Der Schlüssel zum Verständnis der Glaubenskrise – Fatima und die Pflicht der Hirten (2. Teil)


o-l-fatima-bust2-e1305212573542von MMag. Wolf­ram Schrems

Anzei­ge

„Weh euch Geset­zes­leh­rern! Ihr habt den Schlüs­sel der Erkennt­nis weg­ge­nom­men. Ihr selbst seid nicht hin­ein­ge­gan­gen, und die, die hin­ein­ge­hen woll­ten, habt ihr dar­an gehin­dert“ (Lk 11, 52).

Im Anschluß an mei­nen Bei­trag vom 21. März in die­sem Forum hier der zwei­te von drei vor­ge­se­he­nen Teilen.

Rußlandweihe und Sühnesamstage

Gemäß der übli­chen Glie­de­rung der „drei Tei­le“ des „Geheim­nis­ses von Fati­ma“ folgt nun der zwei­te Teil der Visi­on, die die drei Kin­der am 13. Juli 1917 in der Land­schaft von Cova da Iria emp­fan­gen haben.

Nach­dem den drei Kin­dern das Schick­sal der Ver­damm­ten gezeigt wor­den war, ver­trau­te ihnen die Madon­na den zwei­ten Teil des Geheim­nis­ses an. Die­ser betrifft die For­de­rung des Him­mels nach der Wei­he Ruß­lands an das Unbe­fleck­te Herz Mari­ens und nach der Süh­ne­kom­mu­ni­on an den ersten Monats­sams­ta­gen, sowie die Kon­se­quen­zen für die Ver­wei­ge­rung die­ser Forderungen.

Sr. Lucia schrieb dazu in ihrer Lebenserinnerung:

Um sie [die armen Sün­der, die auf dem Weg in die Höl­le sind, Anm.] zu ret­ten, wünscht Gott die Andacht zu Mei­nem Unbe­fleck­ten Her­zen in der Welt zu eta­blie­ren. Wenn gemacht wird, was ich sage, wer­den vie­le See­len geret­tet und es wird Frie­de sein. Der Krieg wird bald zu Ende gehen; aber wenn die Men­schen nicht auf­hö­ren, Gott zu belei­di­gen, wird ein schlim­me­rer Krieg wäh­rend der Regie­rungs­zeit von Pius XI. aus­bre­chen. Wenn ihr eine Nacht, die von einem unbe­kann­ten Licht erleuch­tet wird, seht, dann wißt, daß dies das gro­ße Zei­chen von Gott ist, daß er im Begriff ist, die Welt für ihre Ver­bre­chen durch Krieg, Hun­gers­not und Ver­fol­gun­gen der Kir­che und des hl. Vaters zu bestrafen.

Um das zu ver­hin­dern, wer­de ich kom­men und um die Wei­he Ruß­lands an Mein Unbe­fleck­tes Herz sowie um die Süh­ne­kom­mu­ni­on an den ersten Sams­ta­gen bit­ten. Wenn mei­ne Bit­ten erhört wer­den, wird sich Ruß­land bekeh­ren und es wird Frie­de sein; wenn nicht, wird es sei­ne Irr­tü­mer über die gan­ze Welt ver­brei­ten und Krie­ge und Ver­fol­gun­gen der Kir­che ver­ur­sa­chen. Die Guten wer­den das Mar­ty­ri­um erlei­den, der hl. Vater wird viel zu lei­den haben, ver­schie­de­ne Natio­nen wer­den ver­nich­tet wer­den.“ (Eige­ne Über­set­zung von Ein­lei­tung und Zitat nach.)

Spätere Präzisionen

Am 10.12.25 erhielt Sr. Lucia als Postu­lan­tin im Doro­thee­rin­nen­klo­ster von Pon­te­ve­dra (im spa­ni­schen Gali­zi­en) im Anschluß die Bot­schaft vom 13. Juli 1917 fol­gen­de Ein­spre­chung der Muttergottes:

Schau auf mein Herz, mei­ne Toch­ter, das mit Dor­nen umkränzt ist, mit denen undank­ba­re Men­schen mich jeden Moment durch ihre Got­tes­lä­ste­run­gen und Undank­bar­keit ste­chen. Du wenig­stens ver­su­che mich zu trö­sten, und ver­kün­di­ge in mei­nem Namen, daß ich alle in der Todes­stun­de mit den heils­not­wen­di­gen Gna­den zu unter­stüt­zen ver­spre­che, die mit der Absicht, mir Genug­tu­ung zu lei­sten, an den ersten Sams­ta­gen von fünf auf­ein­an­der­fol­gen­den Mona­ten beich­ten, die hl. Kom­mu­ni­on emp­fan­gen, fünf Gesätz­chen des Rosen­kran­zes beten und mir fünf­zehn Minu­ten Gesell­schaft lei­sten, indem sie die fünf­zehn Geheim­nis­se des Rosen­kran­zes betrach­ten“ (nach).

Spä­ter ant­wor­te­te Sr. Lucia auf die Fra­ge, war­um es gera­de fünf Sams­ta­ge sein sollten:

„Wenn ich mich nicht irre, ist es das, was mir [in der Nacht auf den 30. Mai 1930, Anm.] geof­fen­bart wurde:

‚Mei­ne Toch­ter (sag­te Unser Herr), der Grund ist ein­fach. Es gibt fünf Typen von Belei­di­gun­gen und Blas­phe­mi­en, die gegen das Unbe­fleck­te Herz Mari­ens gerich­tet sind:

  1. Läste­run­gen gegen die Unbe­fleck­te Empfängnis
  2. Läste­run­gen gegen ihre Immer­wäh­ren­de Jungfräulichkeit
  3. Läste­run­gen gegen ihre Got­tes­mut­ter­schaft, dabei die Wei­ge­rung zur sel­ben Zeit, sie als Mut­ter der Men­schen anzuerkennen
  4. Die Läste­run­gen derer, die in der Öffent­lich­keit Gleich­gül­tig­keit oder Ver­ach­tung oder sogar Haß gegen die­se Unbe­fleck­te Mut­ter in die Her­zen der Kin­der zu säen trachten
  5. Die Belei­di­gun­gen durch jene, die sie direkt in ihren hei­li­gen Abbil­dun­gen ver­höh­nen‘“ [1]Über­set­zung nach: Mark Fel­lows, Fati­ma in Twilight, Mar­mi­on Publi­ca­ti­ons, Nia­ga­ra Falls, 2003

Konkrete Anmahnung der Weihe Rußlands

Am 13. Juni 1929 wur­de Sr. Lucia im Klo­ster von Tuy, Pro­vinz Pon­te­ve­dra, einer Visi­on der Aller­hei­lig­sten Drei­fal­tig­keit und der Mut­ter­got­tes gewür­digt und erhielt nach ihrem Bericht in den Memoi­ren dabei fol­gen­de Botschaft:

„Dann sag­te Unse­re Lie­be Frau zu mir: ‚Der Moment ist gekom­men, in dem Gott den hl. Vater bit­tet, in Gemein­schaft mit allen Bischö­fen der Welt Ruß­land Mei­nem Unbe­fleck­ten Her­zen zu wei­hen, wobei er ver­spricht, es durch die­ses Mit­tel zu ret­ten. So zahl­reich sind die See­len, die die Gerech­tig­keit Got­tes wegen der gegen Mich began­ge­nen Sün­den ver­dammt, daß ich kom­me, um um Süh­ne zu bit­ten. Opfe­re dich für die­se Inten­ti­on auf und bete.‘“

Der kairós: Warum die Dramatik der Botschaft?

In Ergän­zung zu dem im ersten Teil Ange­deu­te­ten hier noch ein­mal ausführlicher:

Im Jahr 1917 war die Saat des Bösen längst in viel­fäl­ti­ger Form aus­ge­streut. Das 19. Jahr­hun­dert sah die Ent­ste­hung unzäh­li­ger okkul­ter Geheim­ge­sell­schaf­ten [2]vgl. dazu aus säku­lar-wis­sen­schaft­li­cher Quel­le: James Webb, The Occult Under­ground, und: The Occult Estab­lish­ment; dt. Aus­ga­ben: Das Zeit­al­ter des Irra­tio­na­len. Poli­tik, Kul­tur & Okkul­tis­mus im … Con­ti­n­ue rea­ding.

Die bewuß­te Hin­wen­dung zu den okkul­ten Mäch­ten ist ein Greu­el und im Gesetz des Moses aus­drück­lich ver­bo­ten (Lev 19, 31; Dtn 18, 9 – 14). Sie bleibt nicht ohne fata­le Wir­kun­gen. In den spi­ri­ti­sti­schen Séan­cen wird eine Schnitt­stel­le zwi­schen der okkul­ten Welt und dem mensch­li­chen Bewußt­sein des Medi­ums eröff­net, sodaß die per­ver­sen Ideen und Ver­wir­run­gen in die mensch­li­che Welt ein­flie­ßen kön­nen [3]sie­he dazu den – auf­grund der leben­di­gen Schil­de­run­gen even­tu­ell aus eige­ner Erfah­rung stam­men­den – Roman des bedeu­ten­den eng­li­schen Kon­ver­ti­ten, Prie­sters und Schrift­stel­lers Msgr. Robert Hugh … Con­ti­n­ue rea­ding.

Man muß sich vor Augen füh­ren, daß zudem mit den Wer­ken von Comte, Hegel, Feu­er­bach, Marx, Dar­win, Freud u. a. mas­si­ve Gei­ste­s­pa­tho­lo­gien in das Bewußt­sein der Men­schen und Völ­ker gebracht wor­den waren.

Es ist zwar kei­ne gro­ße phi­lo­so­phi­sche Lei­stung, die­se Pseu­do-Phi­lo­so­phien auf ihre Wider­sprü­che, unein­ge­stan­de­nen Vor­aus­set­zun­gen und Irr­tü­mer hin zu über­prü­fen und zu wider­le­gen – was ja Zeit­ge­nos­sen und Nach­ge­bo­re­ne getan haben. Ange­sichts ihrer sug­ge­sti­ven, ja hyp­no­ti­schen Kraft bedarf es dazu aber auch mora­li­scher Stär­ke. Wie wir aus unse­rer Lebens­er­fah­rung wis­sen, benö­tigt es die Tap­fer­keit eines Hel­den oder die Unbe­fan­gen­heit eines Kin­des, um das Evi­den­te in der Öffent­lich­keit aus­zu­spre­chen, näm­lich, daß – wie in der Para­bel – der Kai­ser eben nackt ist.

Alle die­se irren Ideo­lo­gien lagen bereit – und waren dar­über hin­aus in die Kir­che ein­ge­sickert. Man­che Theo­lo­gen erla­gen dem appeal, den gewis­se Ideo­lo­gien aus­üben – allen vor­an eine dif­fu­se „Evo­lu­ti­ons­theo­rie“. [4]Ohne an die­ser Stel­le wei­ter dar­auf ein­ge­hen zu kön­nen, ist an erster Stel­le der fran­zö­si­sche Jesu­it Pierre Teil­hard de Char­din zu nen­nen, der zu jener Zeit sei­ne ent­schei­den­den Prä­gun­gen erhielt … Con­ti­n­ue rea­ding

Chri­sten­ver­fol­gun­gen und poli­ti­sche Ver­wer­fun­gen apo­ka­lyp­ti­schen Aus­ma­ßes lagen in der Luft: Zwei Jah­re zuvor hat­ten die Jung­tür­ken den Geno­zid an den Arme­ni­ern und Ara­mä­ern orche­striert, dem nach Schät­zun­gen zwi­schen 1,5 und 2 Mil­lio­nen Chri­sten, unter ihnen katho­li­sche Chaldä­er, zum Opfer fie­len. Zudem wur­de im Jahr 1909 der spä­te­re Grün­der der Mus­lim­bru­der­schaft gebo­ren, etwa gleich­zei­tig der Zio­nis­mus als poli­ti­sche Ideo­lo­gie begründet.

Wir wis­sen, wie es damit wei­ter­ge­hen sollte.

Bis zur Erschei­nung in Tuy, also bis zum Jahr 1929, waren die „Irr­tü­mer Ruß­lands“, also der Mar­xis­mus in sei­ner leni­ni­sti­schen Spiel­art, weit­ge­hend auf Ruß­land beschränkt [5]sieht man vom Ter­ror der unga­ri­schen Räte­re­pu­blik, Tanács­köz­tár­saság, und des­sen bay­ri­schem Pen­dant, dem Nun­ti­us Euge­nio Pacel­li bei­na­he zum Opfer gefal­len wäre, ab.

Der Kai­ros, der rech­te Zeit­punkt, für die ange­mahn­te Wei­he Ruß­lands war also gege­ben, das timing optimal.

Widerstand des Papstes gegen die Forderung aus Fatima

Zudem hat­te Kar­di­nal Achil­le Rat­ti, ab 1922 Papst Pius XI., schon die Erfah­rung gemacht, daß sich jede Diplo­ma­tie und jede Hoff­nung auf „Ver­hand­lun­gen“ ange­sichts des in sich lügen­haf­ten und ter­ro­ri­sti­schen Cha­rak­ters des Sowjet­sy­stems als sinn­los bzw. trü­ge­risch erwies. Die erste orga­ni­sier­te Hun­gers­not lag im Jahr 1929 erst acht Jah­re zurück. Die näch­ste gro­ße Hun­gers­not wur­de sei­tens der Sowjet­füh­rung 1932/​33 insze­niert und ist als holo­do­mor, „Hun­ger­ge­no­zid“, der haupt­säch­lich in der Ukrai­ne, aber auch dar­über hin­aus, je nach Histo­ri­ker zwi­schen 3,5 und 14,5 Mil­lio­nen (!) Todes­op­fer for­der­te, in die Geschichts­schrei­bung eingegangen.

Obwohl die­se Erfah­run­gen die Enzy­kli­ka Divi­ni Redempto­ris (gegen den athe­isti­schen Kom­mu­nis­mus, 19. März 1937) beein­fluß­ten, wei­ger­te sich Papst Pius XI., die Wei­he Ruß­lands durchzuführen.

Das war die gro­ße Katastrophe.

Die Grün­de für die Wei­ge­rung sind nicht zu erhe­ben. Man kann sich aber vor­stel­len, daß dem Papst, inso­fern er zuvor Diplo­mat gewe­sen war, eine der­ar­ti­ge Wei­he im geschicht­li­chen Kon­text als poli­ti­sche Par­tei­nah­me erschie­nen wäre (obwohl sie 1929 poli­tisch-psy­cho­lo­gisch sicher noch leich­ter durch­zu­füh­ren gewe­sen wäre als nach 1933).

Inso­fern er mehr­fach pro­mo­vier­ter Gelehr­ter war, wird ihm die For­de­rung nach der Wei­he als Obsku­ran­tis­mus vor­ge­kom­men sein.

Inso­fern er Mensch war, wird ihm der Gehor­sam gegen­über einer bis vor kur­zem noch analpha­be­ti­schen und jugend­li­chen Non­ne aus einem obsku­ren Win­kel Euro­pas als zu schwe­re Selbst­ver­de­mü­ti­gung und somit als zuviel ver­langt erschie­nen sein. Damit ahm­te er den fran­zö­si­schen König Lud­wig XIV. nach, der über 200 Jah­re zuvor eine ver­gleich­ba­re Wei­he ver­wei­gert hat­te. Und König Sede­ki­as, der dem Pro­phe­ten Jere­mi­as nicht gehorch­te. Und vie­le ande­re. [6]Viel­leicht ist das auch ein guter Anlaß zur pri­va­ten Gewis­sens­er­for­schung.

Krise des Papsttums

Kein nach­fol­gen­der Papst voll­zog die Wei­he, wie sie ver­langt wor­den war (näm­lich öffent­lich, fei­er­lich und mit ange­ord­ne­ter Invol­vie­rung des Wel­tepi­sko­pats – ent­we­der anläß­lich einer Zusam­men­kunft oder etwa zeit­gleich in den jewei­li­gen Kathedralen).

Das ist inso­fern para­dox, als die Bot­schaft als sol­che ja kirch­lich aner­kannt war. Der For­de­rung war also Berech­ti­gung zugestanden.

Sie beschäf­tig­te somit nach­hal­tig das Gewis­sen der Päp­ste: So voll­zog Papst Pius XII. am 31. Okto­ber 1942 eine Welt­wei­he, die er am 8. Dezem­ber des­sel­ben Jah­res wie­der­hol­te. Eine Wei­he Ruß­lands in lako­ni­scher, schrift­li­cher Form wur­de mit­tels des apo­sto­li­schen Brie­fes Sacro ver­gen­te anno vom 7. Juli 1952 durchgeführt.

Danach beschäf­tig­te sich Pius XII., soweit zu erhe­ben ist, nicht mehr mit die­sem The­ma. Es scheint hier auch eine Ein­fluß­nah­me durch die USA vor­ge­le­gen zu sein, die ihre kom­pro­mit­tie­ren­de Kom­pli­zen­schaft mit dem Mas­sen­mör­der Sta­lin, „Man of the Year“ von Time (1939 und 1942) und freund­schaft­lich als „Uncle Joe“ titu­liert, nicht durch vati­ka­ni­sche Ver­laut­ba­run­gen getrübt sehen wollte.

Mit Papst Johan­nes XXIII. kam eine dra­ma­ti­sche Wen­de in der Bewer­tung des Sowjet­kom­mu­nis­mus. Von Divi­ni Redempto­ris bis zu Pacem in ter­ris ist es ein wei­ter Weg – prak­tisch eine Kehrt­wen­de. Die Frie­dens­en­zy­kli­ka atmet den irre­al-opti­mi­sti­schen Geist, der schon in der Eröff­nungs­an­spra­che des Pap­stes Johan­nes am II. Vati­ca­num (Gau­det Mater Eccle­sia) zum Aus­druck gekom­men war.

Als beson­ders fatal erwie­sen sich spä­ter die Hoch­schät­zung von UNO und Men­schen­rechts­er­klä­rung (Punkt 75) und die Anwei­sung, unter Umstän­den doch mit den Kom­mu­ni­sten zusam­men­zu­ar­bei­ten (Punk­te 82–85). Die dort aus­ge­führ­te Unter­schei­dung zwi­schen Irren­dem und dem Irr­tum ist zwar nicht falsch, die Fra­ge ist aber, ob sie auf den Kom­mu­nis­mus anwend­bar ist, d. h. ob tat­säch­lich Irr­tum oder bewuß­ter, wis­sen­der böser Wil­le vorliegt.

Der Papst schrieb:

„83. Man muß fer­ner immer unter­schei­den zwi­schen dem Irr­tum und den Irren­den, auch wenn es sich um Men­schen han­delt, die im Irr­tum oder in unge­nü­gen­der Kennt­nis über Din­ge befan­gen sind, die mit reli­gi­ös-sitt­li­chen Wer­ten zusam­men­hän­gen. Denn der dem Irr­tum Ver­fal­le­ne hört nicht auf, Mensch zu sein, und ver­liert nie sei­ne per­sön­li­che Wür­de, die doch immer geach­tet wer­den muß. In der Natur des Men­schen geht auch nie die Fähig­keit ver­lo­ren, sich vom Irr­tum frei zu machen und den Weg zur Wahr­heit zu suchen. Hier­in fehlt dem Men­schen auch nie die Hil­fe des vor­se­hen­den Gottes.“

Man wen­de die­sen Gedan­ken­gang nur ein­mal auf die Ver­ant­wort­li­chen des natio­nal­so­zia­li­sti­schen Ter­rors an, und man sieht sofort, wie absurd er ist. Sehr wohl „ver­liert“ der Ver­bre­cher und Ver­rä­ter in vie­len Situa­tio­nen sei­ne „Wür­de“, näm­lich dann, wenn er bewußt und wis­sent­lich Böses tut. Ange­sichts der Erfah­run­gen des 20. Jahr­hun­derts bis 1963 ist die­ser Abschnitt ver­ant­wor­tungs­los und ver­werf­lich. Die mensch­li­che Rea­li­tät ist ein­fach nicht so, wie es das Wunsch­den­ken die­ses Absat­zes nahelegt.

Wie wir wis­sen, gab es wäh­rend die­ses und des nach­fol­gen­den Pon­ti­fi­ka­tes von Paul VI. (der schon als Mit­ar­bei­ter von Papst Pius XII. hin­ter des­sen Rücken gehei­me Kon­tak­te zur Sowjet­uni­on gepflegt hat­te und des­we­gen aus dem vati­ka­ni­schen Staats­se­kre­ta­ri­at ent­fernt und ohne Kar­di­nals­er­he­bung nach Mai­land ver­setzt wor­den war) nicht nur kei­ne Wei­he Ruß­lands son­dern sogar eine ver­stärk­te Annä­he­rung an das Sowjetsystem.

Auf­grund der vati­ka­ni­schen Geheim­di­plo­ma­tie mit Mos­kau und der dar­aus erwach­se­nen Teil­nah­me von KGB-Agen­ten (offi­zi­ell Bischö­fe der rus­sisch-ortho­do­xen Kir­che) als Beob­ach­ter am Kon­zil wei­ger­te man sich – trotz gewich­ti­ger Peti­tio­nen von Kon­zils­vä­tern und Lai­en – den Kom­mu­nis­mus am Kon­zil aus­drück­lich zu verurteilen.

Soviel zum The­ma „Pasto­ral­kon­zil“.

Im Kom­men­tar zu Gau­di­um et spes des offi­zi­el­len Klei­nen Kon­zils­kom­pen­di­ums set­zen die bei­den wider­wär­ti­gen Pseu­do-Theo­lo­gen Rah­ner und Vor­grim­ler noch eins drauf:

„Einer mili­tan­ten Kon­zils­min­der­heit ohne mensch­li­ches Takt- und poli­ti­sches Fin­ger­spit­zen­ge­fühl gelang es nicht, das Kon­zil zur aus­drück­li­chen Nen­nung und aber­ma­li­gen Ver­ur­tei­lung einer bestimm­ten poli­ti­schen Aus­prä­gung des Athe­is­mus zu bewe­gen, gera­de weil das Kon­zil für die huma­ni­sti­sche Basis und Ten­denz die­ses Athe­is­mus sehr sen­si­bel war“ (S. 428 der 23. Auf­la­ge 1991). (!)

Die­sen Müll bekommt man also offi­zi­ell „im Auf­trag der deut­schen Bischö­fe“ vor­ge­legt! Die­ser Kom­men­tar ist also der offi­zi­el­le Kom­men­tar zu dem weit­schwei­fi­gen, wider­sprüch­li­chen und irrea­len Gau­di­um et spes!

Auf der Basis die­ser hoch­ver­rä­te­ri­schen Vor­ent­schei­dun­gen agier­ten die „Archi­tek­ten“ der vati­ka­ni­schen „Ost­po­li­tik“ und ver­rie­ten die Mil­lio­nen Katho­li­ken (und in gewis­ser Wei­se alle übri­gen Chri­sten) in den Gulags im Sowjet­block. In die­sem Zusam­men­hang ver­dient beson­ders das Schick­sal der Ukrai­ni­schen Grie­chisch-Katho­li­schen Kir­che ehren­vol­le Ehr­wäh­nung, die von den Sowjets ver­folgt und von der vati­ka­ni­schen Diplo­ma­tie schmäh­lich im Stich gelas­sen wurde.

Wem war damit gehol­fen? Ein­zig der Sowjet­füh­rung und deren Sym­pa­thi­san­ten und Agen­ten im Westen.

Ruß­land hat­te also sei­ne Irr­tü­mer bis in die Kir­che verbreitet.

Auch Papst Johan­nes Paul II. tat sich mit der Wei­he Ruß­lands sehr schwer. Das Atten­tat vom 13. Mai 1981 ver­an­laß­te ihn zwar, sich inten­si­ver mit Fati­ma aus­ein­an­der­zu­set­zen, zu einer unzwei­deu­ti­gen, fei­er­li­chen und mit dem Wel­tepi­sko­pat voll­zo­ge­nen Wei­he Ruß­lands konn­te aber auch er sich nicht durchringen.

Dabei herrscht in der ein­schlä­gi­gen Lite­ra­tur Über­ein­stim­mung, daß sei­ne Akte der Wei­he bzw. des „Anver­trau­ens“ vom 13. Mai 1982 und 25. März 1984 , die sich – ent­ge­gen der Anwei­sung von Fati­ma – statt auf Ruß­land auf die gan­ze Welt bezo­gen, zwar nicht die Bekeh­rung Ruß­lands bewirk­ten, evi­den­ter­wei­se nicht, aber zwei­fel­los einen gewis­sen Segen brach­ten (vgl. z. B. Mura – Huber, Fati­ma-Rom-Mos­kau, Sar­to, Bobin­gen 2010). Wei­te­re Wei­he­ak­te folg­ten, soweit zu recher­chie­ren ist, am 13. Mai 1991 und am 8. Okto­ber 2000. Offen­bar wuß­te Papst Johan­nes Paul II. selbst, daß die erfor­der­li­chen Bedin­gun­gen nicht erfüllt wor­den waren.

Und die Sühnesamstage?

Wie oben erwähnt, hät­ten die Süh­ne­sams­ta­ge sei­tens des Pap­stes und der Hier­ar­chie ver­brei­tet wer­den sollen.

Ich den­ke, jeder Leser kann sich selbst ein Bild machen, inwie­weit die­se Andachts­form im heu­ti­gen kirch­li­chen Leben eine Rol­le spielt.

Das Ver­schwei­gen die­ses vom Him­mel vor­ge­leg­ten Gna­den­mit­tels ist ein schwe­res pasto­ra­les Ver­säum­nis. Die Ver­hei­ßung, die mit der Übung der Süh­ne­sams­ta­ge ver­bun­den ist, ist kaum zu über­tref­fen. Dabei ist die Anfor­de­rung ja eher beschei­den, es geht um kei­ne über­trie­be­nen Buß- oder Gebets­ver­pflich­tun­gen. Es geht aber um die anzu­stre­ben­de Gesin­nung der Süh­ne und die gewis­sen­haf­te Erfül­lung der ange­ge­be­nen Anfor­de­run­gen. Das ist nicht zu viel verlangt.

Und den­noch kommt es im kirch­li­chen Leben unse­res deut­schen Sprach­raums nicht vor. Es ist auch, soweit mir erin­ner­lich, kein The­ma der päpst­li­chen Lehr­ver­kün­di­gung der letz­ten drei­ßig Jahre.

Es sind wie­der nur die „Obsku­ran­ti­sten“, die sich die­ses The­mas annehmen.

Fazit

Offen­sicht­lich ist die­ser „Obsku­ran­tis­mus“ mit Erschei­nun­gen, Offen­ba­run­gen, Dro­hun­gen, Ver­hei­ßun­gen, Buße, Süh­ne und Escha­to­lo­gie den Hir­ten der Kir­che und ihren Chef­theo­lo­gen pein­lich. Dar­um keh­ren sie das alles unter den Tep­pich. Nur weni­ge Bischö­fe und Theo­lo­gen the­ma­ti­sie­ren die­se Din­ge, schon gar im Zusam­men­hang von Fatima.

Die Hir­ten schu­fen somit eine Situa­ti­on, in der die Anhän­ger einer kirch­lich aner­kann­ten Bot­schaft (!) als Obsku­ran­ti­sten erschei­nen müs­sen. Sie schu­fen gleich­sam ein neu­es sae­cu­lum obscurum der Kir­che in der 2. Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts. Der Wehe­ruf Jesu an die Geset­zes­leh­rer sei­ner Zeit hat eine neue Aktua­li­tät bekommen.

In die­sem Zwie­licht leben wir nun – wobei nie­mand von der Gewis­sens­pflicht befreit ist, sich nach bestem Wis­sen und Gewis­sen mit der Fati­ma-Bot­schaft zu beschäf­ti­gen und sie je nach eige­nen Mög­lich­kei­ten in sei­nem Leben umzu­set­zen. Das ist auch die tröst­li­che Sei­te der Situa­ti­on: die Mög­lich­keit, an der Erlan­gung des Heils für vie­le mit­zu­wir­ken und so sein eige­nes Heil zu erreichen.

Im geplan­ten drit­ten und letz­ten Teil sol­len die Fra­gen nach dem „Drit­ten Geheim­nis“ the­ma­ti­siert und ein Schluß­re­sü­mee gebo­ten werden.

*MMag. Wolf­ram Schrems, Linz und Wien, katho­li­scher Theo­lo­ge und Phi­lo­soph, kirch­lich gesen­de­ter Katechist

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1 Über­set­zung nach: Mark Fel­lows, Fati­ma in Twilight, Mar­mi­on Publi­ca­ti­ons, Nia­ga­ra Falls, 2003
2 vgl. dazu aus säku­lar-wis­sen­schaft­li­cher Quel­le: James Webb, The Occult Under­ground, und: The Occult Estab­lish­ment; dt. Aus­ga­ben: Das Zeit­al­ter des Irra­tio­na­len. Poli­tik, Kul­tur & Okkul­tis­mus im 20. Jahr­hun­dert. Marix, Wies­ba­den 2008, und: Die Flucht vor der Ver­nunft. Poli­tik, Kul­tur und Okkul­tis­mus im 19. Jahr­hun­dert. Marix, Wies­ba­den 2009
3 sie­he dazu den – auf­grund der leben­di­gen Schil­de­run­gen even­tu­ell aus eige­ner Erfah­rung stam­men­den – Roman des bedeu­ten­den eng­li­schen Kon­ver­ti­ten, Prie­sters und Schrift­stel­lers Msgr. Robert Hugh Ben­son The Necro­man­cers von 1909
4 Ohne an die­ser Stel­le wei­ter dar­auf ein­ge­hen zu kön­nen, ist an erster Stel­le der fran­zö­si­sche Jesu­it Pierre Teil­hard de Char­din zu nen­nen, der zu jener Zeit sei­ne ent­schei­den­den Prä­gun­gen erhielt und des­sen Wahn­ideen bis in unse­re Zeit immensen Scha­den anrich­ten sollten.
5 sieht man vom Ter­ror der unga­ri­schen Räte­re­pu­blik, Tanács­köz­tár­saság, und des­sen bay­ri­schem Pen­dant, dem Nun­ti­us Euge­nio Pacel­li bei­na­he zum Opfer gefal­len wäre, ab
6 Viel­leicht ist das auch ein guter Anlaß zur pri­va­ten Gewissenserforschung.
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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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