Nicht alle begeistert – Evangelikale Reaktionen auf Papst-Besuch in Caserta


Pastor Traettino und Papst Franziskus
Pastor Traet­ti­no und Papst Franziskus

(Rom) Auf den Papst-Besuch bei Pastor Gio­van­ni Traet­ti­no in Caser­ta folg­ten in den Krei­sen der Evan­ge­li­ka­len und Pfingst­ler höchst unter­schied­li­che Reak­tio­nen. Vor allem der ita­lie­ni­sche Pro­te­stan­tis­mus, tra­di­tio­nell auf größt­mög­li­che Distanz zur Katho­li­schen Kir­che bedacht, fin­det wenig freund­li­che Wor­te. Dort befürch­tet man eine „katho­li­sche Umar­mung“ und übt auch Kri­tik an einer gegen­über Rom zu „freund­li­chen“ Hal­tung der Welt­wei­ten Evan­ge­li­schen Alli­anz (WEA). Eine klei­ne, unvoll­stän­di­ge Spu­ren­su­che nach Caser­ta samt der Fra­ge, wie sich die Aus­sa­gen von Papst Fran­zis­kus über die Ein­heit in der Viel­falt mit der Erklä­rung Domi­nus Iesus von 2000 ver­ein­ba­ren las­sen. Domi­nus Jesus ist eine offi­zi­el­le Erklä­rung der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on mit päpst­li­cher Bil­li­gung. Caser­ta eine pri­va­te Rede von Papst Fran­zis­kus wäh­rend eines Pri­vat­be­suchs. Wie steht es aber mit der Macht des Faktischen?

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In Caser­ta sag­te Papst Fran­zis­kus vor den ver­sam­mel­ten Evan­ge­li­ka­len und Pfingst­lern zur „Ein­heit der Chri­sten in der Vielfalt“:

„Wir sind im Zeit­al­ter der Glo­ba­li­sie­rung und wir den­ken: Was ist die Glo­ba­li­sie­rung und was wäre die Ein­heit in der Kir­che? Viel­leicht eine Sphä­re, wo alle Punk­te gleich weit vom Mit­tel­punkt ent­fernt sind, alle gleich? Nein. Das wäre Uni­for­mi­tät. Und der Hei­li­ge Geist macht kei­ne Uni­for­mi­tät! Wel­che Figur kön­nen wir also fin­den? Stel­len wir uns ein Poly­eder vor: Ein Poly­eder ist eine Ein­heit, aber jeder Teil ist anders; jeder hat sei­ne Beson­der­heit, sein Cha­ris­ma. Das ist die Ein­heit in der Viel­falt. Auf die­sem Weg tun wir Chri­sten das, was wir mit dem theo­lo­gi­schen Begriff Öku­me­ne nennen.“

Dominus Iesus oder Caserta?

„Die­se Meta­pher des ‚Poly­eder‘ ist nicht leicht mit dem in Ein­klang zu brin­gen, was in der Erklä­rung Domi­nus Iesus von 2000 fest­ge­stellt wur­de, die einen Mark­stein im Lehr­amt der bei­den Vor­gän­ger­päp­ste dar­stellt“, so der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster. Dort heißt es:

„Daher dür­fen die Christ­gläu­bi­gen sich nicht vor­stel­len, die Kir­che Chri­sti sei nichts ande­res als eine gewis­se Sum­me von Kir­chen und kirch­li­chen Gemein­schaf­ten „” zwar getrennt, aber noch irgend­wie eine; und es steht ihnen kei­nes­wegs frei anzu­neh­men, die Kir­che Chri­sti bestehe heu­te in Wahr­heit nir­gend­wo mehr, son­dern sei nur als ein Ziel zu betrach­ten, das alle Kir­chen und Gemein­schaf­ten suchen müs­sen.“ In Wirk­lich­keit „exi­stie­ren die Ele­men­te die­ser bereits gege­be­nen Kir­che in ihrer gan­zen Fül­le in der katho­li­schen Kir­che und noch nicht in die­ser Fül­le in den ande­ren Gemeinschaften“.

Die Erklä­rung zitier­te dabei die Erklä­rung der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on Myste­ri­um Eccle­siae von 1973 und die 1995 ver­öf­fent­lich­te Enzy­kli­ka Ut unum sint von Papst Johan­nes Paul II.

Die „groß­zü­gi­ge Geste der Öff­nung“ (San­dro Magi­ster), die Papst Fran­zis­kus in Caser­ta voll­zog, wur­de in der evan­ge­li­ka­len und pfingst­le­ri­schen Welt kei­nes­wegs so wohl­wol­lend auf­ge­nom­men, wie vom gast­ge­ben­den Pastor Gio­van­ni Traettino.

Anti-Caserta-Erklärung italienischer Evangelikaler und Pfingtsler

Ein­blick in abwei­chen­de Mei­nun­gen bie­tet das von San­dro Magi­ster geführ­te Gespräch mit dem evan­ge­li­ka­len Theo­lo­gen Pie­tro Bolo­gne­si. Bolo­gne­si unter­rich­tet Syste­ma­ti­sche Theo­lo­gie am Evan­ge­li­ka­len Bil­dungs- und Doku­men­ta­ti­ons­in­sti­tut in Padua. Vor allem ist er Mit­glied der Theo­lo­gi­schen Kom­mis­si­on der World Evan­ge­li­cal Alli­ance (WEA). Er ver­tritt die Posi­ti­on der ita­lie­ni­schen Evan­ge­li­ka­len, die gegen­über der Katho­li­schen Kir­che tra­di­tio­nell beson­de­ren Wert auf Distanz legt.

Als unmit­tel­ba­re Reak­ti­on unter­zeich­ne­ten alle pro­te­stan­ti­schen Dach­ver­bän­de Ita­li­ens, Evan­ge­li­sche Alli­anz Ita­li­en (AEI), Assem­blies of God in Ita­ly (ADI), Föde­ra­ti­on der Pfingst­kir­chen (FCP), die Apo­sto­li­sche Kir­che Ita­li­en und eine Rei­he von frei­en Pfingst­ler-Gemein­den am 19. Juli erst­mals in ihrer Geschich­te eine gemein­sa­me Erklä­rung, mit der sie auf Distanz zur päpst­li­chen Annä­he­rung gin­gen. Bolo­gno­si bezeich­ne­te die­se uner­war­te­te „Ein­heit“ als „Geschenk Got­tes“. Es sei zustan­de­ge­kom­men, weil die „Fami­li­en des ita­lie­ni­schen Pro­te­stan­tis­mus“ die „Not­wen­dig­keit“ ver­spürt hät­ten, „gegen­über den Umar­mungs­ver­su­chen des Katho­li­zis­mus“ die Unter­schie­de hervorzuheben.

Soweit die Reak­tio­nen in Ita­li­en. Wie aber reagier­ten die Evan­ge­li­ka­len auf inter­na­tio­na­ler Ebe­ne? „Vie­le aus­län­di­sche Inter­net­sei­ten haben unse­re Erklä­rung in ver­schie­de­nen Spra­chen ver­öf­fent­licht und es hat sich eine inter­es­san­te Dis­kus­si­on ent­wickelt“, so Bolo­gne­si. Bei der Welt­al­li­anz wür­den der­zeit die Gren­zen ver­schwim­men. Die Erklä­rung habe es ermög­licht, auch gegen­über der World Evan­ge­li­cal Alli­ance klar zu sagen, was der ita­lie­ni­sche Pro­te­stan­tis­mus vom Katho­li­zis­mus denke.

„Konfuse Vergebungsbitte“

Was war für Bolo­gne­si an der Papst-Rede von Caser­ta am Erstaun­lich­sten? „Ich wür­de sagen, zwei Din­ge: die Ver­ge­bungs­bit­te und die Beto­nung der ver­söhn­ten Viel­falt als Weg für die Öku­me­ne der Zukunft.“

Der evan­ge­li­ka­le Theo­lo­ge erklär­te, war­um ihn die Ver­ge­bungs­bit­te erstaun­te. „Abge­se­hen von der Ver­ge­bungs­rhe­to­rik kam sie mir ober­fläch­lich und kon­fus vor. Die Maß­nah­men gegen die Pfingst­ler stamm­ten von der faschi­sti­schen Regie­rung nicht von der katho­li­schen Kir­che. Wenn, dann ist die katho­li­sche Kir­che ver­ant­wort­lich für Jahr­hun­der­te des Wider­stan­des gegen die Reli­gi­ons­frei­heit, aber dazu blieb der Papst stumm. Dann sprach er von Sün­den ein­zel­ner Katho­li­ken und stell­te damit das katho­li­sche Ver­ständ­nis von der feh­ler­lo­sen Kir­che nicht in Fra­ge. Jede Ver­ge­bungs­bit­te muß auch eine Wie­der­gut­ma­chung ent­hal­ten. Was hat der Papst zur Reli­gi­ons­frei­heit in Ita­li­en und zur Tat­sa­che gesagt, daß sei­ne Kir­che in Ita­li­en das Haupt­hin­der­nis bei der Gleich­heit der Kul­te ist? Nichts, wie mir scheint. Der Faschis­mus ist vor­bei, die Ver­fol­gun­gen auch, aber die Reli­gi­ons­frei­heit ist noch immer ein hei­ßes Eisen und Fran­zis­kus hat geschwiegen.“

Erst­mals sag­te ein Papst aber, daß die Pfingst­ler kei­ne Sek­te sei­en. „Das, das war ein posi­ti­ver Punkt. Im Gegen­satz zu Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI., die gewohn­heits­mä­ßig von den Evan­ge­li­ka­len (gemeint sind Evan­ge­li­ka­le und Pfingst­ler) wie von einer „Sek­te“ spra­chen, ist das etwas Neu­es. War­um bat Fran­zis­kus nicht um Ent­schul­di­gung für die abwer­ten­de Spra­che sei­ner Vor­gän­ger statt auf wir­re Wei­se um Ver­ge­bung zu bitten?

„Keine Einheit mit katholischer Kirche möglich“

Und was der Papst über die Ein­heit in der Viel­falt sag­te? „Er zitier­te Oscar Cull­mann, ohne ihn zu nen­nen. Die ‚ver­söhn­te Viel­falt‘ ist ein öku­me­ni­sches Para­dig­ma laut dem sich die Kir­chen so akzep­tie­ren wie sie sind. Wie kann man aber die katho­li­sche Kir­che wie irgend­ei­ne Deno­mi­na­ti­on aner­ken­nen? Es ist eine Kir­che, die einen Staat im Zen­trum hat, die eine impe­ria­le Insti­tu­ti­on wie das Papst­tum im Zen­trum hat, die eine Rei­he von anti­bi­bli­schen Dog­men hat, die nicht geän­dert wer­den kön­nen, die einen sakra­men­ta­len Auf­bau hat, die Fröm­mig­keits­for­men för­dert, die die Auf­merk­sam­keit von Chri­stus weg­len­ken … Wie kann man es akzep­tie­ren, mit die­ser Rea­li­tät „ver­söhnt“ zu sein? Die Ein­heit liegt in der Wahr­heit Chri­sti, nicht in der gegen­sei­ti­gen Akzep­tanz der Unter­schie­de, wel­che immer die­se sein mögen.“

Laut dem Doku­ment von Sin­ga­pur der Welt­wei­ten Evan­ge­li­schen Alli­anz von 1986 sei eine Ver­söh­nung mit Rom ohne Refor­men gemäß dem Evan­ge­li­um nicht mög­lich. Solan­ge sich die katho­li­sche Kir­che nicht „wirk­lich zum Wort Got­tes bekehrt ist kei­ne Ein­heit mög­lich“, so Bolo­gne­si. Der evan­ge­li­ka­le Theo­lo­ge beton­te zudem, daß die „wah­re Öku­me­ne“, jene der „Kin­der Got­tes“, 1846 durch die Evan­ge­li­sche Alli­anz mit der Welt­ge­bets­wo­che begon­nen wur­de. Er hof­fe jeden­falls, daß sich die Unter­zeich­ner der Erklä­rung vom 19. Juli von einer fal­schen Öku­me­ne, wie sie in Caser­ta statt­ge­fun­den habe, „fern­hal­ten“, denn: „Wenn der Papst die Evan­ge­li­ka­len umarmt, wie könn­ten die­se künf­tig noch die ido­la­tri­schen For­men des Katho­li­zis­mus kri­ti­sie­ren? Die Umar­mung des Pap­stes könn­te zum Maul­korb für die evan­ge­li­sche Frei­mü­tig­keit werden.“

Text: Set­ti­mo Cielo/​Giuseppe Nardi
Bild: Set­ti­mo Cielo

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