(Rom) Der Vatikanist Sandro Magister befaßt sich mit dem „Schweigen“ von Papst Franziskus zu den Fragen, in denen die katholische Lehre und die Menschenwürde am stärksten unter Beschuß stehen. Er macht dabei zwei verschiedene „Strategien des Teufels“ aus. Die eine Strategie sei ein direkter und brutaler Angriff auf die Kirche. Die andere, „subtilere“, der Zuspruch für eine gewandete, „neue“, angepaßte Kirche. Im Mittelpunkt beider steht gewissermaßen das ungewöhnliche Lob und die„triumphale Popularität“ für das amtierende Kirchenoberhaupt. Papst Franziskus fördere dies durch sein „Schweigen“. Und wenn er deutlicher rede, so Magister, dann nie an dem Ort und zu dem Zeitpunkt, wo dies notwendig wäre. Papst Franziskus, der Vertreter des „perfekten falschen Zeitpunktes“? Magister sieht darin eine gezielte Strategie des Kirchenoberhauptes, dessen Logik nicht wirklich erkennbar sei.
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Das Doppelspiel des Teufel: Pro und Contra Papst Franziskus
von Sandro Magister
Ein UNO-Bericht demütigt die Kirche, indem er den amtierenden Papst lobt. Dieser reagiert nicht und schweigt auch, obwohl Belgien drauf und dran ist, die Euthanasie für Kinder zu legalisieren. Die Risiken der Strategie des Schweigens von Papst Bergoglio.
Auch bald ein Jahr nach seiner Wahl zum Papst setzt die Popularität von Franziskus ihren Triumphzug fort. Er selbst tut jedoch als erster gut daran, diesem Applaus nicht zu trauen, der ihm auch von den unerwartetsten und kirchenfernsten Tribünen zubrandet.
Zum Beispiel, die bereits vielzitierte Titelseite der Musikzeitschrift Rolling Stone. Eine Krönung im wahrsten Sinn des Wortes durch den Tempel der Pop-Kultur.
Oder das Lob, das der Bericht des UN-Kinderrechtskomitees dem berühmten Satz „Wer bin ich, um ihn zu verurteilen?“ von Papst Franziskus zollt, der einzige Vertreter der Katholischen Kirche, der verschont wird, während der Bericht über die Kirche das schlimmste vom Schlimmsten behauptet.
Papst Franziskus spricht über den Teufel und selbst das gefällt
In seinen ersten morgendlichen Predigten als Papst, sprach Jorge Mario Bergoglio häufig vom Teufel. Und selbst dieses Reden gefiel und berührte.
Doch eines Morgens, es war der 18. November 2013 äußerte er sich nicht gegen den Teufel, sondern gegen das „Einheitsdenken, als Ergebnis der Weltlichkeit“, das alles einer „hegemonialen Uniformität“ unterwerfen will. Ein Einheitsdenken, das bereits die Welt beherrscht und auch die „Todesurteile“, die „Menschenopfer“ legalisiert und „Gesetze, die sie schützen“ erläßt. Damals zitierte Papst Franziskus erneut den apokalyptischen Roman „Der Herr der Welt“ von Robert H. Benson.
Als er Anfang Februar die 16 Seiten des UNO-Berichts begutachtete, der fast im Befehlston von der Katholischen Kirche eine Änderung ihrer Lehre zu Abtreibung, Familie und Sexualität fordert, muß Papst Franziskus noch mehr die Überzeugung gewonnen haben, daß die Ereignisse seiner Sicht der Dinge recht geben: Der Fürst der Welt ist mit Hochdruck am Werk und will sogar ihn für sich einspannen, indem er die medial besungenen „Öffnungen“ Bergoglios für die Gleichschaltung der Kirche im Sinne des hegemonialen Einheitsdenkens dienstbar machen will, um die Kirche zu vernichten.
Papst findet auch „harte Worte“, aber nie wo es zum Konflikt kommen könnte
Es ist nicht leicht, in das Denken von Papst Bergoglio einzudringen. Seine Worte sind wie Steinchen eines Mosaiks, dessen Gesamtbild nicht unmittelbar erkennbar ist. Er sagt auch starke Dinge, auch harte, aber nie dann, wenn sie einen Konflikt provozieren könnten.
Hätte er seine erschütternde Predigt gegen das Einheitsdenken, das die Welt einer Hegemonie unterwerfen will, am Tag nach der Veröffentlichung des UNO-Berichts gehalten und als Antwort auf diesen, wären seine Worte zur Sondermeldung der Weltpresse geworden. Aber so war es nicht. Der Papst sagte seine Worte irgendwann und ohne konkreten Zusammenhang, weshalb die Predigt nicht die geringste Wirkung entfaltete. Sie blieb einfach unbeachtet.
Doch genau in diesen Worten ist das Urteil des Papstes über die aktuelle Welt zu suchen.
Papst erhebt seine Stimme nie, wo es für Konfrontation entscheidend wäre
„Den Standpunkt der Kirche kennt man, und ich bin ein Sohn der Kirche“, sagte und wiederholt Franziskus. Sein Denken sei jenes, das im Katechismus der Kirche geschrieben steht. Gelegentlich erinnert er auf polemische Weise jene, die sich von ihm eine Änderung der Glaubenslehre erwarten. So fand er in Evangelii gaudium harte Worte gegen das „Recht“ auf Abtreibung. Aber nie verkündet er die Lehre der Kirche mit lauter Stimme zu den Punkten und in jenen Momenten, in denen die Konfrontation entscheidend wird.
Er hat jetzt geschwiegen, als Belgien mit Gesetz die Euthanasie für Kinder genehmigte. Er hält sich abseits von Millionen von Bürgern, die in Frankreich und anderen Ländern sich der Auflösung der Familie aus Vater, Mutter und Kindern Widerstand leisten. Er verharrte im Schweigen auch nach dem unerhörten Angriff durch den UNO-Bericht.
Er scheint davon auszugehen, daß er dem Feind die Spitze nehmen kann, indem er ihn mit seiner immensen Popularität als Hirt der Barmherzigkeit Gottes besiegt.
Jakobinischer Angriff will Kirche ausschalten
Es ist ein Angriff gegen die Kirche im Stil der Jakobiner im Gange, in Frankreich und anderswo, der die Kirche einfach aus dem Verband der Zivilgesellschaft ausschließen will.
Es gibt aber auch noch einen subtileren Angriff, der sich mit dem Zuspruch für eine neue, umgestaltete Kirche bemäntelt, die mit der Zeit geht. Auch das findet sich in der Popularität von Franziskus, einem Papst „wie es nie vorher einen gegeben hat“, der endlich „einer von uns“ ist. Eine Haltung, die auf der ständigen Wiederholung seiner offenen, vieldeutigen Sätze beruht.
Benedikt XVI. suchte den direkten Kampf auf offenem Feld
Bei seinem Vorgänger Benedikt XVI. konnte diese weltliche List nicht angewandt werden. Er, der Sanfte, zog den direkten Kampf auf offenem Feld vor, mit jenem Mut des Euer Ja sei ein Ja und euer Nein ein Nein, „opportune et importune“, so wie in Regensburg gegen die Diktatur des Relativismus und den Islam, als er den Schleier von den theologischen Wurzeln entfernte und die Verbindung zwischen Glauben und Gewalt im Islam offenlegte. Und dann nicht minder bei den „nicht verhandelbaren“ Grundsätzen. Deshalb war die Welt so grausam mit ihn.
Mit Franziskus ist es anders. Es ist ein neues Spiel. Aber auch er weiß nicht, wie das Spiel weitergehen wird, jetzt, wo es härter wird.
Einleitung und Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: virtueonline.org