Wer erinnert sich nicht an die berühmte Stellungnahme von Papst Franziskus: „Wer bin ich, darüber zu urteilen?“ Raymond Kardinal Burke, Präfekt des Obersten Gerichtshofs der Apostolischen Signatur, gewährte kürzlich ein langes Interview, in dem er ein falsches Verständnis jener rhetorischen Frage korrigiert. Häufig wird das Zitat verwendet, um eine grundsätzlich positive Haltung der Kirche zu Themen wie praktizierter Homosexualität zu signalisieren – so auch vor einiger Zeit durch den Erzbischof von New York, Timothy Kardinal Dolan.
„Wir müssen über Handlungen urteilen, das müssen wir“, so Kardinal Burke im Interview mit Thomas McKenna von der Organisation Catholic Action, deren bischöflicher Berater neben Burke auch Erzbischof Salvatore Cordileone von San Francisco ist. „Jeden Tag fällen wir Urteile hinsichtlich bestimmter Handlungen. Das ist es, was das Naturrecht ist – das Gute zu wählen und das Böse zu vermeiden.“ Man könne Handlungen als schwer sündhaft beurteilen, aber nicht gleichzeitig sagen, dass eine bestimmte Person im Stand schwerer Sünde lebt. Es bestehe schließlich etwa die Möglichkeit, dass eine Person eine schwere Sünde begeht, ohne zu wissen, dass es sich um eine solche handelt.
Zum Thema Homosexualität sagte Kardinal Burke, er sei nicht intolerant gegenüber solchen Menschen: „Ich habe großes Mitgefühl für sie und speziell in unserer Gesellschaft heute, in der viele junge Leute zu gleichgeschlechtlicher [sexueller] Aktivität hingeführt werden, was in der Vergangenheit vielleicht nicht der Fall gewesen wäre, wegen einer vollkommenen Lockerung der Moral und einer Verderbnis.“ Großes Mitgefühl bedeute aber auch, dass „ich will, dass sie die Wahrheit wissen, um sündhafte Handlungen zu vermeiden“, was ihrem eigenen Heil diene. Zwar werde dies durch eine „aggressive homosexuelle Agenda“ nicht gut aufgenommen, doch bedeute dies nicht, dass es sich nicht um einen richtigen Ansatz handelt.
Text: M. Benedikt Buerger
Bild: Catholic News