(Rom) „Ende des Monats oder einem anderen noch festzulegenden Zeitpunkt“ sei ein Treffen zwischen dem Präfekten der Glaubenskongregation, Gerhard Kardinal Müller und dem Generaloberen der Priesterbruderschaft St. Pius X. (FSSPX), Bischof Bernard Fellay geplant.
Sollte sich die Nachricht bestätigen, wäre es das erste konkrete Gesprächszeichen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Piusbruderschaft seit die von Papst Benedikt XVI. angestoßenen Gespräche im Juni 2012 unerwartet in eine Sackgasse gerieten und im Februar 2013 endgültig auf Eis gelegt wurden.
Mit dem Abtritt von Benedikt XVI. und der Wahl von Papst Franziskus schienen die Beziehungen definitiv zerrüttet. Ganz anders im Frühjahr 2012. Damals sah es so aus, als hätten der Heilige Stuhl und die Piusbruderschaft eine einvernehmliche Verständigung erreicht. Mit der Sitzung der Glaubenskongregation im Mai jenes Jahres änderte sich die Situation dann grundlegend. Die kurialen Verhandlungspartner, mit denen die Piusbruderschaft zu tun hatte, haben offensichtlich nicht die Mehrheitsmeinung vertreten.
Im Juni 2012 war der Piusbruderschaft zu ihrer Verwunderung faktisch wieder derselbe Einigungsentwurf vom September 2011 vorgelegt worden, so als hätte es seither keine Gespräche, Textkorrekturen und Einigung gegeben. Benedikt XVI. bestätigte auf Nachfrage, daß einer der beiden für die Piusbruderschaft als inakzeptabel betrachteten Punkte von ihm selbst, der andere von der Vollversammlung der Glaubenskongregation stammte. Der Generalobere der Bruderschaft, Bischof Fellay erklärte darauf die Verhandlungen für beendet: „Wir sind an einem toten Punkt angelangt: Wir können nicht unterschreiben“. Eine genaue Chronologie der Ereignisse.
Amtsverzicht Benedikts XVI. ohne Entscheidung
Die im Juli 2012 erfolgte Ernennung von Bischof Gerhard Ludwig Müller trug nicht zu einer Verbesserung der Beziehungen bei. Die Abneigung zwischen dem Regensburger Bischof und der Bruderschaft beruht auf Gegenseitigkeit mit Vorgeschichte. Der neue Glaubenspräfekt betonte in den folgenden Monaten mehrfach seine Distanz zur FSSPX. Manche Beobachter sehen darin eine Schutzmaßnahme des „konservativen“ Kardinals vor noch heftigerer Kritik durch progressive Kirchenkreise. Traditionsverbundene Kreise stehen einer solchen Einschätzung skeptisch gegenüber.
Zu Jahresbeginn 2013 schien die Frage einer kanonischen Anerkennung der Piusbruderschaft endgültig vom Tisch, als der Glaubenspräfekt ein „Ultimatum“ für die Antwort auf die „doktrinelle Präambel“ stellte. Ein Ultimatum, das Benedikt XVI. noch kurz vor seinem Amtsverzicht aufhob, allerdings ohne eine Entscheidung zu treffen.
Papst Franziskus und die Frontalkritik Fellays
Mit der Wahl von Papst Franziskus genügten wenige Monate an päpstlichen Gesten und Erklärungen, die Bischof Fellay bewogen, im Oktober 2013 von einem „echten Modernisten“ auf dem Stuhl Petri zu sprechen, der „riskiert, die Katholische Kirche zu spalten“.
Im Mai 2014 hieß es dann plötzlich, Papst Franziskus und Bischof Fellay hätten sich im vatikanischen Gästehaus Santa Marta getroffen. Die Piusbruderschaft dementierte. Die „Begegnung“ sei zufällig gewesen und habe lediglich darin bestanden, daß man zur selben Zeit in unmittelbarer Nähe aneinander vorbeigegangen sei. In den vergangenen Monaten wurde es ruhiger, was Kritik am regierenden Papst anbelangt. Es sei derzeit alles gesagt, was zu sagen gewesen sei, hieß es aus dem Umfeld von Bischof Fellay.
Die Nachricht eines bevorstehenden Treffens mit dem Präfekten der Glaubenskongregation scheint konkreter zu sein. Was hat sich im Vatikan geändert? Wie wird sich die Piusbruderschaft verhalten? Fest zu stehen scheint, daß sie aufgrund der gemachten Erfahrung im Juni 2012 noch genauer und beharrlicher auf klare Zusagen pochen wird. Der Versuch einer strategischen Verständigungsformel, die manches klärt, anderes offen oder unerwähnt läßt, scheint ziemlich aussichtslos. Vor allem seit die Piusbruderschaft durch den Umgang des francisceischen Roms mit den Franziskanern der Immakulata vorgewarnt ist. Eine Anerkennung, die sie morgen schon der Gefahr einer kommissarischen Verwaltung aussetzt, scheint wenig attraktiv.
Nachricht authentisch?
Bekannt wurde das angeblich bevorstehende Treffen auf etwas ungwöhnliche Art und Weise, nämlich durch eine Internetseite des sogenannten „Widerstandes“ in und außerhalb der Piusbruderschaft. Dieser formierte sich nach dem Ausschluß von Bischof Richard Williamson. Demnach habe Pater Louis-Marie Carlhian FSSPX am 31. August in Fabrà¨gues im Languedoc das Treffen zwischen Kardinal Müller und Bischof Fellay für den 21. September angekündigt. Kurz darauf wurde das genaue Datum auf der Seite durch eine vagere Formulierung ersetzt.
[Update 17:00] Das Treffen zwischen Kardinal Müller und Bischof Fellay wurde inzwischen von Vatikansprecher Pater Federico Lombardi bestätigt. Darüber berichtete auch bereits Radio Vatikan. Kurioserweise wurde auf der Internetseite des vatikanischen Radiosenders die Nachricht der Kategorie „Ökumene“ zugewiesen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL