Auch Kardinäle unter Pädophilen? „Finde Lösung“ zur Zölibatsabschaffung? – Neues bizarres Papst-Interview mit Scalfari


Skurriles Interview: Papst Franziskus mit Eugenio Scalfari
Skurriles Interview Papst Franziskus Eugenio Scalfari

(Rom) Euge­nio Scal­fa­ri ist ein­deu­tig der bevor­zug­te athe­isti­sche Gesprächs­part­ner von Papst Fran­zis­kus. Scal­fa­ri, Grün­der und lang­jäh­ri­ger Chef­re­dak­teur von La Repubbli­ca, der ton­an­ge­ben­den links­li­be­ra­len Tages­zei­tung Ita­li­ens und beken­nen­der Athe­ist aus einer Fami­lie mit alter frei­mau­re­ri­schen Tra­di­ti­on, ver­öf­fent­lich­te in der heu­ti­gen Sonn­tags­aus­ga­be der Repubbli­ca in gro­ßer Auf­ma­chung die Zusam­men­fas­sung eines neu­en Gesprächs, das er mit dem Papst führ­te. Dies­mal reagier­te der Vati­kan prompt. Vati­kan­spre­cher Pater Feder­i­co Lom­bar­di ver­öf­fent­lich­te noch am Vor­mit­tag eine Erklä­rung. Eini­ge Über­le­gun­gen weni­ger zum Inhalt (vor­erst), son­dern zur Form.

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Am 1. Okto­ber des ver­gan­ge­nen Jah­res ver­öf­fent­lich­te Scal­fa­ri ein sen­sa­tio­nel­les Inter­view mit Papst Fran­zis­kus (sie­he eige­nen Bericht Das voll­stän­di­ge Inter­view des Athe­isten Scal­fa­ri mit Papst Fran­zis­kus – Exi­stiert kein objek­tiv Gutes?) Dar­in gab der Papst ein Bekennt­nis zum Rela­ti­vis­mus und zum Ver­zicht auf die Mis­sio­nie­rung ab und erklär­te laut Scal­fa­ri die Sün­de fak­tisch für abge­schafft. Das Inter­view ging auf ein Gespräch zwi­schen Scal­fa­ri und Papst Fran­zis­kus zurück, das am 24. Sep­tem­ber 2013 im Gäste­haus San­ta Mar­ta statt­fand. Zustan­de kam es auf Wunsch von Papst Fran­zis­kus. Das voll­stän­di­ge Inter­view wur­de vom Vati­kan auf des­sen Inter­net­sei­te unter den lehr­amt­li­chen Aus­sa­gen des Pap­stes ver­öf­fent­licht. Trotz hef­ti­ger Kri­tik an den Aus­sa­gen des Pap­stes gab es kein Dementi.

Die bizarren Interviews von Papst Franziskus und Eugenio Scalfari

Erst andert­halb Mona­te spä­ter wur­de das Inter­view von der Inter­net­sei­te gelöscht und in einer all­ge­mei­nen Erklä­rung fest­ge­hal­ten, daß päpst­li­che Inter­views nicht Teil des offi­zi­el­len Lehr­am­tes sei­en. Weni­ge Tage dar­auf ent­hüll­te Scal­fa­ri vor der Aus­lands­pres­se in Rom Details zum Inter­view (sie­he eige­nen Bericht Hin­ter­grün­de zum Papst-Inter­view – Scal­fa­ri: „Die Ant­wor­ten des Pap­stes habe ich selbst for­mu­liert“). Scal­fa­ri gab bekannt, daß er die umstrit­te­nen Ant­wor­ten des Pap­stes selbst for­mu­liert hat­te, aller­dings mit aus­drück­li­cher Zustim­mung des Pap­stes. Zudem habe er dem Papst vor Druck­le­gung das Inter­view vor­ge­legt und um das päpst­li­che Nihil obstat gebeten.

Am 30. Dezem­ber 2013 kam Scal­fa­ri in einem Leit­ar­ti­kel noch ein­mal auf das Gespräch mit Papst Fran­zis­kus zurück und wie­der­hol­te, daß das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt fak­tisch die Sün­de für abge­schafft erklärt habe.

In einem Schrei­ben vom 23. Okto­ber hat­te sich Papst Fran­zis­kus bei Scal­fa­ri aus­drück­lich für Gespräch und Inter­view bedankt und den Wunsch auf wei­te­re Gesprä­che geäu­ßert: „Auch mir wür­de es gefal­len, wenn wir uns erneut tref­fen könn­ten, um die The­men zu ver­tie­fen, über die wir unser Gespräch bei Ihrem jüng­sten Besuch begon­nen haben“. Das war nun der Fall.

Atemberaubend skurrile Erklärung von Vatikansprecher Lombardi

Das neue Gespräch zwi­schen Papst Fran­zis­kus und Euge­nio Scal­fa­ri sei „herz­lich und sehr inter­es­sant“ ver­lau­fen. The­men sei­en vor allem der „Skan­dal des sexu­el­len Miß­brauchs Min­der­jäh­ri­ger durch Kle­ri­ker und die Hal­tung der Kir­che zur Mafia gewe­sen“, so Vati­kan­spre­cher Lom­bar­di in sei­ner Stellungnahme.

„Den­noch, wie bereits frü­her unter ähn­li­chen Umstän­den, ist dar­auf hin­zu­wei­sen, daß das, was Scal­fa­ri dem Papst unter Anfüh­rungs­zei­chen zuschreibt, das Aus­fluß sei­nes Gedächt­nis­ses als Pro­fi­jour­na­list ist, aber nicht die genaue Nie­der­schrift von einem Ton­band­mit­schnitt“. Eben­so­we­nig habe der Papst Scal­fa­ris Text einer Über­prü­fung unter­zo­gen. „Man kann und man darf daher in kei­ner Wei­se von einem Inter­view im übli­chen Sinn des Wor­tes spre­chen“, so der Vatikansprecher.

„Wenn daher der Arti­kel in sei­ner Gesamt­heit auch den Sinn und den Geist des Gesprächs zwi­schen dem Hei­li­gen Vater und Scal­fa­ri wie­der­gibt, muß mit Nach­druck betont wer­den, wie bereits bei einem vor­he­ri­gen ‚Inter­view‘, das in La Repubbli­ca erschie­nen ist, daß die ein­zel­nen Aus­sa­gen in der ver­öf­fent­lich­ten For­mu­lie­rung nicht mit Sicher­heit dem Papst zuge­schrie­ben wer­den können.“

Was soll diese Interviewform?

Ange­sichts sol­cher Win­dun­gen eines Pres­se­spre­chers kann man sich nur an den Kopf grei­fen. Wel­cher Poli­ti­ker, Staats­mann, Kir­chen­füh­rer, Ver­bands­vor­sit­zen­de, Unter­neh­mer, grund­sätz­lich wel­che Per­son des öffent­li­chen Lebens wür­de es einem Jour­na­li­sten über­las­sen, nach frei­em Ermes­sen und ohne jede Ein­schrän­kung die Ant­wor­ten des Befrag­ten zu for­mu­lie­ren und zu ver­öf­fent­li­chen? Eine unfaß­ba­re Vor­gangs­wei­se, die um so unfaß­ba­rer wird, nach­dem bereits beim ersten Inter­view schlech­te Erfah­run­gen gemacht wur­den. Der Papst gibt ein Inter­view und ein beken­nend kir­chen­feind­li­cher Athe­ist for­mu­liert die Ant­wor­ten? Um ein sol­ches Hasard­spiel mit den Aus­sa­gen des Stell­ver­tre­ters Chri­sti auf Erden zu beschrei­ben, feh­len einem die Wor­te. Die kaba­rett­rei­fe Inter­pre­ta­ti­ons­hand­rei­chung des Vati­kan­spre­chers spricht eine kla­re Sprache.

Offen­sicht­lich fand die umstrit­te­ne Art Scal­fa­ris die Zustim­mung des Pap­stes. Was dann auch von den umstrit­te­nen Aus­sa­gen ange­nom­men wer­den muß, die der Doy­en des lin­ken Jour­na­lis­mus zu Papier brachte.

Auch „Kardinäle“ unter den Pädophilen? – „Werde Lösung finden“ Zölibat abzuschaffen?

Auch im neu­en Inter­view fin­den sich wie­der auf­se­hen­er­re­gen­de Aus­sa­gen von Papst Fran­zis­kus aus der Feder Scal­fa­ris, wes­halb laut Pres­se­amt des Vati­kans die Gesamt­aus­sa­ge zwar kor­rekt, im Detail aber nicht ein­deu­tig geklärt sei, was vom Papst und was von Scal­fa­ri stammt. Vati­kan­spre­cher Lom­bar­di nahm zwei Kor­rek­tu­ren vor. Die dem Papst zuge­schrie­be­ne Aus­sa­ge, unter den pädo­phi­len Kle­ri­kern sei­en auch „Kar­di­nä­le“ sei „nicht dem Papst zuzu­schrei­ben“ Eben­so­we­nig die Aus­sa­ge zur Fra­ge der Zöli­bats­auf­he­bung für Prie­ster: „Die Lösun­gen“, für die Auf­he­bung des Zöli­bats „wer­de ich fin­den“. Im Repubbli­ca-Arti­kel wer­den bei­de Aus­sa­gen ein­deu­tig dem Papst zuge­schrie­ben. Scal­fa­ri scheint dabei absicht­lich zu trick­sen. Er öff­net die Anfüh­rungs­zei­chen, schließt sie aber nicht. Ein Ver­se­hen oder ein aus­drück­li­cher Hin­wei­se, daß die unbe­darf­ten Leser mani­pu­liert wer­den sol­len? Eine Trick­se­rei mit Zustim­mung des Papstes?

Grund­sätz­lich steht mit Nach­druck die bereits im Herbst des Vor­jahrs gestell­te Fra­ge im Raum: Wel­chen Wert haben sol­che Inter­views außer Ver­wir­rung zu stif­ten? Papst Fran­zis­kus scheint zudem bera­tungs­re­si­stent zu sein, denn es darf nach den Erfah­run­gen mit dem ersten Scal­fa­ri-Inter­view bezwei­felt wer­den, daß im Vati­kan jemand dem Papst zu einem wei­te­ren Inter­view unter den­sel­ben Bedin­gun­gen gera­ten haben dürf­te. Auch das neue Inter­view und die Umstän­de sei­nes Zustan­de­kom­mens wer­den für erheb­li­che Dis­kus­sio­nen sorgen.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Sismografo

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