(New York) Jerry Sherbourne wurde als Sohn einer protestantischen Familie in Massachussetts geboren. 2000 wurde er von der Episkopalen Kirche, dem US-amerikanischen Zweig der anglikanischen Weltgemeinschaft zum Pastor ordiniert. Zunächst leitete er eine Gemeinde in Texas und heiratete, da anglikanischen Pastoren die Eheschließung erlaubt ist. 2005 wurde er im Alter von 35 Jahren episkopaler Militärkaplan der US-Army. Sein Einsatzgebiet wurde sofort Afghanistan. Neben zahlreichen Abenteuern hörte er im ehemaligen Land der Taliban auch allerlei. Vor allem hörte er die katholischen Militärkapläne, die wie er dort stationiert waren, immer wieder von der Jungfrau und Gottesmutter Maria sprechen. Besonders erstaunte ihn die Anrufung Mariens als Unbefleckt Empfangene. Eine „verrückte Sache“, für Reverend Sherbourne, der darüber staunte, weil doch „nichts von alledem“ in der Bibel stünde. Oder doch?
Maria die „Unbefleckte Empfängnis“? – Katholischer „Aberglaube“
Worüber er anfangs nur den Kopf schüttelte, ließ ihn doch so sehr staunen, daß er sich immer mehr damit beschäftigte. Im Evangelium fand er die Verkündigungsszene, wo der Erzengel Gabriel Maria als jene grüßt, die „voll der Gnade“ ist. Wie aber konnte ein Mensch, der mit der Ursünde geboren war, „voll der Gnade“ sein, fragte sich Jerry Sherbourne. Das sei doch unmöglich. Was also stimmte: Entweder hatte sich der Erzengel Gabriel geirrt oder Maria war tatsächlich die einzige unter den Sterblichen, die ohne Erbsünde geboren wurde. Sherbourne erkannte, wie logisch und vernünftig die katholische Lehre war und vor allem wie biblisch. Nun kam er erst richtig ins Staunen. Sollten die Katholiken recht haben? Wenn sie in diesem Punkt recht hatten, dann vielleicht auch in anderen? Sollte tatsächlich ihr „Aberglaube“ wahr sein? Jerry Sherbourne hatte es von Kind auf gelernt, daß Katholiken in einem dunklen Aberglauben verhaftet seien, weil sie die „Wahrheit der Bibel“ nicht erkennen würden.
Hat die Katholische Kirche recht? Sie hat recht!
Nun begann der episkopale Militärkaplan mitten in Afghanistan die katholische Doktrin zu studieren und zwar mit der Bibel in der Hand, um Punkt für Punkt vergleichen zu können. Schließlich mußte er trotz heftiger innerer Widerstände kapitulieren: „Die katholische Lehre und die Bibel stimmen überein. Die katholische Lehre entspricht mehr als jede andere ‚christliche‘ Interpretation der Heiligen Schrift und damit Gottes Offenbarung“. Jerry Sherbourne wurde bewußt, daß dies auch für die Bibelstelle gilt, die erzählt, wie Jesus die Kirche gestiftet hat auf Simon Petrus den Fels. Die einzige und wahre Kirche, die in der ununterbrochenen apostolischen Sukzession steht, vor allem aber in der ununterbrochenen Tradition des Petrus durch die Päpste.
Seine Erkenntnis stürzte Jerry Sherbourne in eine tiefe Identitätskrise. Wie konnte er noch in einer „anderen“ Realität weiterleben, wo er die wahre Kirche Christi erkannt hatte?
Am Fest Maria Empfängnis Entscheidung zur Konversion
Im Dezember 2011 sprach er bei der ersten Gelegenheit mit jenem Menschen über eine Konversion zur Katholischen Kirche, der ihm am nächsten stand, seiner Ehefrau. Seine Frau antwortete nach einigem Überlegen, daß sie ihrem Mann auch darin folgen würde. Es war der 8. Dezember, das Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria. Das Ehepaar Sherbourne war sich dieses Datums zuerst gar nicht bewußt. Die Unbefleckte Empfängnis, der katholische „Aberglaube“, wie der Reverend früher gesagt hätte, hatte das Ehepaar Sherbourne in die Arme genommen, wie man verlorene Kinder umarmt, die man wiedergefunden hat.
Heute ist Jerry Sherbourne katholischer Priester und katholischer Militärkaplan in Fort Bragg in North Carolina. Seine Priesterweihe empfing er am 8. Dezember 2013, dem Fest Maria Empfängnis und zwar in der Wallfahrtsbasilika der Unbefleckten Empfängnis, dem katholischen Nationalheiligtum der USA in der Bundeshauptstadt Washington.
Dispens und Weg zum katholischen Priestertum
Er erhielt eine besondere päpstliche Dispens, die ehemaligen anglikanischen Pastoren gewährt wird, die konvertieren und in die von Papst Benedikt XVI. geschaffenen anglikanischen Personalordinariate der Katholischen Kirche aufgenommen werden. Sherbourne ist heute im Personalordinariat Kathedra Petri für die USA und Kanada inkardiniert.
Für Zölibat und gegen Frauenpriestertum – Wollen keine „progressivere“ Katholische Kirche
Jerry Sherbourne wehrt sich gegen eine innerkirchliche Instrumentalisierung durch einige katholische Kreise, die unter Verweise auf seine Bekehrung und die Dispens, als verheirateter Mann katholischer Priester werden zu können, eine Aufhebung des Priesterzölibats fordern, oder weil man schon dabei ist, auch die Einführung des Frauenpriestertums. Sherbourne ist der Katholischen Kirche dankbar, daß sie für die Anglikaner, wie ihn, seine Frau und ihre sechs Kinder, die Möglichkeit zur Rückkehr in die volle Einheit mit Rom bietet. Er und seine Familie sehen darin vielmehr eine Bestätigung der katholischen Ordnung. „Wenn wir eine progressivere Katholische Kirche möchten, hätten wir auch gleich Episkopale bleiben können“, so Jerry Sherbourne.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Religion y LIbertad