(Bagdad/Beirut) Louis Raphael I. Sako, Patriarch von Babylon der chaldäisch-katholischen Kirche hat Papst Franziskus und den Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen weltweit einen Brief geschrieben. Darin äußert er die Hoffnung, daß die internationale Staatengemeinschaft sich doch der dramatischen Lage im Irak bewußt wird und „konkrete Aktionen“ setzt, um die Vertreibung der Christen durch die Islamisten zu beenden. Angesichts der akuten Gefahr, daß das „Überleben“ der christlichen Minderheit auf dem Spiel steht, hofft der Patriarch auf eine „entschiedene Stellungnahme“, auch von Seiten der Moslems. Die „Supermächte“ würden eine „menschliche und moralische Verantwortung“ an der Lage im Irak tragen, so der Patriarch. Sie müßten sich „von den persönlichen Egoismen“ befreien und gemeinsam eine „politische und friedliche Lösung“ suchen. Der Patriarch wandte sich gegen die Waffenlieferanten und Unterstützer für die Islamisten. Gleichzeitig appellierte der Patriarch, dem Irak „dringend gebrauchte humanitäre Hilfe zukommen zu lassen“.
Islamisten greifen auch im Libanon an
Unterdessen gerät die Lage im Nahen Osten immer mehr außer Kontrolle. Fast die gesamte Region ist von Kampfhandlungen betroffen. Neben Syrien und dem Irak haben die Islamisten auch begonnen, in den Libanon vorzudringen, wo es bei Arsal in der Bekaa-Ebene in den vergangenen 24 Stunden zu heftigen Gefechten zwischen der Libanesischen Armee und den Dschihadisten gekommen ist. Dabei wurden laut Armee-Angaben zwölf libanesische Soldaten und 40 Islamisten getötet. Bereits zuvor hatte die schiitische Hisbollah auf der Seite der Alewiten und der Christen in die Kämpfe in Syrien eingegriffen. Die libanesischen Christen sind in „großer Sorge“, wie der maronitische Bischof Mansur Hobeika von Zahleh gegenüber Radio Vatikan sagte. Die im Libanon operierende Islamisten-Gruppe nennt sich Dash. Im Libanon befürchtet die Regierung, daß Islamisten-Milizen wie Dash, IS oder al-Nusra sunnitische Flüchtlinge aus Syrien bewaffnen könnten. Derzeit halten sich rund eine Million syrischer Flüchtlinge im einst mehrheitlich christlichen Teil der Levante auf.
Das Schweigen bestimmter Imame
Seit Beginn der israelischen Militäroperationen gegen Hamas ist die dramatische Lage in Syrien und im Irak aus dem Interesse der großen Medien weitgehend verschwunden. „Syrien ist in der Abstellkammer des Vergessens verschwunden“, sagte Samaan Daoud, ein syrischer Christ aus Damaskus der Seite Sussidiario.net. „Seit der Gaza-Konflikt ausgebrochen ist, wie immer, wenn es um Israel geht, kümmert sich die ganze Welt nur mehr um das liebkoste Kind Europas und der USA, während es gleichgültig scheint, daß in Syrien die Christen weiterhin getötet und aus ihren Häusern vertrieben werden. Unser Land ist das Opfer eines Genozids, der bereits fast 200.000 Tote gefordert hat, aber Europa macht seine eigenen Rechnungen auf dem Rücken der Toten“, so Daoud. Den syrischen Christen erstaunt noch mehr: „In den vergangenen zwei Jahren haben Imame der arabischen Staaten die Moslems aufgefordert, zu den Waffen zu greifen und nach Syrien zu gehen. Jetzt hört man von ihnen kein Wort zu Gaza. Dabei vertritt Hamas die gleiche Ideologie wie die Moslembrüder und die Dschihadisten. Offensichtlich sind auch diese Imame mit den Petrodollars und damit den USA verbunden. Sie haben Tausende Araber in den Krieg nach Syrien geschickt, aber die Zivilopfer in Gaza interessieren sie nicht. Das erklärt auch, warum die USA zu den Islamisten in Syrien so leise sind.“
Provokation in Jerusalem
Unterdessen entfachte die zionistische Bewegung Ateret Kohanim eine Diskussion in Israel, die mitten im herrschenden Konflikt von den Palästinensern nur als Provokation verstanden werden kann. Israel soll den von Juden „Kleine Westmauer“ genannten Mauerabschnitt wie die eigentliche „Westmauer“ (im Deutschen Klagemauer genannt) nützen und für die Juden zum Gebet zugänglich machen. Der von Arabern „Hospiz der Kurden“ genannte Ort ist kaum bekannt und liegt im moslemischen Viertel. Die Forderung hat damit eine antiislamische Stoßrichtung. Dieser Mauerabschnitt zeigt noch die Situation, wie sie vor dem Sechstagekrieg auch an der Klagemauer herrschte.
Nach dem Sechstagekrieg führte die israelische Regierung so massive Untersuchungen an der Mauer durch, die dem Allerheiligsten des alten Tempels besonders nahe gewesen sei, daß ein Teil des 1293 gegründeten Hospiz der Kurden einstürzte, das nach der Rückeroberung Jerusalems moslemischen Pilgern diente. Israel nützte den Einsturz, um das Hospiz zur Gänze abzureißen.
Bereits 2011 wurde von jüdischnationalen Gruppen wie Kotleinu und The Legal Forum for the Land of Israel die Forderung vorgebracht, auch die „Kleine Westmauer“ in den Komplex der Klagemauer zu integrieren. Bereits 2006 war eine junger Jude verhaftet worden, weil er dort das zeremonielle Widderhorn bließ.
Kardinal Schönborn ruft zu Ökumenischem Fast- und Gebetstag am 8. August auf
Nachdem die Petrusbruderschaft am 1. August einen Gebetstag für die verfolgten Christen im Nahen Osten durchführte, rief nun der Erzbischof von Wien, Christoph Kardinal Schönborn für den 8. August zu einem Ökumenischen Fast- und Gebetstag „für die verfolgten Christen im Irak und deren muslimische Freunde“ auf.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Ora Pro Siria/Wikicommons