(Rom) Morgen jährt sich der Paukenschlag der jüngsten Kirchengschichte: Am 11. Februar 2013 gab Papst Benedikt XVI. völlig überraschend seinen Amtsverzicht bekannt. Ein Ereignis in der Geschichte des Papsttums ohne Präzedenzfall. Auch Kurienerzbischof Georg Gänswein, persönlicher Sekretär Benedikts XVI. während seines Pontifikats und auch heute noch, blickt zurück und zog gegenüber der internationalen Presseagentur Reuters ein Resümee: „Die Geschichte wird Benedikt XVI. recht geben“.
Befragt wurde der Kurienerzbischof von Philip Pulella. Auf dessen Frage sagte der Präfekt des Apostolischen Hauses, daß Benedikt XVI. „im Frieden mit sich und dem Herrn“ sei. Dem emeritierten Papst gehe es gut: „Es handelt sich um einen physisch alten Mann, doch der Geist ist sehr lebendig und ganz klar“. Auf die „Provokation“ des Journalisten, daß es wohl sehr schwierig gewesen sei, nach Johannes Paul II. Papst zu sein, antwortete Gänswein: „Ich bin überzeugt, daß der Heilige Geist den richtigen Papst zur richtigen Zeit schickt und das gilt für Johannes Paul, für Benedikt und für Franziskus. Nach dem sehr langen Pontifikat von Johannes Paul II., das bei vollen Kräften gelebt wurde, zumindest in den ersten 20 Jahren, dann die Jahre des öffentlich sichtbaren und spürbaren Leidens, wurde ein Mann Papst, der 23 Jahren wie kein anderer Kardinal an der Seite von Johannes Paul gelebt hatte und der vielleicht sein effizientester Mitarbeiter war und dem er am meisten vertraute. Ich würde nicht sagen, daß Papst Benedikt Pecht hatte, nach 27 Jahren des Pontifikats wäre es für jeden schwierig gewesen, wer immer gewählt worden wäre.“
„Maßstab des Handelns“ nicht Medien, sondern „daß es vor dem Herrn richtig ist“
Die Medien seien nicht zimperlich mit Benedikt XVI. umgegangen. Hege er Ressentiments, wollte der Journalist wissen. „Nein“, antwortete Gänswein. „Es ist menschlich klar, daß es verschiedene Male schmerzlich war, zu sehen, daß das, was über sein Handeln geschrieben wurde, nicht dem entsprach, was wirklich getan wurde. Aber der Maßstab für dieses Handeln ist nicht, was die Massenmedien darüber schreiben, sondern daß es vor dem Herrn und vor dem Gewissen richtig ist“. Deshalb werde die Geschichte Benedikt XVI. am Ende recht geben, so Gänswein.
Wörtlich sagte der Kurienerzbischof: „Ich bin mir sicher, mehr noch, überzeugt, daß die Geschichte ein anderes Urteil fällen wird, als das, das in den vergangenen Jahren während seines Pontifikats zu lesen war, weil die Quellen klar sind und klares Wasser spenden“.
Päpste „schreiben sich, telefonieren miteinander, laden sich ein“
Zum Verhältnis zwischen den beiden Päpsten meinte Gänswein: „Von Anfang an gab es einen guten Kontakt zwischen den beiden und dieser gute Anfang hat sich entwickelt und ist gereift. Sie schreiben sich, telefonieren miteinander, hören sich, laden sich ein. Papst Franziskus war mehrere Male im Kloster Mater Ecclesiae und auch Papst Benedikt war in Santa Marta.“
Erzbischof Gänswein gilt als der einzige hohe Prälat im Vatikan, der gleichzeitig zwei Päpsten dient: „Es heißt, ich habe zwei Herren. In gewisser Hinsicht stimmt das und ich füge hinzu, daß es auch möglich ist, mit zwei Herren zu leben. Meinen Dienst vollziehe ich in völliger Harmonie mit beiden Päpsten, indem ich versuche, eine Brücke zwischen den beiden Päpsten zu sein. Bisher hat das sehr gut funktioniert.“ Eine Brücke zwischen zwei Brücken, fragte der Journalist in Anspielung auf die Bezeichnung Pontifex, Brückenbauer für den Papst? „Ein Wortspiel, aber im Grund ist es so“, so Gänswein.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican Insider