Als Bergoglio als „brillant, aber verrückt“ ins „Exil“ geschickt wurde


Aquel Francisco - Dieser Franziskus - Neues Buch, wenig "Licht"
Aquel Fran­cis­co – Die­ser Fran­zis­kus – Neu­es Buch, wenig „Licht“

(Bue­nos Aires) „Aquel Fran­cis­co“ (Die­ser Fran­zis­kus) ist ein ver­gan­ge­ne Woche in Argen­ti­ni­en im Ver­lag Raiz de Dos von Cor­do­ba erschie­ne­nes Buch, das sich dem Leben Jor­ge Mario Berg­o­gli­os wid­met, beson­ders sei­nem „Exil“ in der argen­ti­ni­schen Pro­vinz Cor­do­ba. Es will neu­es „Licht in die Zeit“ brin­gen, in der Pater Jor­ge Mario Berg­o­glio inner­halb des Jesui­ten­or­dens in „Ungna­de gefal­len und exi­liert“ wor­den war. Der Prie­ster sei damals als „ver­rückt und fast unzu­rech­nungs­fä­hig“ bezeich­net wor­den. Ein Vor­fall, der nicht nur die Obe­ren der Jesui­ten Argen­ti­ni­ens, son­dern auch in ande­ren latein­ame­ri­ka­ni­schen Län­dern und auch das Gene­ral­haus des Ordens in Rom betrof­fen habe. Eine „Rei­he von Ver­leum­dun­gen unter denen der Papst vor mehr als 20 Jah­ren zu lei­den hat­te“, wie die Autoren des Buches schreiben.

Vier Jahre Cordoba

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In den ins­ge­samt vier Jah­ren in Cor­do­ba habe Papst Fran­zis­kus zwei Schlüs­sel­mo­men­te sei­nes Ordens­le­bens gehabt. Von 1958–1960 besuch­te er in Cor­do­ba das Novi­zi­at des Jesui­ten­or­dens und 1990–1992 ver­brach­te er dort ein „Exil“, zu dem ihn sei­ne Ordens­brü­der „ver­ur­teilt“ hatten.

Die wich­tig­ste Quel­le für das Buch stellt Papst Fran­zis­kus selbst dar, mit dem die bei­den Jour­na­li­sten aus Cor­do­ba, Javier Cáma­ra und Seba­stián Pfaf­fen meh­re­re Tele­fon­ge­sprä­che füh­ren konn­ten. Erz­bi­schof Car­los Nañez von Cor­do­ba hat­te den Papst über das Buch­pro­jekt infor­miert, so ent­stand der Kon­takt zum Autorenduo.

Am 26. Sep­tem­ber über­reich­ten die Autoren per­sön­lich Papst Fran­zis­kus in San­ta Mar­ta ein Exem­plar des Buches, das am 9. Okto­ber in Cor­do­ba öffent­lich vor­ge­stellt wird.

Um ihn bildeten sich immer und überall „Bergoglianer“ und „Antibergoglianer“

Die Autoren mit ihren Ehefrauen auf dem Petersplatz
Die Autoren mit ihren Ehe­frau­en auf dem Petersplatz

Cáma­ra und Pfaf­fen suchen nach Ant­wor­ten, war­um Berg­o­glio zum Weih­bi­schof von Bue­nos Aires ernannt wur­de. Eine Ernen­nung, die zum Initial­ereig­nis eines kirch­li­chen Auf­stiegs wur­de, die bis zur Wahl zum Papst führ­te. Eben­so gehen sie der Fra­ge nach, war­um sich über­all, wo der heu­ti­ge Papst auf­trat, um ihn her­um immer Grup­pen von „Berg­o­glia­nern“ und „Anti­ber­go­glia­nern“ bil­de­ten: „Ob es sein Ver­hält­nis zum Orden, zum argen­ti­ni­schen Staat, zum Pero­nis­mus, zum Mar­xis­mus, zu Dom­in­go und Eva Peron betrifft“.

Ange­spro­chen auf sein „Exil“ in Cor­do­ba, möch­te der heu­ti­ge Papst für sich nicht von einer „Noche oscu­ra“, einer dunk­len Nacht, spre­chen, das sei „etwas für Hei­li­ge“. Er sei „nur ein armer Kerl“. Für ihn sei es mehr „eine Zeit der inne­ren Rei­ni­gung“ gewesen.

Kometenhafter Aufstieg, kurzer Fall, noch höherer Aufstieg

Es sei­en ein­sa­me Jah­re gewe­sen, nach­denk­lich und hart für den künf­ti­gen Papst, schrei­ben die Autoren. Berg­o­glio habe zunächst eine „kome­ten­haf­te Kar­rie­re“ erlebt. Er wur­de kaum zum Prie­ster geweiht bereits zum Novi­zen­mei­ster der Ordens­pro­vinz ernannt. Im Alter von erst 36 Jah­ren war er bereits Pro­vin­zi­al der Gesell­schaft Jesu für Argen­ti­ni­en und Rek­tor der Ordens­hoch­schu­le von San Miguel.

Dann erfolg­te eine radi­ka­le Zäsur. Berg­o­glio wur­de 1990 aller Ämter und Auf­ga­ben ent­bun­den und in das 700 Kilo­me­ter von Bue­nos Aires ent­fern­te Cor­do­ba ver­setzt. Dort erhielt er für zwei Jah­re ein Zim­mer in der Ordens­nie­der­las­sung, aber „kei­ne Auf­ga­be“. Er wur­de nicht ein­mal regel­mä­ßig für die Meß­ze­le­bra­ti­on in der Kir­che des Ordens ein­ge­teilt, aller­dings für die Beichtzeiten.

Die Autoren schrei­ben, daß Pater Berg­o­glio von der neu­en Pro­vin­zi­al­lei­tung nach Cor­do­ba „straf­ver­setzt“ wur­de. Für die Exi­lie­rung sei der neue Pro­vin­zi­al Pater Vic­tor Zor­zin ver­ant­wort­lich gewe­sen. Er sei unter Berg­o­glio bereits Vize-Pro­vin­zi­al gewe­sen und sei nicht ein­ver­stan­den gewe­sen mit „vie­len Ent­schei­dun­gen die Pater Jor­ge getrof­fen hat, sowohl pasto­ra­le als auch in der Lei­tung“ (Sei­te 176).

„Verleumdungskampagne“ bis in das Generalhaus in Rom

Pater Vic­tor Zor­zin war von 1986–1991 Pro­vin­zi­al. Ihm folg­te von 1991–1997 Pater Igna­cio Garcà¬a‑Mata. Die Autoren schrei­ben, daß es wäh­rend der Amts­zei­ten von Zor­zin und Garcà­a‑Mata „eine Ver­leum­dungs­kam­pa­gne“ gegen Berg­o­glio gege­ben habe, die „die Gren­zen der argen­ti­ni­schen Ordens­pro­vinz über­schritt und auf die Jesui­ten­lei­tun­gen ande­rer Län­der Süd­ame­ri­kas und sogar das Gene­ra­lat in Rom“ über­griff. Dies las­se sich aus einer Rei­he von Gesprä­chen mit Ordens­an­ge­hö­ri­gen rekonstruieren.

In einem Inter­view mit Radio Maria Argen­ti­ni­en sag­te Pfaf­fen, daß bereits beim ein­fa­chen Prie­ster Berg­o­glio sein „beson­de­rer pasto­ra­ler Stil“ erkenn­bar gewor­den sei.

„Schade, daß er verrückt ist!“

Aquel Francisco, neues Buch über Papst Franziskus aus Argentinien
Aquel Fran­cis­co, neu­es Buch über Papst Fran­zis­kus aus Argentinien

Die Autoren erzäh­len eine Anek­do­te von Pater àngel Ros­si, einem geist­li­chen Sohn Berg­o­gli­os, der schil­dert, wie sehr der heu­ti­ge Papst dar­un­ter gelit­ten habe: „Dem Orden nahe­ste­hen­de Per­so­nen, sorg­ten für die Ver­brei­tung des Gerüchts, das aus jesui­ti­schen Quel­len stamm­te, daß jener Mann, der Ordens­pro­vin­zi­al war, der so jung und so bril­lant war, sich in Cor­do­ba zurück­ge­zo­gen hat­te, weil er krank war, weil er ver­rückt war. Als mei­ne Mut­ter starb, trat ein Laie, der der Ordens­nie­der­las­sung sehr nahe­stand, an mich her­an und zeig­te auf Berg­o­glio, der am Sarg knie­te und bete­te: ‚Scha­de, daß er ver­rückt ist!‘ Ich schaut ihn an und sag­te: ‚Wenn die­ser Mann ver­rückt ist, was bin dann ich?‘“

Dann schla­gen die Autoren einen gro­ßen Bogen bis in die Jetzt­zeit: Berg­o­glio habe auch als Erz­bi­schof den Ein­druck gehabt, daß in eini­gen römi­schen Dik­aste­ri­en noch immer, wenn auch mit „gerin­ger Inten­si­tät“ gegen ihn ein Krieg geführt wor­den sei. Einer von ihnen, so Cáma­ra und Pfaf­fen sei „zwei­fel­los“ der Prä­fekt der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on, Kar­di­nal Mau­ro Pia­cen­za gewe­sen. Des­halb sei er einer der ersten gewe­sen, die in die­sem Pon­ti­fi­kat aus ihrem Amt ent­fernt wur­den. Doch Papst Fran­zis­kus habe ihnen einen „wür­di­gen Abgang“ gewährt. Kar­di­nal Pia­cen­za wur­de zum Groß­pö­ni­ten­ti­ar „beför­dert“. An sei­ner Stel­le ernann­te der Papst sei­nen Ver­trau­ten Benia­mi­no Stel­la, den er dann auch zum Kar­di­nal erhob.

„Eiserne Loyalität“

Die Ent­fer­nung von Kar­di­nal Pia­cen­za sei in kei­ner Wei­se ein „Affront“ gegen Bene­dikt XVI. gewe­sen, nichts sei „wei­ter von der Rea­li­tät ent­fernt als das“. Papst Fran­zis­kus habe sei­ne Grün­de gehabt. Die Kon­gre­ga­ti­on habe inner­halb eines Jah­res völ­lig das Gesicht gewech­selt. Mehr als die Hälf­te aller Mit­ar­bei­ter sei in ihre Diö­ze­sen zurück­ge­schickt und durch ande­re Prie­ster ersetzt wor­den. Offen­sicht­lich, so die Autoren, hät­ten die mei­sten von ihnen nicht das Ver­trau­en Stel­las genos­sen, der eine von Pia­cen­za „sehr ver­schie­de­ne Art“ habe. Stel­la for­de­re „eiser­ne Loyalität“.

Die Idee für den radi­ka­len struk­tu­rel­len Ein­griff in der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on sei noch von Papst Bene­dikt XVI. ent­wickelt, aber eben erst unter Fran­zis­kus umge­setzt wor­den. Papst Fran­zis­kus aber habe die „Unzu­frie­den­heit“ der Ver­setz­ten abbe­kom­men, denn die Mehr­zahl der Abge­setz­ten, so die Autoren, sei „natür­lich“ damit nicht zufrie­den gewesen.

Das Buch stellt wich­ti­ge Fra­gen und bie­tet inter­es­san­te Ansät­ze. Ihrem selbst­ge­steck­ten Anspruch, „Licht“ in eini­ge Zusam­men­hän­ge zu brin­gen, wer­den die bei­den Autoren aller­dings nicht gerecht. Die erklär­te Absicht, das Buch dem Papst zu wid­men, mach­te dies bereits von vor­ne­her­ein unmög­lich. Das Autoren­duo lie­fert inter­es­san­te Details, aber kei­ne zusam­men­hän­gen­de und vor allem schlüs­si­ge Ana­ly­se, die für das Ver­ständ­nis die­ses Pon­ti­fi­kats von beson­de­rer Bedeu­tung wäre. Die Tei­le zu Kon­kla­ve und Pon­ti­fi­kat blei­ben auf der Ebe­ne der Hof­be­richt­erstat­tung. Es erstaunt, daß sich die Publi­ka­tio­nen über den Papst gera­de aus Argen­ti­ni­en kaum von jenen in Euro­pa unter­schei­den, wo bis zum Abend des 13. März 2013 kaum jemand etwas über Jor­ge Mario Berg­o­glio wußte.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Sacro&Profano/Radio Maria Argen­ti­na (Screen­shots)

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