(Rom) Liturgiefreier Tag, Gottesdienst statt Heilige Messe, Generalabsolution statt Beichte. Der Mißbrauch als Mogelpackung kennt viele Ausdrucksformen. Davon ist die Predigt nicht ausgenommen. Ein Pfarrer erfand als neueste Neuheit für die Fastenzeit eine „Predigt im Dialog“. Die Predigt verlegte er ganz ans Ende der Heiligen Messe und bietet den Gläubigen an, in der Kirche auf seine Predigt zu replizieren, zu diskutieren und ihre Meinung zu sagen.
Was eine Predigt ist, ist in den kirchlichen Bestimmungen genau festgelegt. In der Einleitung zum Missale Romanum heißt es unter Nummer 65:
Die Homilie ist ein Teil der Liturgie und wird nachdrücklich empfohlen: Denn sie ist notwendig, um das christliche Leben zu nähren. Sie soll einen Gesichtspunkt aus den Lesungen der Heiligen Schrift oder aus einem anderen Text des Ordinariums oder des Propriums der Tagesmesse darlegen – unter Berücksichtigung des Mysteriums, das gefeiert wird, und der besonderen Erfordernisse der Hörer.
Die Konzilskonstitution Sacrosanctum Concilium sagt über die Predigt unter Nummer 52:
Die Homilie, in der im Laufe des liturgischen Jahres aus dem heiligen Text die Geheimnisse des Glaubens und die Richtlinien für das christliche Leben dargelegt werden, wird als Teil der Liturgie selbst sehr empfohlen. Ganz besonders in den Messen, die an Sonntagen und gebotenen Feiertagen mit dem Volk gefeiert werden, darf man sie nicht ausfallen lassen, es sei denn, es liege ein schwerwiegender Grund vor.
Es handelt sich also weder um irgendeine Rede noch um eine Talk Show und auch nicht um eine Diskussionsrunde. In der Einleitung zum Missale heißt es unter Nummer 66:
In der Regel hat der zelebrierende Priester selbst die Homilie zu halten, oder sie ist von ihm einem konzelebrierenden Priester zu übertragen (…) niemals jedoch einem Laien. In besonderen Fällen und aus einem gerechten Grund kann die Homilie auch vom Bischof oder von einem Priester gehalten werden, der an der Feier teilnimmt, ohne daß er konzelebrieren kann.
Verbot der Laienpredigt in Heiliger Messe auch für PastoralassistentInnen
Eine Präzisierung, die unter Verweis auf Canon 767 des Kirchenrechts erfolgt, in dem festgelegt ist:
Unter den Formen der Predigt ragt die Homilie hervor, die Teil der Liturgie selbst ist und dem Priester oder dem Diakon vorbehalten wird; in ihr sind das Kirchenjahr hindurch aus dem heiligen Text die Glaubensgeheimnisse und die Normen für das christliche Leben darzulegen.
Eine Bestimmung, die sich ebenso im Artikel 3 der Instruktion zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester von 1997 findet:
Die Homilie ist als herausragende Form der Predigt, „qua per anni liturgici cursum ex textu sacro fidei mysteria et normae vitae christianae exponuntur“, Teil der Liturgie selbst.
Daher muß die Homilie während der Eucharistiefeier dem geistlichen Amtsträger, Priester oder Diakon, vorbehalten sein. Ausgeschlossen sind Laien, auch wenn sie in irgendwelchen Gemeinschaften oder Vereinigungen Aufgaben als „Pastoralassistenten“ oder Katecheten erfüllen. Es geht nämlich nicht um eine eventuell bessere Gabe der Darstellung oder ein größeres theologisches Wissen, sondern vielmehr um eine demjenigen vorbehaltene Aufgabe, der mit dem Weihesakrament ausgestattet wurde. Deshalb ist nicht einmal der Diözesanbischof bevollmächtigt, von der Norm des Kanons zu dispensieren. Es handelt sich nämlich nicht um eine bloß disziplinäre Verfügung, sondern um ein Gesetz, das die Aufgaben des Lehrens und Heiligens betrifft, die untereinander eng verbunden sind.
Wenn der Pfarrer nicht predigen will oder nicht predigen darf
Der Blick in die Dokumente zeigt, daß die Bestimmungen zum Thema eindeutig und verbindlich sind. Dennoch nimmt der Mißbrauch zu. Es gibt Pfarreien, in denen die Pastoralassistentin predigt, weil der Pfarrer dies für „abwechslungsreicher“ und „gut“ findet. Es gibt ebenso Pfarreien, wo der Pfarrer gar nicht predigen darf, weil das „Seelsorgeteam“ den Predigtdienst einteilt und den Pfarrer im Rotationsverfahren nur turnusweise zum Zug kommen läßt. Es gibt Pfarreien, in denen der protestantische Pastor im Sinne eines „ökumenischen Predigttausches“ in der katholischen Messe predigt. Und es gibt Pfarreien, in denen statt der Predigt ein Tanz aufgeführt oder ein Entwicklungshilfeprojekt vorgestellt wird. Der „Markt der Möglichkeiten“, läßt der Phantasie breiten Raum. Allen diesen Formen gemeinsam ist, daß sie nicht erlaubt sind und damit einen liturgischen Mißbrauch darstellen.
Auf Predigt replizieren, Meinung sagen, diskutieren
Eine neue Idee hatte ein italienischer Pfarrer von San Carlo Borromeo von Pognano in der Heimatdiözese von Johannes XXIII. In der Fastenzeit bietet er seinen Gläubigen in der Sonntagsmesse als „Neuheit“ die Möglichkeit, in der Kirche auf seine Predigt zu reagieren. Die Gläubigen können ihm in der Kirche Fragen stellen oder ihre Meinung sagen. Das Ganze nennt sich „Predigt im Dialog“. Sie soll, wie es im Pfarrblatt heißt, Antwort auf eine allgemein Kritik sein, daß der Priester vom Ambo spreche, „ohne daß die Gläubigen die Möglichkeit haben, zu antworten, zu erwidern und zu argumentieren“. Deshalb, so der Pfarrer im Pfarrblatt, „zelebriere ich die Messe, schließe mit der Homilie ab und eröffne die Debatte“. Die Predigt verlegt er dafür eigenmächtig an das Ende der Eucharistiefeier.
Die Initiative wurde in der jüngsten Ausgabe von Famiglia Cristiana, der größten katholischen Wochenzeitschrift des Landes lobend hervorgehoben.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Mittelalterliche Miniatur