(Rom) Weder ein Wort für die von Islamisten entführten nigerianischen Schülerinnen noch ein Wort für die in Pakistan wegen angeblicher Beleidigung des Islams zum Tode verurteilte Christin Asia Bibi. Dazu die verweigerten Audienzen für den bis vor kurzem amtierenden Präsidenten der Vatikanbank IOR, Ernst von Freyberg, und den ehemaligen Präsidenten der Vatikanbank IOR, Ettore Gotti-Tedeschi, der verjagt worden war, weil er aufräumen wollte. Mit diesen Worten leitet der bekannte Vatikanist Sandro Magister einen Artikel zum „Schweigen“ von Papst Franziskus ein.
Zu nennen wäre auch der Mini-Empfang für Ludovine de la Rochà¨re, der Vorsitzenden der französischen Bürgerrechtsbewegung Manif pour tous am vergangenen 12. Juni, die im Kampf gegen die sozialistische Gesellschaftspolitik zu den nicht verhandelbaren Werten Millionen Franzosen auf die Straße brachte und Anstoß zu ähnlichen Organisationen und Bewegungen in anderen Ländern war. Ludovine de la Rochà¨re durfte an einer morgendlichen Heiligen Messe des Papstes in Santa Marta teilnehmen und im Anschluß daran, neben anderen Anwesenden, fünf Minuten mit dem Papst sprechen.
Eine weitere Facette des päpstlichen Schweigens, die nicht Gegenstand von Magisters Artikel ist, betrifft direkt die nicht verhandelbaren Werte wie Abtreibung, Euthanasie, Homosexualität, künstliche Befruchtung, die von den Gegnern der natürlichen Ordnung zu radikalen und blutigen Schlachtfeldern gemacht wurden.
Die Zwischentitel stammen von der Redaktion.
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Das seltsame Schweigen eines redseligen Papstes
von Sandro Magister
Am Gedenktag der heiligen Mutter Anna, der Patronin von Caserta, besuchte Papst Franziskus diese Stadt im süditalienischen Kampanien. Alles ganz normal? Nein. Denn nur zwei Tage danach kehrte Jorge Mario Bergoglio nach Caserta zurück, um seinen italienischen Freund Giovanni Traettino, den Pastor der örtlichen evangelikalen Kirche zu besuchen, den er in Buenos Aires kennengelernt hatte.
Um genau zu sein, war es ursprünglich die Absicht von Franziskus, nur diesen seinen Freund zu besuchen, während der Bischof von Caserta völlig im Dunkeln gelassen werden sollte. Es brauchte einiges, um den Papst davon zu überzeugen, sein Besuchsprogramm zu doppeln, um die Schafe seines Schafstalles nicht zu vernachlässigen.
Mehr beschworene als praktizierte Kollegialität
Bei Franziskus wird die Kollegialität in der Leitung mehr beschworen als praktiziert. Sein Stil ist der eines Jesuitengenerals, der am Ende alles alleine entscheidet. Das geht deutlich aus seinen Gesten, seinen Worten und seinem Schweigen hervor.
Zum Beispiel sind es Wochen, daß Bergoglio hinter den Kulissen die Beziehunegn zu den Anführern der mächtigen „Evangelical“-Gemeinschaften der USA pflegt. In seiner Residenz in Santa Marta verbrachte er Stunden um Stunden in ihrer Gesellschaft. Er lud sie zum Mittagessen. Bei einem dieser geselligen Momente ließ er sich verewigen, wie er mit Pastor James Robison, einen der erfolgreichsten amerikanischen Fernsehpredigern, einen Gimme Five abklatschte.
Als noch niemand etwas davon wußte, war es Franziskus, der ihnen bereits seine Absicht ankündigte, in Caserta ihren italienischen Kollegen zu besuchen und den Grund dafür erklärte: “um sich im Namen der Katholischen Kirche für den Schaden zu entschuldigen, den sie ihnen angetan hat, indem sie das Wachstum ihrer Gemeinschaft behinderte“.
Evangelikale nicht bekämpfen, sondern zu Freunden machen
Als Argentinier, der er ist, kennt Bergoglio aus erster Hand die überwältigende Expansion der evangelikalen und pfingstlerischen Bewegung in Lateinamerika, die der Katholischen Kirche große Massen an Gläubigen wegnimmt. Dennoch hat er so entschieden: deren Anführer nicht bekämpfen, sondern sich zu Freunden machen.
Es ist dieselbe Linie, die er auch gegenüber der islamischen Welt verfolgt: Gebet, Aufruf zum Frieden, allgemeine Verurteilung dessen, was schlecht ist, aber sorgsam bedacht, keine konkreten Ereignisse und Personen, ob Opfer oder Henker zu benennen.
Selbst wenn die ganze Welt sich in Verteidigung eines bestimmten Opfers der Islamisten mobilisiert und alle sich von ihm ein Wort erwarten würden, geht Franziskus nicht aus der Reserve.
Das Schweigen zur islamistischen Gewaltorgie
Er hat nicht ein Wort gesagt, als die junge sudanesische Mutter Meriam mit ihren kleinen Kindern im Gefängnis saß und zum Tode verurteilt wurde, nur weil sie Christin ist. Als sie Dank des internationalen Drucks freigelassen und nach einigem Hin und Her endlich ausreisen durfte, empfing er sie jedoch.
Er hat nichts gesagt – außer einem flüchtigen Tweet – für die Hunderte von nigerianischen Schülerinnen, die von der Islamistenmiliz Boko Haram entführt wurden, weil sie Christen sind. Dabei setzte sich eine weltweite Kampagne unter dem Motto „Bring back our girls“ für ihre Freilassung ein, der sich sogar Michelle Obama anschloß.
Er schweigt zum Schicksal von Asia Bibi, jener pakistanischen Katholikin und fünffachen Mutter, die seit fünf Jahren im Gefängnis sitzt, vor vier Jahren zum Tode verurteilt wurde und seither auf ihr Berufungsverfahren wartet, weil sie den Islam beleidigt haben soll.
Dabei setzt sich die katholische Welt überall für die Freilassung von Asia Bibi ein und erst Anfang des Jahres wurde ein Schreiben der Christin an den Papst veröffentlicht, der ihr nicht geantwortet hat.
Ansonsten großzügige Bereitschaft zu schreiben, zu telefonieren, zu …
Dieses Schweigen erstaunt umso mehr, da es von einem Papst praktiziert wird, dessen großzügige Bereitschaft bekannt ist, zu schreiben, zu telefonieren, Hilfe zu bringen, Türen für jeden zu öffnen, der anklopft gleichgültig ob arm oder reich, gut oder schlecht.
So löste zum Beispiel sein Verzug etwas Kritik aus, die Opfer sexuellen Mißbrauchs durch Kleriker zu empfangen. Am vergangenen 7. Juli holte er es jedoch nach, indem er einen ganzen Tag mit sechs dieser Opfer verbrachte, die aus drei europäischen Ländern nach Rom eingeladen worden waren.
Zur gleichen Zeit machte die Neuorganisation der Vatikanfinanzen durch den Austausch der Führungsebene und den Abschied des tadellosen Präsidenten der Vatikanbank IOR, des Deutschen Ernst von Freyberg Fortschritte.
Unverständliche Audienz-Verweigerungen
Unverständlicherweise war es von Freyberg in sechzehn Monaten dieses Pontifikats nie gelungen, eine Audienz beim Papst zu erhalten.
Noch unverständlicher ist die damnatio, die seinen Vorgänger Ettore Gotti-Tedeschi trifft, der im Mai 2012 aus dem Amt gejagt wurde, nachdem er mit dem Aufräumen begonnen hatte. Verjagt von den Hauptverantwortlichen übel beleumdeter Geschäfte.
Auf seine Ansuchen, von Papst Franziskus empfangen und angehört zu werden, erhielt er nie eine Antwort.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Settimo Cielo