Vor einem Jahr Rücktritt Benedikts XVI. – Hummes: „Nun haben die Menschen wieder Vertrauen in die Kirche“


Kardinal Claudio Hummes ein Jahr nach dem Rücktritt von Papst Benedikt XVI.: "Nun haben die Menschen wieder Vertrauen in die Kirche"(Rom) Vor einem Jahr, am 11. Febru­ar erklär­te Papst Bene­dikt XVI. aus hei­te­rem Him­mel sei­nen Amts­ver­zicht. Ein Blitz­schlag für die katho­li­sche Chri­sten­heit wie der mäch­ti­ge Blitz, der noch am sel­ben Abend in die Peters­kup­pel ein­schlug. Einen Monat spä­ter hat­te die Katho­li­sche Kir­che bereits ein neu­es Kir­chen­ober­haupt. Zum ersten Jah­res­tag mel­den sich noch ein­mal jene zu Wort, die von dem Schritt freu­dig über­rascht waren. Das Lob­lied auf den Rück­tritt meint den Wunsch nach einer „ande­ren Kir­che“, so der Kul­tur­kri­ti­ker Fran­ces­co Colafemmina.

Wunsch nach „anderer“ Kirche

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Zum Jah­res­tag die­ses denk­wür­di­gen, in der Kir­chen­ge­schich­te ob sei­ner Begrün­dung völ­lig sin­gu­lä­ren Aktes tre­ten noch ein­mal jene an die Medi­en, die über die­sen Akt freu­dig über­rascht waren. Weder Freu­de noch Trau­er über den Rück­tritt mei­nen nicht nur die Per­son, son­dern das gan­ze Kir­chen­ver­ständ­nis. Dazu gehö­ren die Bemü­hun­gen Bene­dikts XVI. um Wie­der­her­stel­lung des Ver­ständ­nis­ses für die Sakra­li­tät und die Stär­kung von Glau­bens­leh­re und kirch­li­cher Dis­zi­plin. Kaum ein Ereig­nis in der jüng­sten Kir­chen­ge­schich­te mach­te gegen­sätz­li­che Posi­tio­nen in der Katho­li­schen Kir­che so deut­lich. Gegen­sät­ze, die kaum unter ein gemein­sa­mes Dach zu pas­sen schei­nen und ein­mal mehr auf das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil und die Nach­kon­zils­zeit zurück­ge­hen. Jene Ereig­nis­se, die die gesam­te Kir­chen­kri­se der jüng­sten Zeit zu über­schat­ten scheint.

Die Bewer­tung des Amts­ver­zichts wur­de in den ver­gan­ge­nen zwölf Mona­ten zum unaus­ge­spro­che­nen Erken­nungs­merk­mal, für wel­ches Kir­chen­ver­ständ­nis der Spre­chen­de steht. Man­che Bischö­fe und Kar­di­nä­le lie­ßen auf unge­wöhn­li­che, teils unsym­pa­thi­sche Wei­se ihrer Freu­de frei­en Lauf. Hin­ter der Freu­de, den deut­schen Papst los­ge­wor­den zu sein, „steht der Wunsch nach einer ande­ren Kir­che“, urteil­te der katho­li­sche Kul­tur­kri­ti­ker Fran­ces­co Cola­femmi­na nach Rück­tritt und Kon­kla­ve noch im Früh­jahr 2013.

Kardinal Hummes, der Papstmacher, der den Namen Franziskus empfahl

Einer jener, der aus sei­ner Genug­tu­ung über den Rück­tritt kein Hehl mach­te, ist der bra­si­lia­ni­sche Kar­di­nal Clau­dio Hum­mes. Er war es dann auch, der, laut eige­nen Anga­ben, im Kon­kla­ve den Erz­bi­schof von Bue­nos Aires bestärk­te, „als die Din­ge etwas gefähr­li­cher wur­den“. Gemeint ist, daß mög­li­cher­wei­se eine Sperr­mi­no­ri­tät die Wahl Jor­ge Mario Berg­o­gli­os ver­hin­dern konn­te. Er war es auch, der, immer laut eige­ner Aus­sa­ge, dem neu­ge­wähl­ten Papst den Namen Fran­zis­kus „emp­foh­len“ hat. Und er erschien am Abend des 13. März ganz außer Pro­to­koll mit Papst Fran­zis­kus auf der Mit­tel­log­gia des Peters­doms, um sich der Welt zu zeigen.

Kar­di­nal Hum­mes ist es dann auch, der sich ein Jahr nach dem Amts­ver­zicht von Bene­dikt XVI. erneut zu Wort mel­det, um noch ein­mal sei­ne Freu­de über den Rück­tritt zum Aus­druck zu brin­gen. „Ich weiß nicht mehr, wo ich an jenem Tag war, aber es war wirk­lich eine gro­ße, uner­war­te­te Über­ra­schung“. Im Nach­hin­ein schil­dert der ehe­ma­li­ge Erz­bi­schof von Sao Pao­lo die dama­li­ge Situa­ti­on fol­gen­der­ma­ßen: „Wir waren alle etwas ver­wirrt, besorgt dar­über, wie die Zukunft sein wür­de, vor allem weil sich die Kir­che in einem schwie­ri­gen Moment befand, die Ent­christ­li­chung der west­li­chen Welt, der Rück­gang an Prie­stern, die Kri­se des Ordens­le­bens und dann die gro­ßen Skan­da­le, IOR, Lefeb­vria­ner… Die Katho­li­ken waren recht unten, trau­rig, besorgt, mit hän­gen­dem Kopf, aber einer ver­sucht auch einen sol­chen Fall im Licht des Glau­bens zu lesen, mit dem Ver­trau­en, daß Chri­stus die Kir­che füh­ren wird auch in einem abso­lut nicht all­täg­li­chen Moment“.

Die nicht mehr Wahlberechtigten – und Benedikt XVI. lebt immer noch

Das Foto, das hin­ter Kar­di­nal Hum­mes in sei­nem Haus in Sao Pao­lo an der Wand hängt, zeigt den 80jährigen Pur­pur­trä­ger in der Six­ti­ni­schen Kapel­le neben Papst Fran­zis­kus, nach des­sen Wahl und Ein­klei­dung, bevor er sich auf die Mit­tel­log­gia begab. Am kom­men­den 8. August wird der Kar­di­nal 80 und ver­liert sein Wahl­recht im Kon­kla­ve. Zehn Kar­di­nä­le, die am Kon­kla­ve teil­nah­men, sind inzwi­schen aus dem Kreis der Wäh­ler aus­ge­schie­den, dar­un­ter die Kar­di­nä­le Kas­per, Dan­neels, Polet­to, Meis­ner und Re. Und Bene­dikt XVI. lebt immer noch. Bis Jah­res­en­de wer­den es bereits 20 Kar­di­nä­le sein. Auch das eine Form, Geschich­te uner­war­tet anders zu schreiben.

Kar­di­nal Hum­mes bestä­tigt auch nach einem Jahr, daß der Rück­tritt Bene­dikts XVI. für ihn „völ­lig uner­war­tet“ kam. Er habe natür­lich gewußt, daß das Kir­chen­recht einen Rück­tritt mög­lich macht. Daß es einen sol­chen tat­säch­lich geben wür­de, das schien ihm „unmög­lich“. Und dann stimmt Kar­di­nal Hum­mes jenes miß­tö­nend klin­gen­de Lob­lied auf den deut­schen Theo­lo­gen­papst an, das seit­her gera­de von uner­war­te­ter Sei­te zu hören ist. Das Lob­lied, das jene sin­gen, denen zum Stich­wort Bene­dikt XVI. lobend nur sein Rück­tritt erwäh­nens­wert scheint. Freun­de spre­chen anders. Im Wort­laut des bra­si­lia­ni­schen Kar­di­nals klingt das Lob­lied so: „Nur ein Papst wie Bene­dikt XVI. konn­te eine sol­che Geste set­zen, weil man viel Ratio­na­li­tät und einen gro­ßen Glau­ben dafür braucht, eine gro­ße Hei­lig­keit des Lebens um alle Din­ge in die Hän­de Got­tes zu legen. Und er, Ratz­in­ger, ist eine sol­che Person.“

Seit dem Rücktritt von Benedikt XVI. hat sich so viel „auf so schnelle und schöne Weise“ geändert

Seit jenem 11. Febru­ar began­nen sich hin­ter den Kulis­sen die Din­ge in einer unge­wöhn­li­chen Eile zu ver­än­dern, seit dem 13. März auch vor den Kulis­sen. Und damit kommt der ehe­ma­li­ge Erz­bi­schof von Sao Pao­lo und gewe­se­ne Prä­fekt der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on auf sei­ne Begei­ste­rung für Papst Fran­zis­kus zu spre­chen und das „ande­re“ Kir­chen­ver­ständ­nis. Das Auf­tre­ten des argen­ti­ni­schen Pap­stes habe vom ersten Tag an dazu geführt, daß „sich neue Türen öff­nen, und alte geschlos­sen wer­den“. Die Din­ge haben sich, begei­stert sich der Pur­pur­trä­ger, „auf so schnel­le und schö­ne Wei­se“ geändert.

Zur Wahl von Papst Fran­zis­kus sag­te der Kar­di­nal rück­blickend: „Die Men­schen waren glück­lich, haben wie­der Ver­trau­en in die Kir­che gefaßt und ver­stan­den, daß sie imstan­de sein wür­de, aus einem schwie­ri­gen Moment her­aus­zu­kom­men, und die­ses Ver­trau­en, die­se Hoff­nung bleibt.“ Die Kri­se gebe es zwar immer noch, „aber sie wird ange­gan­gen und zu einer posi­ti­ven Lösung geführt und auch die Skan­da­le müs­sen berei­nigt wer­den, aber nun haben die Men­schen wie­der Vertrauen“.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Wikicommons

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