Pius X. und Theodor Herzl – Geste der Entschuldigung durch Papst Franziskus?


Schulterschluss mit dem Papst(Jeru­sa­lem) Die israe­li­sche Tages­zei­tung Isra­el Hayom und der Inter­net­ra­dio­sen­der Arutz She­va berich­te­ten weni­ge Tage vor Beginn des Papst­be­suchs im Hei­li­gen Land, das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt habe die Absicht, eine „Geste der Ent­schul­di­gung“ gegen­über dem Grün­der des Zio­nis­mus zu set­zen, wegen der „Unge­rech­tig­keit“, die Theo­dor Herzl durch den hei­li­gen Papst Pius X. wider­fah­ren sei. Was aber hat Pius X. dem Zio­ni­sten­füh­rer ange­tan? Theo­dor Herzl selbst berichtete. 

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Isra­el Hayom berich­te­te am 23. Mai: „Am kom­men­den Sonn­tag kommt Papst Fran­zis­kus nach Isra­el, wo er beab­sich­tigt, eine histo­ri­sche Geste der Ent­schul­di­gung für eine Unge­rech­tig­keit zu set­zen, die vor 110 Jah­ren durch den Vati­kan began­gen wurde.
Im Jahr 1904 besuch­te der Zio­ni­sten­füh­rer Theo­dor Herzl den Vati­kan, um Papst Pius X. zu bit­ten, ihn bei der Errich­tung eines moder­nen jüdi­schen Staa­tes Isra­el, der Hei­mat der jüdi­schen Nati­on zu unter­stüt­zen. Doch Pius lehn­te ab.“

Der Besuch von Herzls Grab

Nun plant Fran­zis­kus auf dem Herzl-Berg Herzls Grab zu besu­chen, um als Zei­chen der Ent­schul­di­gung einen Blu­men­kranz auf den Grab­stein zu legen.
„Soll­te das der Grund für den Besuch von Herzls Grab sein, und nicht ein von der israe­li­schen Regie­rung für Staats­gä­ste vor­ge­se­he­ner Par­cour, dem man sich aus diplo­ma­ti­schen Erwä­gun­gen kaum ent­zie­hen könn­te, wäre das schwer­wie­gend“, so die katho­li­sche Sei­te Pagi­na Cato­li­ca in Argen­ti­ni­en. „Zum einen kann Papst Fran­zis­kus nicht igno­rie­ren, daß der Zio­nis­mus nicht mit dem Juden­tum iden­tisch ist, son­dern eine bestimm­te poli­ti­sche natio­na­li­sti­sche Rich­tung dar­stellt und daß die­ser Zio­nis­mus unter Chri­sten viel Leid ver­ur­sacht hat und noch immer ver­ur­sacht. Zum ande­ren könn­te eine sol­che Geste als Distan­zie­rung und Ver­ur­tei­lung von Papst Pius X. inter­pre­tiert wer­den, selbst wenn dies nicht die Absicht von Fran­zis­kus sein soll­te“, so Pagi­na Cato­li­ca.

„Die Balan­ce bei einem Draht­seil­akt zu hal­ten, ist schwie­rig. Das Spiel mit Kom­pen­sa­tio­nen kann auf poli­ti­schem Boden gefähr­lich sein“, so die katho­li­sche Sei­te. Es schei­ne schwer vor­stell­bar, daß eine sol­che Geste nicht auf Kri­tik auf palä­sti­nen­si­scher und mus­li­mi­scher Sei­te sto­ßen wür­de. Wie bereits von jüdi­scher Sei­te das päpst­li­che Bekennt­nis zur Zwei­staat­lich­keit in Bet­le­hem, sein Gebet an der Trenn­mau­er und der Auf­ruf zu einer „gerech­ten Lösung des ara­bisch-israe­li­schen Kon­flikts“ in Jor­da­ni­en kri­ti­siert wor­den sei­en. Der Besuch des Herzl-Gra­bes „als Kom­pen­sa­ti­on“ für die­se Aus­sa­gen, Gesten und Forderungen?

Isra­el Hayom berich­te­te, daß Papst­freund Rab­bi Abra­ham Skorka, der mit dem Papst und dem Mos­lem Omar Abboud Jeru­sa­lem besuch­te, die israe­li­sche Tages­zei­tung bezeich­ne­te die Drei­er­grup­pe als „Hei­li­ge Drei­fal­tig­keit“, vor Mona­ten eine „defi­ni­ti­ve Geste für Isra­el“ ange­kün­digt hatte.

Theodor Herzls Bericht über die Begegnung mit Papst Pius X. 1904

Am 1. Juli 1956 wur­de in der Zeit­schrift La Terre Retro­vée ein Text Theo­dor Herzls über sei­ne Begeg­nung mit Papst Pius X. am 26. Janu­ar 1904 veröffentlicht:

Gestern wur­de ich von Papst Pius X. emp­fan­gen. Er streck­te mir die Hand ent­ge­gen, die ich nicht küß­te. Er saß auf einem Stuhl, einer Art Thron für „weni­ger wich­ti­ge Ange­le­gen­hei­ten“ und lud mich ein, bei ihm zu sit­zen. Der Papst ist ein ziem­lich gro­ber Dorf­pfar­rer, für die das Chri­sten­tum wie etwas leben­di­ges ist, auch im Vatikan.

Ich erklär­te ihm mit weni­gen Wor­ten mein Anlie­gen. Er aber, viel­leicht ver­är­gert, weil ich nicht sei­ne Hand geküßt hat­te, ant­wor­te­te mir brüsk:

„Wir kön­nen Ihre Bewe­gung nicht gut­hei­ßen. Wir kön­nen die Juden nicht dar­an hin­dern, nach Jeru­sa­lem zu gehen, wir kön­nen dies aber auch nie­mals gut­hei­ßen. Wenn er nicht hei­lig war, wur­de der Boden Jeru­sa­lems durch das Leben Jesu Chri­sti gehei­ligt. Als Haupt der Kir­che kann ich Ihnen kei­ne ande­re Ant­wort geben. Die Juden haben Unse­ren Herrn nicht aner­kannt. Wir kön­nen nicht das jüdi­sche Volk anerkennen.“

Auf die­se Art wur­de der alte Kon­flikt zwi­schen Rom und Jeru­sa­lem, per­so­ni­fi­ziert durch mein Gegen­über und durch mich, in uns wie­der­be­lebt. Anfangs ver­such­te ich mich ver­söhn­lich zu geben. Ich hielt ihm eine kur­ze Rede über die Exter­ri­to­ri­a­li­tät. Das schien ihn nicht zu beein­drucken. „Jeru­sa­lem“, sag­te er, „darf um kei­nen Preis in die Hän­de der Juden fallen.“

Und was den­ken Sie über den der­zei­ti­gen Sta­tus, Euer Heiligkeit?

„Ich weiß, es ist bedau­er­lich, die Tür­ken im Besitz unse­rer Hei­li­gen Stät­ten zu sehen. Wir müs­sen uns aber damit abfin­den. Die Unter­stüt­zung des Wunschs der Juden, sich dort nie­der­zu­las­sen, ist uns unmöglich.“

Ich ant­wor­te­te ihm, daß wir unse­re Bewe­gung wegen des Lei­dens der Juden gegrün­det haben und gewillt sind, alle reli­giö­sen Fra­gen bei­sei­te zu lassen.

„Gut, aber als Haupt der Katho­li­schen Kir­che kön­nen wir nicht die glei­che Hal­tung ein­neh­men. Man ver­ur­sacht eine der bei­den fol­gen­den Din­ge: ent­we­der wer­den die Juden wei­ter­hin ihren alten Glau­ben bewah­ren und wei­ter­hin auf den Mes­si­as war­ten, von dem wir Chri­sten glau­ben, daß er bereits auf die Erde gekom­men ist, in die­sem Fall leug­nen sie die Gott­heit Chri­sti und wir kön­nen ihnen nicht hel­fen, oder sie gehen nach Palä­sti­na ohne irgend­ei­ne Reli­gi­on zu beken­nen, in die­sem Fall haben wir nichts mit ihnen zu tun.
Der jüdi­sche Glau­be hat das­sel­be Fun­da­ment wie unse­rer, wur­de aber durch die Leh­ren Chri­sti über­holt, wes­halb ich nicht aner­ken­nen kann, daß er heu­te noch irgend­ei­ne Gül­tig­keit hat. Die Juden, die als erste Jesus Chri­stus erken­nen soll­ten, haben es bis heu­te nicht getan.“

Mir lag schon die Anmer­kung auf der Zun­ge: „Das pas­siert in jeder Fami­lie, nie­mand glaubt sei­nen näch­sten Ver­wand­ten“. In Wirk­lich­keit sag­te ich aber: „Ter­ror und Ver­fol­gung waren sich nicht die besten Mit­tel, um die Juden zu bekehren.“

Sei­ne Ant­wort, war in ihrer Ein­fach­heit ein Ele­ment der Größe:

„Unser Herr kam in die Welt ohne Macht. Er war arm. Er kam in Frie­den. Er ver­folg­te nie­man­den, Er wur­de sogar von sei­nen Apo­steln ver­las­sen. Erst spä­ter erreich­te sie ihre wah­re Natur. Die Kir­che brauch­te drei Jahr­hun­der­te an Ent­wick­lung. Die Juden hat­ten also alle Zeit, um die Gott­heit Chri­sti ohne Druck und ohne Gewalt zu akzep­tie­ren. Aber sie ent­schie­den sich, es nicht zu tun und haben es bis heu­te nicht getan.“

Aber die Juden haben schreck­li­che Prü­fun­gen durch­ge­macht. Ich weiß nicht, ob Eure Hei­lig­keit die Schrecken der Tra­gö­die kennt. Wir brau­chen ein Land für die­se Umherirrenden.“

„Muß es Jeru­sa­lem sein?“

Wir for­dern nicht Jeru­sa­lem ohne Palä­sti­na, das jahr­hun­der­te­al­te Land.

„Wir kön­nen uns nicht für die­ses Pro­jekt erklären.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Infovaticana

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