(Rom) Der Generalsekretär der Bischofskonferenz Italiens distanzierte sich vom Lebensschutz. Deshalb heftig kritisiert, versuchte er nun eine wehleidige Korrektur, die in Wirklichkeit eine Kritik an seinen Kritikern wurde. Ein weiteres Signal, wie lästig manchen Prälaten der Kampf für das Leben ist, den Johannes Paul II. bis zum letzten Atemzug führte und den Benedikt XVI. zum nicht verhandelbaren Grundsatz erklärte. Doch dann kam Papst Franziskus.
Bischof Nunzio Galantino von Cassano all’Jonio machte unter Papst Franziskus fulminant Karriere, wurde allerdings gleichzeitig auf umstrittene Weise bekannt. Bis zur Entdeckung durch Papst Franziskus, war der Bischof außerhalb Kalabriens völlig unbekannt. Als Bischof steht er einer alten Zwergdiözese vor, wie es sie aus historischen Gründen eigentlich nur in Italien gibt. Der neue Papst machte ihn Ende 2013 im Alleingang zum Generalsekretär der Italienischen Bischofskonferenz. Vorsitzender ist zwar noch Angelo Kardinal Bagnasco, doch als eigentlicher „Mann des Papstes“ gilt seither Msgr. Galantino.
Am 12. Mai gab der Bischof ein Interview, in dem er sich auf befremdliche Art von den Lebensschützern distanzierte, die vor den modernen Tötungsanstalten Gebetsvigilen durchführen und dort für den Schutz des Lebens und für ein Ende der Abtreibung den Rosenkranz beten (siehe eigener Bericht Bergoglio-Effekt: Sekretär der Bischofskonferenz distanziert sich von Lebensschützern). Keine zufällige Aussage, wie unterstellt werden darf, sondern ein bewußtes Signal an die vorherrschenden Kräfte, für die die Tötung ungeborener Kinder ein „Recht“ ist, an dem nicht gerüttelt werden darf.
Päpstlicher Galantino
Das Interview sorgte in katholischen Kreisen, vor allem aber unter Lebensschützern für internationales Aufsehen. Es fügt sich in eine Reihe mit einem nicht minder irritierenden Interview, das Papst Franziskus im September 2013 der Jesuitenzeitschrift La Civiltà Cattolica gegeben hatte. Darin sprach das Kirchenoberhaupt von Katholiken, die vom Lebensrecht „besessen“ seien und daß man „nicht ständig“ Themen wie die Abtreibung im Mund führen könne (siehe eigenen Bericht Und er weinte über seinen Papst – Papst Franziskus schweigt zu Abtreibung und Homosexualität, und findet das gut so). Die Irritationen waren umso heftiger, als die Katholische Kirche die letzte wichtige, weltweite Institution ist, die sich noch dem Abtreibungsdiktat widersetzt, und die Päpste ihre Stimme mutig gegen die Mordorgie erhoben von der Enzyklika Humanae Vitae bis Benedikt XVI. Zehn Monate mußten vergehen und ein immer stärkeres innerkirchliches Raunen einsetzen, bis Papst Franziskus im Januar 2014 erstmals das Wort „Abtreibung“ in den Mund nahm (siehe eigenen Bericht „Das Entsetzen der Abtreibung“ – Papst Franziskus nennt erstmals Abtreibung beim Namen).
Alles nur ein Mißverständnis an dem die Medien schuld sind?
Nun beklagte Bischof Galantino in einem neuen Interview für die Monatszeitschrift Sempre die heftige Kritik, die ihm nach dem ersten Interview entgegenschlug. Der Generalsekretär der Italienischen Bischofskonferenz sah keine Notwendigkeit zu einer Korrektur seines ersten Interviews. Die Kritik bezeichnete er als „Aggression, die mir in Wirklichkeit etwas wehgetan hat“. Msgr. Galantino ist der Meinung, daß alles ein Mißverständnis gewesen sei, das auf eine Instrumentalisierung durch die Medien zurückgehe. „Das besagte Interview ist in einem spezifischen Kontext entstanden: dem Einfluß der sozialen Kommunikationsmittel. Bei dieser Gelegenheit warnte ich wachsam zu sein, vor allem was das Fernsehen betrifft, wo nur Bilder verwendet werden, die die eigene Botschaft unterstützen. Ich nannte das Beispiel derer, die dann nur die starren Gesichter derer zeigen, die vor den Kliniken den Rosenkranz gegen die Abtreibung beten.“ Dabei handle es sich um eine Methode der Medien, die „nicht nur den vor den Kliniken gebeteten Rosenkranz entkräften wollen, sondern auch die große und außergewöhnliche Bewegung, die dahintersteht“. Laut Bischof Galantino habe er warnen wollen, wachsam vor solchen Mediennstrumentalisierungen zu sein.
Von der „Böswilligkeit“ der Rosenkranzbeter
Grund für das Mißverständnis sei es also gewesen, daß seine Aussage aus dem Zusammenhang gerissen wurde. „Manchmal lesen die Vertreter bestimmter unserer Bewegungen das Interview nicht vollständig, sondern nur die Titel und Schlagzeilen der Medien, die natürlich alles Interesse haben, etwas Sensationelles zu schreiben und Probleme zu schaffen. So kam es zu 10.000 Tweets und 15.000 Posts auf Facebook“ gegen Bischof Galantino, der sich von dieser Welle der Kritik aus den eigenen Reihen „beeindruckt“ zeigte, um sie als „Böswilligkeit bestimmter Menschen“ abzutun, die „behaupten den Rosenkranz zu beten“. Es sei „besorgniserregend zu wissen, daß jemand, der den Rosenkranz betet, anschließend imstande ist, sich in solchen Tönen und mit einer solchen verbalen Aggression zu äußern“. Lebensschützer schütteln den Kopf. Bischof Galantino habe damit nur ein weiteres Mal unter Beweis gestellt, wenig Ahnung von der Realität des Krieges, der gegen die ungeborenen Kinder weltweit im Gange ist, und vom Lebensschutz zu haben, über den er allerdings redet.
Papst Franziskus scheint sich mit der These vom „Mißverständnis“ jedenfalls zufriedengegeben zu haben. Am vergangenen 21. Juni stattete er Bischof Galantino und dessen Mini-Diözese in Kalabrien einen Besuch ab. Eine Ehrerweisung, die von Beobachtern einhellig als Signal an die italienischen Bischöfe verstanden wurde, in Bischof Galantino den neuen mächtigen Mann in Italiens Kirche zu sehen (siehe eigenen Bericht Eine Frage der Prioritäten? – Fronleichnamsprozession ohne Papst Franziskus).
Was genau hatte der Generalsekretär am 12. Mai gesagt?
Quotidiano Nazionale: In den vergangenen Jahren setzte sich die Bischofkonferenz für die nicht verhandelbaren Werte (Leben, Familie, Erziehung) ein. Dem Papst liegt dieser Begriff nicht am Herzen. Auch Ihnen nicht?
Bischof Galantino: Denken wir an die Heiligkeit des Lebens. In der Vergangenheit haben wir uns ausschließlich auf ein Nein zur Abtreibung und zur Euthanasie konzentriert. Das geht so nicht, dazwischen geht es um die Existenz, die sich entwickelt. Ich identifiziere mich nicht mit den regungslosen Gesichtern jener, die vor den Kliniken den Rosenkranz beten, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, sondern mit jenen Jungen, die diese Methode ablehnen und für mehr Lebensqualität für die Menschen, für ihr Recht auf Gesundheit und Arbeit kämpfen.
Im neuen Interview spricht Bischof Galantino vom „Einfluß der Medien“ und „Instrumentalisierungen durch die Medien“. Im Orginal findet sich nichts dergleichen, sondern eine ganze präzise Frage, auf die der Bischof ebenso eindeutig wie irritierend antwortet.
Bischof Galantino versucht ein altes Spiel, das die Schuld immer den Journalisten zuschieben will. Ein Versuch, der oft gelingt, im konkreten Fall aber nicht, da der Bischof bis heute seine damalige Aussage weder dementierte noch von der Tageszeitung eine Richtigstellung forderte. Eine inhaltliche Korrektur seiner Position wäre dem „Mann des Papstes“ in der Italienischen Bischofskonferenz besser zu Gesicht gestanden. Vor allem wäre es inhaltlich die einzig richtige Antwort auf Zweifel und Kritik. Lebensrechtler gehen daher davon aus, daß Bischof Galatino damals genau das sagen wollte, was im Interview auch zu lesen ist: Eine Disktanzierung von der Lebensrechtsszene, die von manchen Prälaten nur mehr als lästiger Klotz am Bein gesehen wird, der ein Arrangement mit dem Zeitgeist behindert.
Manchmal sind die Versuche, ein Loch zu stopfen schlimmer als das Loch selbst.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana