Franziskus und seine Vorgänger. Die Geheimnisse der Popularität eines Papstes


Die Päpste und das Geheimnis ihrer Popularität(Rom/​Washington) Was macht das Geheim­nis der Popu­la­ri­tät eines Pap­stes aus? Genau vor einem Jahr wur­de Papst Fran­zis­kus gewählt. Seit einem Jahr wird berich­tet, daß sei­ne Popu­la­ri­täts­wer­te über­durch­schnitt­lich hoch sind. Der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster ging der Fra­ge nach, ob das so stimmt. Er tat es anhand der lang­jäh­ri­gen Erhe­bun­gen des Pew Rese­arch Cen­ters, das die Stim­mung unter den Katho­li­ken der USA erhebt. Das ist zwar nur ein Staat von 193 und betrifft weni­ger als sechs Pro­zent der Katho­li­ken welt­weit. Ein Blick dar­auf lohnt dennoch.

84 Prozent Zustimmung für Papst Franziskus unter US-Katholiken

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Das Pew Rese­arch Cen­ter erhob bereits im März 2013, nur zehn Tage nach der Wahl von Papst Fran­zis­kus einen Zustim­mungs­grad von sagen­haf­ten 84 Pro­zent. Ein Zustim­mungs­wert, um den das katho­li­sche Kir­chen­ober­haupt von jedem Poli­ti­ker benei­det wird. Seit einem Jahr hat sich dar­an fak­tisch nichts geän­dert. Die Zustim­mung liegt heu­te mit 85 Pro­zent nur knapp dar­über. Aus die­sen Daten spei­sen sich die über die Pres­se­agen­tu­ren seit Mona­ten medi­al ver­mit­tel­ten Popularitätswerte.

83 Prozent Zustimmung für Benedikt XVI.

Das Pew Rese­arch Cen­ter, wie Magi­ster erin­nert, hat ein gro­ßes Archiv und vor allem ein Langszeit­ge­dächt­nis. Obwohl seit den ersten Tagen nach der Papst­wahl in den Medi­en eine außer­ge­wöhn­li­che Popu­la­ri­tät ver­mit­telt wird, als wür­de sie sich deut­lich von jener sei­ner Vor­gän­ger abhe­ben, ist dem nicht wirk­lich so. Auch Papst Bene­dikt XVI., der media­le Buh­mann unter den jüng­sten Päp­sten, erreich­te unter den US-Katho­li­ken Zustim­mungs­wer­te von 83 Pro­zent. Was die 83 Pro­zent Zustim­mung für Bene­dikt XVI. von den 84 Pro­zent von Fran­zis­kus unter­schei­det, sind die Schlag­zei­len der Medi­en. Anders gesagt, nicht die Zustim­mung der Katho­li­ken vari­iert stark, son­dern jene der Jour­na­li­sten, die ein bestimm­tes Bild von einem Papst vermitteln.

Tat­sa­che ist, daß Bene­dikt XVI. die­se Wer­te aber nicht so leicht zuflo­gen wie Fran­zis­kus. Wäh­rend sie der argen­ti­ni­sche Papst gewis­ser­ma­ßen aus dem Stand her­aus erreich­te, muß­te sie sich Bene­dikt XVI. Schritt um Schritt durch sein Pon­ti­fi­kat erwer­ben. Zwei Wochen nach sei­ner Wahl erreich­te er „nur“ 67 Pro­zent Zustim­mung gegen 84 für Fran­zis­kus. Ledig­lich 17 Pro­zent der US-Katho­li­ken stan­den dem deut­schen Papst sehr posi­tiv, 50 wei­te­re Pro­zent posi­tiv gegen­über. Jor­ge Mario Berg­o­glio stan­den 43 Pro­zent sofort sehr posi­tiv und wei­te­re 41 Pro­zent posi­tiv gegenüber.

93 Prozent Zustimmung für Johannes Paul II.

Der Spit­zen­rei­ter unter den belieb­te­sten jüng­sten Päp­sten ist und bleibt jedoch Johan­nes Paul II. Am Höhe­punkt sei­nes Pon­ti­fi­kats in den 80er und 90er Jah­ren erreich­te er kon­stant Zustim­mungs­wer­te von 91–93 Prozent.

Das Pew Rese­arch Cen­ter erhob gleich­zei­tig seit den 80er Jah­re einen zuneh­men­den Wunsch unter den US-Katho­li­ken nach einer Locke­rung der katho­li­schen Moral­leh­re und der kirch­li­chen Ord­nung. Ten­den­zi­ell zuneh­mend wün­schen sie sich mehr „Frei­hei­ten“ bei der Ver­hü­tung, daß Prie­ster hei­ra­ten dür­fen, in gerin­ge­rem Maße das Frau­en­prie­ster­tum und in noch gerin­ge­rem Maße sogar die „Homo-Ehe“.

Popularität eines Papstes seinem Amt nicht seinen Positionen geschuldet

Die Zustim­mung zu einem Papst scheint jedoch nicht an die­se ten­den­zi­el­len „Wün­schen“ der Katho­li­ken gekop­pelt zu sein. Die Anhäng­lich­keit an einen Papst gilt dem Petrus und nicht sei­ner even­tu­el­len Bereit­schaft zu „Öff­nun­gen“ und „Neue­run­gen“ in den genann­ten Fra­gen. „Die Popu­la­ri­tät eines Pap­stes ist nicht Syn­onym für Locke­rung und Nach­gie­big­keit. Im Gegen­teil“, so Magister.

Blei­ben wir gleich bei Johan­nes Paul II. Zu allen genann­ten The­men gab es beim pol­ni­schen Papst nicht die gering­ste Bereit­schaft, den uti­li­ta­ri­sti­schen Wün­schen der ihm anver­trau­ten Her­de ent­ge­gen­zu­kom­men oder nach­zu­ge­ben. Am Höhe­punkt sei­nes Pon­ti­fi­kats in den 90er Jah­ren mit einer ple­bis­zi­tä­ren Zustim­mungs­spit­ze von 93 Pro­zent ver­öf­fent­lich­te er die Enzy­kli­ka Veri­ta­tis spen­dor (1993), in der er wort­mäch­tig mit Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger einen Abso­lut­heits­an­spruch for­mu­lier­te, unnach­gie­big, unver­äu­ßer­lich, unab­än­der­lich. Glei­ches gilt für die Enzy­kli­ka Evan­ge­li­um vitae (1995) mit einer erschüt­tern­den Ankla­ge gegen Abtrei­bung und Eutha­na­sie. Mit Dut­zen­den Anspra­chen führ­te er damals einen offe­nen Kampf zur Ver­tei­di­gung des Lebens gegen eine neue Welt­ord­nung. Man den­ke nur an die UN-Bevöl­ke­rungs­kon­fe­renz in Kai­ro 1994. Er sprach ohne wenn und aber mit sei­nem Apo­sto­li­schen Schrei­ben Ordi­na­tio sacer­do­ta­lis eine Ver­ur­tei­lung gegen das Frau­en­prie­ster­tum aus (1994). Noch im sel­ben Jahr rief er ein Jahr der Fami­lie aus und ermahn­te in einem Brief an alle Bischö­fe, das Ver­bot ein­zu­hal­ten, wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen die Hei­li­ge Kom­mu­ni­on zu spenden.

Sei­ne Zustim­mungs­wer­te unter den US-Katho­li­ken waren genau zu jener Zeit in exor­bi­tan­ter Höhe und dies trotz Hin­nei­gung unter die­sen Katho­li­ken zum Wunsch, die katho­li­sche Moral­leh­re und Dis­zi­plin zu lockern.

Absolutheitsanspruch, Letzte Dinge und Summorum Pontificum

Ähn­li­ches läßt sich von Bene­dikt XVI. sagen. Am Höhe­punkt sei­ner Zustim­mungs­wer­te erließ er die Instruk­ti­on Dignita­tis per­so­nae zu den bren­nend­sten bio­ethi­schen Fra­gen der Zeit. Kurz zuvor hat­te er 20007 das Motu pro­prio Sum­morum pon­ti­fi­cum erlas­sen und damit der Welt­kir­che den über­lie­fer­ten Ritus zurück­ge­ge­ben, der zuvor in vie­len Diö­ze­sen, durch vie­le katho­li­sche Medi­en, Orden und Ver­bän­de gera­de­zu ver­pönt und ver­folgt wor­den war. Im sel­ben Jahr erließ er die Enzy­kli­ka Spe sal­vi, mit der er die lan­ge unbe­ach­tet geblie­be­nen vier Letz­ten Din­ge wie­der in Erin­ne­rung rief: Tod, Jüng­stes Gericht, Him­mel und Höl­le. Mit sei­ner Rei­se in die USA, als ihn die Men­schen zudem unge­fil­tert begeg­nen konn­ten, schnell­ten sei­ne Zustim­mungs­wer­te über jede Erwar­tung hin­aus. Und das im dem Land, das damals wegen des Pädo­phi­lie­skan­dals gera­de­zu als das hei­ße­ste Pfla­ster für die Katho­li­sche Kir­che galt. Glei­ches geschah bei sei­ner Rei­se nach Frank­reich, dem Land mit der radi­kal­sten lai­zi­sti­schen Tra­di­ti­on, in dem eine gewis­se Feind­se­lig­keit gegen die Kir­che und ein anti­ka­tho­li­sches Vor­ur­teil nicht nur zum „guten Ton“, son­dern im öffent­li­chen Leben gera­de­zu ein Muß schei­nen. Bene­dikt XVI. ver­stand es gera­de die ableh­nend gesinn­te Intel­li­genz anzu­spre­chen und mit sei­ner Lec­tio am Collà¨ge des Ber­nard­ins ihr wider Erwar­ten Respekt abzu­rin­gen. Nur im eige­nen Land wird dem „Pro­phe­ten“ bekannt­lich kein Gehör geschenkt, aber das ist ein ande­res Kapitel.

Gibt es einen „Bergoglio-Effekt“?

Zusam­men­fas­send läßt sich sagen, daß der in den Medi­en und bestimm­ten katho­li­schen Krei­sen viel behaup­te­te „Berg­o­glio-Effekt“ durch die Erhe­bung des Pew Rese­arch Cen­ters in sei­ner Trag­wei­te zurück­ge­stuft wird. Um genau zu sein, stellt sich die Fra­ge, ob es abseits der Medi­en­zunft über­haupt einen „Berg­o­glio-Effekt“ gibt. Die Zustim­mungs­wer­te erreich­te selbst ein medi­al bekämpf­ter Bene­dikt XVI. und wur­den von Johan­nes Paul II. deut­lich über­trof­fen. Ange­sichts der ein­zig­ar­ti­gen Medi­en­un­ter­stüt­zung für Fran­zis­kus, erschei­nen sei­ne Wer­te eher beschei­den. Das Pew Rese­arch Cen­ter ver­sucht auch Aus­wir­kun­gen auf die reli­giö­se Pra­xis zu erhe­ben. In den USA besuch­ten wäh­rend des Pon­ti­fi­kats von Bene­dikt XVI. 40 Pro­zent der Katho­li­ken am Sonn­tag die Hei­li­ge Mes­se. Genau­so vie­le sind es auch unter Papst Fran­zis­kus. Nicht mehr und nicht weni­ger. Die Zahl der Beich­ten ist im ersten Jahr des Pon­ti­fi­kats von Fran­zis­kus wei­ter gesunken.

Was das Pew Rese­arch Cen­ter hin­ge­gen fest­stell­te, ist, daß der Eifer unter den prak­ti­zie­ren­den Katho­li­ken ein neu­es Wie­der­erwa­chen erlebt. Dazu wären nähe­re Anga­ben von Interesse.

Tiefverwurzelte, gesunde Anhänglichkeit der Katholiken zum Papst

Grund­sätz­lich zei­gen die Erhe­bun­gen eine tief­ver­wur­zel­te, gesun­de Anhäng­lich­keit der Katho­li­ken gegen­über dem katho­li­schen Kir­chen­ober­haupt unab­hän­gig von Per­son und Posi­tio­nen. Es sind nicht die Medi­en, die die­se Zustim­mung her­vor­brin­gen. Sie kön­nen nur ver­stär­ken oder dämp­fen. Die Medi­en kön­nen ten­den­zi­ell durch eine weit­ge­hen­de Zustim­mung wie zu Papst Fran­zis­kus oder lang­an­hal­ten­de Dis­kre­di­tie­rungs­kam­pa­gnen wie gegen Papst Bene­dikt XVI. den Trend ver­stär­ken oder abschwä­chen. Das Bild von Bene­dikt XVI. zum Zeit­punkt sei­ner Wahl war viel­fach von den Medi­en ver­zerrt, wes­halb sei­ne Anfangs­wer­te tie­fer lagen. Wer­te, die dann unter den Katho­li­ken durch sein Wir­ken kor­ri­giert wur­den. Papst Fran­zis­kus Wahl wur­de vom ersten Augen­blick an durch eine feu­er­werks­ar­ti­ge media­le Zustim­mungs­wel­le ver­mit­telt und erreich­te damit auch sofort höhe­re Zustimmungswerte.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati­can Insi­der (Mon­ta­ge)

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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