(Vatikan) Kardinal Gerhard Müller, der Präfekt der Glaubenskongregation, hat das achtzig Seiten umfassende Instrumentum laboris gelesen, das die Diskussionsgrundlage für die im Oktober stattfindende Bischofssynode über die Familie sein wird. Zu der darin geäußerten Forderung einer angeblichen „Mehrheit“ der Gläubigen, die katholische Lehre zur Sexualmoral an die Zeit anzupassen, hat der deutsche Purpurträger seine Meinung dennoch nicht geändert. Er bekräftigt vielmehr seine Fassungslosigkeit und seinen Widerspruch, die er bereits mehrfach, auch in den offiziellen und offiziösen Medien des Heiligen Stuhls zum Ausdruck brachte, vor allem im Osservatore Romano.
Kardinal Müller wiederholt vor allem seinen festen und überzeugten Widerspruch gegen die Zulassung der wiederverheiratet Geschiedenen zur Eucharistie. In einem Interview mit der Mainzer Allgemeinen Zeitung (Montagsausgabe) und dem katholischen Fernsehsender EWTN erinnerte der Präfekt des ehemaligen Heiligen Offiziums daran, daß die Eucharistie „kein Recht ist“ und daß sie unter keinen Umständen nach einer zweiten, kirchlich nicht anerkannten, standesamtlichen Eheschließung gewährt werden kann.
Kardinal Müller Gegenpart zu deutscher Kardinalsfronde
In der Frage der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion widersprach der deutsche Kardinal entschieden der deutschen Kardinalsfronde, die eine „Öffnung“ wünscht und neuerdings mit zunehmender Insistenz fordert. Dazu gehören der neue Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Kardinal Reinhard Marx, der emeritierte, von Papst Franziskus geschätzte Kardinal Walter Kasper und der ehemalige DBK-Vorsitzende Bischof Karl Kardinal Lehmann von Mainz. Kardinal Müller erinnerte daran, daß eine Scheidung dem Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe widerspricht, wie sie die Kirche gemäß dem Auftrag Christi seit zweitausend Jahren lehrt. Die Frage der Zulassung der wiederverheiratet Geschiedenen zur Eucharistie sei, so der Glaubenspräfekt, weitreichender als sie ohnehin auf den ersten Blick erscheine. Es sei nämlich eine Tatsache, daß die tiefere Bedeutung der Ehe selbst innerhalb der Kirche häufig nicht in vollem Umfang verstanden und daher wie ein einfacher und damit auflösbarer Vertrag nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch interpretiert wird.
Kardinal Müller wandte sich erneut gegen den von Kardinal Kasper wortreich empfohlenen Weg der Reue. Die Glaubenslehre sei kein stehendes Gewässer, sondern ein Fluß der fließt, hatte der ehemalige Vorsitzende des Päpstlichen Rats für die Förderung der Einheit der Christen jüngst geäußert. Der Glaubenspräfekt muß heute mit seinem institutionellen Gewicht gegen die privilegierte Stellung angehen, die Papst Franziskus Kardinal Kasper beim Kardinalskonsistorium im vergangenen Februar einräumte. Für Kardinal Müller führt Kaspers Weg nirgendwohin, denn wer eine gültige, sakramentale Ehe geschlossen hat, könne gar nichts bereuen.
Sakramente als Quelle der Zwietracht
Daß es sich bei der Frage der wiederverheiratet Geschiedenen keineswegs um ein marginales Thema handelt, zeigt der breite Raum, der ihr im Instrumentum laboris eingeräumt wurde. Der zweite Nachfolger von Joseph Ratzinger im Amt des Glaubenshüters befürchtet daher, daß es in dieser Sache und von dieser ausgehend innerhalb der Kirche zu immer tieferen Brüchen und Spaltungen kommt. Es besteht die konkrete Gefahr, daß die Sakramente zu einem Quell der Zwietracht umgewandelt werden, zu einem Schlachtfeld gegensätzlicher Positionen mit scheinbar moderaten „Flexiblen“ in der Mitte. Tatsächlich wurde dem Glaubenspräfekten bereits von einem anderen Kardinal, dem Honduraner Oscar Rodriguez Maradiaga empfohlen, „flexibler“ zu werden (siehe eigenen Bericht Der „Vize-Papst“ und ein harter Disput im „neuen Klima“ des Papstes).
Daß die Spaltung bereits vorhanden ist, haben die Diskussionen der vergangenen Monate ausreichend belegt. Um genau zu sein, sind solche aufgebrochen, seit Papst Franziskus die Bischofssynode über die Familie ankündigte. Der erste Stein wurde vom Papst in den Teich geworfen. Seither organisiert sich eine internationale Partei in der Kirche gegen die überlieferte Ehelehre, deren Stichwortgeber die deutsche Kirche ist. Eine Situation, die verblüffend jener ähnelt, die unmittelbar vor Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzil herrschte.
Die umstrittene Rede von Kardinal Kasper vor dem in Rom versammelten Kardinalskollegium und der damit verbundene Applaus des Papstes, führte zu öffentlichem Widerspruch mehrerer Kardinäle. Bereits der Umgang mit dem Fragebogen des Sekretariats der Bischofssynode zeigte, daß der Konflikt auf der Doppelsynode weiter zu eskalieren droht.
Piusbruderschaft und Lutheraner
Der Glaubenspräfekt bekräftigte seine Abneigung gegenüber der Piusbruderschaft und bezeichnete die Anerkennung des Zweiten Vatikanischen Konzil zur conditio sine qua non für die „Überwindung des Schismas“. Dabei gab der Glaubenspräfekt zu verstehen, daß Papst Benedikt XVI. bereit gewesen wäre, die Gespräche mit der von Erzbischof Marcel Lefebvre gegründeten Priesterbruderschaft fortzusetzen, andere an der Römischen Kurie jedoch auf einen Abbruch der Gespräche drängten.
Wohlwollender zeigte sich der ehemalige Bischof von Regensburg gegenüber den Lutheranern. Es sei notwendig, so Kardinal Müller , genau zu untersuchen, welche Gründe zum Schisma Luthers führten, um zu verstehen, welche Punkte heute die beiden christlichen Konfessionen noch verbinden.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Infovaticana