(Rom) Eigentliches Konzil und Medienkonzil: wiederholt sich dieselbe Dualität bei der bevorstehenden Bischofssynode zur Familie? Nur mit dem Unterschied, daß es diesmal vom Papst und der höchsten kirchlichen Hierarchie sogar gewollt scheint. Der Vatikanist Sandro Magister analysiert die jüngste Entwicklung der Katholischen Kirche und geht dabei weit über die Bischofssynode und die sich abzeichnenden Einschnitte in die kirchliche Lehre und Praxis hinaus. Die großen Weichenstellungen in der Kirche an einem Beispiel: In den 90er Jahren stellte sich Joseph Ratzinger entschieden Kaspers Wünschen nach einer anderen Glaubenslehre entgegen. 2014 macht Papst Franziskus diese Wünsche zum Wegweiser für die Kirche.
Mit dem Aufstieg eines Jesuiten auf den Papstthron und den seither vorgenommenen Weichenstellungen laufe das Verhältnis zwischen Kirche und den weltlichen Mächten Gefahr, von einem Dialog in eine Unterwerfung der Kirche unter die weltlichen Mächte zu kippen. Ein Verhältnis, das jenem der Dhimmis in einer islamischen Gesellschaft ähnle, so Magister. Hier seine explosive Analyse. Die Zwischentitel stammen von der Redaktion.
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Die zwei Synoden: die eigentliche und die der Medien
von Sandro Magister
Die zwei Synoden: die eigentliche Synode und die der Medien. Es wiederholt sich rund um die bevorstehende Bischofssynode zur Familie dasselbe Phänomen, das bereits das Zweite Vatikanische Konzil beeinflußte. Nur scheint diese Doppelung diesmal gewollt, mit allen Risiken, die damit verbunden sind.
Beim ersten ordentlichen Konsistorium seines Pontifikats ging Jorge Mario Bergoglio nicht zimperlich mit der Kardinalskaste um. Zur Eröffnung der Versammlung schrieb er ihr „Rivalitäten, Neid, Fraktionsbildungen“ zu. In der Abschlußpredigt: „Intrigen, Getratsche, Seilschaften, Begünstigungen, Bevorzugungen“
Vom Papst wenig geschätztes Kardinalskollegium
Und dennoch hat Franziskus diesem von ihm so wenig geschätzten Kardinalskollegium auf höchster Ebene die wichtige Diskussion des Themas der kommenden Bischofssynode anvertraut: die Familie. In einer Zeit, in der sie, wie der Papst sagte, „verachtet und mißhandelt“ wird.
Die Synode über die Familie war im Fokus der Begegnungen und Zusammenkünfte, die in den vergangenen Tagen im Vatikan stattfanden. Das gesamte Kardinalskollegium widmete dem Thema am 20. und 21. Februar zwei ganze Tage. Zwei weitere Tage befaßte sich am 24. und 25. Februar das Generalsekretariat der Bischofssynode damit. Zusammengenommen befaßte sich also gewissermaßen die erwählte Aristokratie der weltkirchlichen Hierarchie mit dem Thema.
Beide Versammlungen fanden hinter verschlossenen Türen statt. Das ist normal so. Doch was bekannt wurde von diesem Marsch Richtung Synode genügt, um das Neue und das Unvorhersehbare geradezu greifen zu können, das Papst Franziskus eingeführt hat.
Die Diskussion der Kardinäle wurde von einem zweistündigen Referat von Kardinal Walter Kasper eingeleitet. Das Generalsekretariat der Bischofssynode prüfte die aus der ganzen Welt eingegangenen Antworten auf den Fragebogen von Oktober.
Die Rede von Kasper wurde nicht veröffentlicht, sondern von Vatikansprecher Pater Federico Lombardi nur knapp und frei zusammengefaßt. Allerdings wurde einem Journalisten der Text zugänglich gemacht. In Kürze soll er in Deutschland publiziert werden.
Kaspers Denkkapriolen: von Ratzinger abgewehrt, von Bergoglio zum Wegweiser erhoben
Die Entscheidung von Papst Bergoglio, Kasper mit dem Einleitungsreferat zu betrauen, wurde als Signal für eine mögliche Richtungsänderung in der Praxis der Kirche interpretiert und zwar in einem neuralgischen Punkt: dem Verbot für wiederverheiratet Geschiedene, die Kommunion zu empfangen.
Bereits in den 90er Jahren fiel Kasper als Verfechter einer Änderung auf, zusammen mit anderen deutschen Kardinälen und Bischöfen. Damals stellte sich ihnen der damalige Präfekt der Glaubenskongregation Joseph Ratzinger entgegen und verhinderte jedes Weitergehen.
Dieses Mal forderte Kasper nicht mehr ausdrücklich eine Änderung der Lehre. Er ließ jedoch erkennen, daß er die Erwartung in diese Richtung hegt, vor allem als er vom „Bußsakrament als gültigen Weg für eine Lösung des Problems“ sprach.
Unter den 69 Kardinälen, die sich nach dem Referat zu Wort meldeten, haben etliche ganz offen Neuerungen in diesem Punkt gefordert. Bereits in den vergangenen Monaten hatten einige Kardinäle und Bischöfe dies in Interviews und Erklärungen getan.
Angriff auf Ehesakrament: Erster Anstoß kam von Papst Franziskus
Papst Franziskus selbst hatte ein Signal in diese Richtung ausgesendet und damit die Frage erst richtig ins Rollen gebracht, als er im vergangenen Juli auf dem Rückflug aus Brasilien sybillinisch zur Presse sagte:
„Ich öffne eine Klammer: Die Orthodoxen haben eine andere Praxis. Sie folgen der Theologie der Ökonomie, wie sie sie nennen und geben eine zweite Gelegenheit. Sie lassen das zu. Ich glaube aber, daß dieses Problem – und damit schließe ich die Klammer – im Rahmen der Ehepastoral zu studieren ist. Wir sind auf dem Weg zu einer etwas tieferen Ehepastoral.“
Wenig später billigte der Papst auch die Veröffentlichung einer Erklärung des Präfekten der Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller, die mit aller Klarheit die Unantastbarkeit der unauflöslichen Ehe verteidigte.
Lebhafte Komplimente für Kardinal Kasper als bewußtes Signal
Doch nun sendete Franziskus erneut Signale einer Richtungsänderung aus, indem er Kasper das einzige Einführungsreferat für die Diskussion der Kardinäle übertrug und ihm danach lebhaft Komplimente spendete.
Für die Zulassung der wiederverheiratet Geschiedenen zur Kommunion sprachen sich im deutschen Sprachraum fast plebiszitär die Antworten auf den Fragebogen aus. Die Ergebnisse machten die Bischofskonferenzen von Deutschland, Österreich und der Schweiz publik. Sie taten das in offener Übertretung der Geheimhaltungspflicht, wofür sie vom Generalsekretär der Bischofssynode, Neokardinal Lorenzo Baldisseri getadelt wurden.
Technisch eignet sich der Fragebogen nicht, um daraus glaubwürdige statistische Daten ableiten zu können. Jeder konnte darauf antworten und dies auch mehrfach. Es ist offensichtlich, daß sich für die Beantwortung und die Werbung dafür vor allem die Verfechter einer Änderung mobilmachten, sowohl Einzelpersonen als auch Gruppen.
Das „Ja, aber…“ zur Strategie erhoben
Als der Fragebogen am vergangenen 5. November der Presse vorgestellt wurde, sagte Erzbischof Bruno Forte, Sondersekretär der Synode, daß die Synode „nicht gemäß Mehrheit zu entscheiden oder der öffentlichen Meinung zu folgen hat“. Allerdings fügte er auch hinzu, daß es „falsch wäre, es zu ignorieren, daß ein beachtlicher Teil der öffentlichen Meinung ein bestimmtes Anliegen hat“.
Die Verfechter dieses „Basis“-Anliegens berufen sich vor allem auf zwei Aussagen, die in den Predigten von Papst Franziskus immer wiederkehren.
- Erstens: Die Hirten der Kirche sollen „den Geruch der Schafe“ haben.
- Zweitens und deutlicher: Die Hirten sollen nicht nur vor der Herde und mitten drinnen gehen, sondern auch dahinter, „weil die Herde selbst die Nase hat, die Straße zu finden“.
Das alles erklärt die steigenden Erwartungen in der öffentlichen Meinung inerhalb und außerhalb der Kirche. Erwartungen einer Änderung der katholischen Lehre und der Praxis und das nicht nur in der Frage der wiederverheiratet Geschiedenen, sondern auch zu anderen Themen, die heute auf der Tagesordnung stehen, wie die Homo-Partnerschaften, die Formen, wie Kinder gezeugt und adoptiert werden können usw.
Erwartungen auf Änderung der kirchlichen Lehre gezielt geschürt
Es ist leicht vorhersehbar, daß diese Erwartungen der öffentlichen Meinung noch stärker und drängender werden, sobald sich die Synode im Oktober zur ersten Session mit der Aufgabe versammelt, vorerst nur um Vorschläge zu sammeln. Erst die zweite Session im Herbst 2015 ist gerufen, dem Papst konkrete Vorschläge für dessen Letztentscheidung zu machen.
Damit geschieht mit dieser Synode genau das, was unwidersprochen mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil geschehen ist: die Doppelung eines „externen“ Konzils, das in den Medien besonders aktiv war und ganz anderen Kriterien folgte, aber imstande war, auf entscheidende Weise das eigentliche Konzil zu beeinflussen. Nur dieses Mal scheint es sich geradezu als Willensakt des Papstes und der hohen kirchlichen Hierarchie zu wiederholen.
Dramatische Warnung Benedikts XVI. für die Zukunft der Kirche
Vor einem Jahr, in einer seiner allerletzten Ansprachen als Papst und bereits nach der Ankündigung seines Amtsverzichts, rief Benedikt XVI. diese beiden Parallel-Konzile in Erinnerung, die er auf dramatische Weise selbst erlebt hatte. Er tat dies mit Worten von leuchtender Klarheit:
„Es gab das Konzil der Väter – das wahre Konzil –, aber es gab auch das Konzil der Medien. Es war fast ein Konzil für sich, und die Welt hat das Konzil durch diese, durch die Medien wahrgenommen. Das Konzil, das mit unmittelbarer Wirkung beim Volk angekommen ist, war also das der Medien, nicht das der Väter.“
Und weiter:
„Und während das Konzil der Väter sich innerhalb des Glaubens vollzog, […] entfaltete sich das Konzil der Journalisten natürlich nicht im Glauben, sondern in den Kategorien der heutigen Medien, also außerhalb des Glaubens, mit einer anderen Hermeneutik. Es war eine politische Hermeneutik: Für die Medien war das Konzil ein politischer Kampf, ein Machtkampf zwischen verschiedenen Strömungen in der Kirche. Selbstverständlich haben die Medien für jene Seite Partei ergriffen, die ihnen zu ihrer Welt am besten zu passen schien.“
Und weiter:
„Wir wissen, daß dieses Konzil der Medien allen zugänglich war. Es war also das vorherrschende, das sich stärker ausgewirkt und viel Unheil, viele Probleme, wirklich viel Elend herbeigeführt hat: geschlossene Seminare, geschlossene Klöster, banalisierte Liturgie … und das wahre Konzil hatte Schwierigkeiten, umgesetzt, verwirklicht zu werden; das virtuelle Konzil war stärker als das wirkliche Konzil.“
Wie dieses „externe“ Paradigma, ein Produkt der Welt und für die Welt, zum eigentlichen, wirklichen Interpretationskanon des Zweiten Vatikanisches Konzil wurde, so läuft die von Papst Franziskus einberufene Synode für die Familie nun dieselbe Gefahr. Ein Paradigma, das auch die Präsenz der Kirche auf der öffentlichen Bühne verändert, wo gerade die Familie härtesten und grundsätzlichen Herausforderungen ausgesetzt ist.
Der Applaus der Jesuiten und der Geist des Jesuiten Martini
Ein Symptom dafür ist ein Artikel, der in der jüngsten Ausgabe der Civiltà Cattolica erschienen ist, jener römischen Zeitschrift der Jesuiten, die mit einem Jesuiten als Papst in die Rolle eines offiziösen Sprachrohrs der Kirchenführung geschlüpft ist.
Der Autor des Artikels, Pater GianPaolo Salvini, der bereits Schriftleiter des Blattes und ein sehr enger Freund des verstorbenen Kardinals Carlo Maria Martini war, zog ein Dokument heraus, das vor einem Jahr eine Kommission der Französischen Bischofskonferenz produziert hat, und er präsentierte es als Modell für die ideale Präsenz der Kirche auf der öffentlichen Bühne, einer Präsenz „auf der Höhe der Zeit“. Natürlich entspreche die christliche Vision der Ehe nicht dem, was heute in verschiedenen Ländern durchgesetzt wird. Für die Civiltà Cattolica aber soll dies für die Kirche kein Anlaß sein, zu „heftiger Polemik“ oder gar dazu, Verurteilungen auszusprechen.
„Wir brauchen keine Angst zu haben, daß unsere Art zu leben in Widerspruch zu den in Mode stehenden Normen der derzeitigen Gesellschaft tritt. Das Wichtige ist, daß unser Zeugnis nicht wie ein Urteil über andere erscheint, sondern als Übereinstimmung zwischen unserem Glauben und unserem Handeln. Auf diese Weise wird es möglich sein, einen konstruktiven Beitrag auch für die gesamte Gesellschaft zu erbringen.“
Katholiken füllen die Straßen, Bischöfe zogen sich zurück
Für eine kurze Zeit bemühte sich der französische Episkopat, als der Erzbischof von Paris, André Kardinal Vingt Trois Vorsitzender war, mit Nachdruck und Mut der von Staatspräsident François Hollande gewollten sexuellen Revolution entgegenzuwirken. Benedikt XVI. hatte dazu seine volle Unterstützung gegeben mit seiner messerscharfen letzten Weihnachtsansprache an die Römische Kurie am 21. Dezember 2012.
Als dann aber die Homo-Ehe zum Gesetz wurde, zogen sich die französischen Bischöfe von der öffentlichen Bühne zurück, obwohl die Katholiken weiterhin auf die Straßen gehen und die Plätze füllen, und mit ihnen auch Juden, Moslems, Agnostiker, die dieses und ähnliche Gesetze ablehnen.
Den Geist einer kreativen und kämpferischen Minderheit haben die Bischöfe Frankreichs mit einem Geist der bloßen Zeugenschaft ersetzt, der sich auf „positive Anregungen, die in den Gründen der anderen enthalten sind“ konzentriert und dem Verurteilungen fremd sind: „Wer bin ich, um zu urteilen?“
Dhimmi-Zukunft der Kirche, den weltlichen Mächten unterworfen?
Und dafür erhielten sie den Applaus der römischen Jesuiten, die sie zum Modell für die Weltkirche erkoren haben und das alles mit dem Imprimatur des Vatikans und letztlich des Papstes.
Dies mit der Gefahr, daß mit diesem Modell zwischen der Kirche und den weltlichen Mächten nicht ein Verhältnis des Dialogs, sondern der Unterwerfung geschaffen wird, wie für die „Dhimmi“ in einer islamischen Gesellschaft.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Una Fides