegen Anti­se­mi­tis­mus und für Isra­el statt. Neben etwa 6.000 Teil­neh­mern war viel gekom­men, was in Deutsch­land Rang und Namen hat, ein­schließ­lich Bun­des­kanz­le­rin Ange­la Mer­kel und der Vor­sit­zen­de der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz, Rein­hard Kar­di­nal Marx. Die Kund­ge­bung fand vor dem Bran­den­bur­ger Tor statt, vor dem auch bereits Sym­pa­thi­san­ten der Dschi­ha­di­sten die schwar­ze Fah­ne des „Kali­fats“ schwenkten.

Das Anlie­gen ist ver­ständ­lich. Daß der Zen­tral­rat der Juden eine sol­che Kund­ge­bung für Isra­el orga­ni­siert eben­so. Den­noch haben die Koor­di­na­ten Schön­heits­feh­ler. Die Posi­tio­nen des Vor­sit­zen­den des Zen­tral­rats, Die­ter Grau­mann sind nach­voll­zieh­bar und aus sei­ner Sicht selbst­ver­ständ­lich. Aller­dings ver­schwim­men die Gren­zen zwi­schen den Inter­es­sen Isra­els und den Inter­es­sen der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, daß eine Deckungs­gleich­heit behaup­tet und ent­spre­chen­des Han­deln von der bun­des­deut­schen Poli­tik ein­ge­for­dert wird. Eine For­de­rung der sich, wenn schon nicht die offi­zi­el­le Poli­tik, so zumin­dest der gesun­de Haus­ver­stand wider­setzt. Kri­tik an der Poli­tik Isra­els, stellt noch kei­nen „Angriff“ auf das Juden­tum per se und noch weni­ger auf die israe­li­ti­sche Kul­tus­ge­mein­de in Deutsch­land dar. Daß der Zen­tral­rat der Juden in Deutsch­land hier wenig dif­fe­ren­ziert, läßt sich erklä­ren. Frag­lich ist es den­noch. Mit Sicher­heit frag­lich ist aber, wenn gela­de­ne Nicht-Juden aus Poli­tik und Kir­chen nicht dif­fe­ren­zie­ren. Letzt­lich han­del­te es sich bei der Kund­ge­bung vom Sonn­tag um die Fort­set­zung einer Kam­pa­gne der Bild-Zei­tung von Ende Juli: Sel­bes Mot­to, sel­be Akteu­re. „Stim­me erhe­ben. Nie wie­der Juden­hass“. Mer­kel und Marx waren schon damals dabei.

Roß und Reiter werden nicht benannt

Ande­res erstaunt noch mehr: Es wird zwar ein zuneh­men­der „Juden­haß“ in Deutsch­land beklagt, aber die Ver­ur­sa­cher wer­den nicht beim Namen genannt. Es wird auf eine anti-israe­li­sche Demon­stra­ti­on in Gel­sen­kir­chen im ver­gan­ge­nen Juli ver­wie­sen, bei der Paro­len skan­diert wor­den sein sol­len, die jen­seits jeder Recht­fer­ti­gung sind. Siche­re Bele­ge für die oft zitier­ten Paro­len scheint es aller­dings nicht zu geben. Daß es sich bei den Demon­stran­ten in Gel­sen­kir­chen und ande­ren Orten um jun­ge Mos­lems han­del­te, die laut­stark „Alla­hu akbar“ in die Mikro­pho­ne rie­fen, wur­de in Ber­lin so kon­se­quent ver­schwie­gen, daß eine bewuß­te Abspra­che auf höch­ster Ebe­ne ange­nom­men wer­den muß. Auch die gro­ßen Medi­en hiel­ten sich dar­an. Inter­es­sier­te Krei­se bei­der Sei­ten ver­su­chen Euro­pa in den Nah­ost-Kon­flikt hin­ein­zu­zie­hen und haben aus dem israe­lisch-palä­sti­nen­si­schen Gegen­satz auch in Euro­pa einen „Glau­bens­krieg“ gemacht, in dem eine sach­li­che Dis­kus­si­on kaum mög­lich scheint. Die Demon­stra­ti­on in Gel­sen­kir­chen ist eben­so ein Bei­spiel dafür wie die Kund­ge­bung in Ber­lin. Aller­dings mit einer ein­deu­ti­gen Prä­fe­renz durch das deut­sche Establishment.

In Ber­lin wur­de von den Red­nern, auch Grau­mann, als Not­be­helf der unter­schwel­li­ge, letzt­lich aber unred­li­che Ein­druck erweckt, als bestehe eine Art naht­lo­ser Zusam­men­hang zwi­schen dem Anti­se­mi­tis­mus des Natio­nal­so­zia­lis­mus vor über 70 Jah­ren mit der heu­te auf Deutsch­lands Stra­ßen durch Mos­lems laut­wer­den­den, gegen den Staat Isra­el und sei­ne Palä­sti­nen­ser-Poli­tik gerich­te­ten Kri­tik. Ein tief­sit­zen­der Reflex? Der Ver­such, mit der Moral­keu­le Deutsch­land an der Sei­te Isra­els zu hal­ten? War der Anti­se­mi­tis­mus damals auto­chthon, ist die Kri­tik heu­te impor­tiert. Die Ein­wan­de­rer brin­gen ihre Ideo­lo­gien und ihre Pro­ble­me mit, was die offi­zi­el­le Poli­tik nicht hören und nicht wahr­ha­ben will, wie am Sonn­tag in Ber­lin anschau­lich unter Beweis gestellt wurde.

Einen direk­ten Zusam­men­hang gibt es bis auf mar­gi­nal­ste Über­schnei­dun­gen nicht. Des­halb soll­te die­ser Ein­druck auch nicht von offi­zi­el­ler Sei­te erweckt wer­den. Wenn es heu­te anti-israe­li­sche Kri­tik von deut­scher Sei­te gibt, dann vor allem von der extre­men Lin­ken und der noch weit klei­ne­ren extre­men Rech­ten. Man soll­te Roß und Rei­ter beim Namen nen­nen. Vom deut­schen Volk geht heu­te jeden­falls kei­ne Gefahr aus, weder für Juden noch für Isra­el. Abge­se­hen davon, erscheint auch jede Gleich­set­zung von israe­li­ti­scher Kul­tus­ge­mein­de in Deutsch­land und dem Staat Isra­el bedenk­lich. Die Fra­ge der geteil­ten Loya­li­tät müss­ten sich andern­falls nicht nur die Tür­ken gefal­len las­sen, son­dern auch die Juden.

Wann sagt Bundeskanzlerin Merkel: „Angriff auf Christen sind Angriffe auf uns alle“?

Einen unan­ge­neh­men Bei­geschmack hat­te zudem Ange­la Mer­kels Aus­sa­ge: „Angrif­fe auf Juden sind Angrif­fe auf uns alle“. Die Aus­sa­ge kann rich­tig ver­stan­den und gut­ge­hei­ßen wer­den. Aller­dings ver­mißt man bis­her eine ver­gleich­ba­re Aus­sa­ge Mer­kels für die Chri­sten. Bei den „Angrif­fen“ han­delt es sich um Kri­tik am Staat Isra­el und des­sen Poli­tik. Hät­te die Bun­des­kanz­le­rin nicht auch Grund, zu sagen: „Angrif­fe auf Chri­sten sind Angrif­fe auf uns alle“? Näm­lich die Angrif­fe gegen Chri­sten im Nahen Osten. Auch Isra­el liegt im Nahen Osten.

Es ehrt den Vor­sit­zen­den der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz, Rein­hard Kar­di­nal Marx, daß er nach Ber­lin ging, an der Kund­ge­bung teil­nahm und auch dort sprach. War­um wur­de Kar­di­nal Marx aber noch nicht in Ber­lin an der Spit­ze einer Kund­ge­bung für die ver­folg­ten Chri­sten gese­hen? Wäre eine sol­che nicht auch gebo­ten, viel­leicht sogar noch weit mehr als die Teil­nah­me an einer Kund­ge­bung für Israel?

Stolpert die politische Korrektheit über selbst errichtete Hürden?

War­um fällt es der deut­schen Poli­tik und den Kir­chen so leicht, kraft­vol­le Aus­sa­gen und Ver­tei­di­gungs­re­den für den Staat Isra­el zu fin­den, nicht aber für die akut und real weit mehr bedroh­ten Chri­sten des Nahen Ostens? War­um ver­mei­den sie es, die Isra­el-Kri­ti­ker auf Deutsch­lands Stra­ßen mit oder ohne anti­se­mi­ti­schem Zun­gen­schlag beim Namen zu nen­nen? Gelangt hier die poli­ti­sche Kor­rekt­heit an sich selbst aus­schlie­ßen­de Gren­zen? Einer­seits ver­langt sie pro-israe­lisch und phi­lo­se­mi­tisch zu sein, ande­rer­seits ver­langt sie eben­so mul­ti­kul­tu­ra­li­stisch und phi­lo­is­la­misch zu sein. Bun­des­kanz­le­rin Mer­kel sag­te, das jüdi­sche Leben gehö­re „unmiss­ver­ständ­lich zu Deutsch­land“ und sei Teil der deut­schen Kul­tur. Hat­te aber nicht bereits Bun­des­prä­si­dent Chri­sti­an Wulff gesagt: „Der Islam gehört zu Deutschland“?

Viel­leicht blei­ben des­halb die Urhe­ber unde­fi­niert, samt dem gewoll­ten oder unge­woll­ten, unter­schwel­li­gen Ein­druck als wür­de es sich dabei gar um ganz „nor­ma­le“ Deut­sche han­deln, denn eines ver­bie­tet die poli­ti­sche Kor­rekt­heit bekannt­lich nicht: anti­deutsch und anti­christ­lich zu sein.

Text: Andre­as Becker
Bild: Face­book Sei­te Kai Diekmann

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