Kardinal Maradiaga empfiehlt Neo-Kardinal Müller mehr „Flexibilität“


Kardinal Maradiaga über Papst Franziskus, Glaubenspräfekt Müller eine "arme" Kirche(Köln) Deut­sche Medi­en titel­ten, daß „Papst-Ver­trau­ter“ eine Rück­kehr von Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst in sein Bis­tum Lim­burg in einem Inter­view mit dem Köl­ner-Stadt­an­zei­ger aus­ge­schlos­sen hat. Zum Fall Lim­burg sie­he die Berich­te Bischof Tebartz-van Elst fliegt nach Rom – Was steckt wirk­lich hin­ter dem Lim­bur­ger Streit? und Lim­burg: Bischof Tebartz-van Elst – Ver­ord­ne­te Abset­zung in Etap­pen? Der „Papst-Ver­trau­te“ ist Erz­bi­schof Oscar Rodri­guez Kar­di­nal Mara­dia­ga von Tegu­ci­gal­pa in Hon­du­ras. Der Hon­du­ra­ner wur­de von Papst Fran­zis­kus als Ver­tre­ter Mit­tel­ame­ri­kas in den C8-Kar­di­nals­rat beru­fen, den er zudem koor­di­niert. Seit­her ist der latein­ame­ri­ka­ni­sche Pur­pur­trä­ger ein gefrag­ter Gesprächs­part­ner der Medi­en und sieht sich ein wenig als inof­fi­zi­el­ler Papst-Stellvertreter.

Anzei­ge

Weni­ger Beach­tung fand Mara­dia­gas unge­wöhn­li­che Kri­tik am Prä­fek­ten der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, dem ernann­ten Kar­di­nal Ger­hard Lud­wig Mül­ler. Kuri­en­erz­bi­schof Mül­ler scheint zum Buh-Mann der Unduld­sa­men zu wer­den. Ein Schick­sal, das vor ihm bereits Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger als Glau­bens­prä­fekt geteilt hatte.

„Mein Bruder, Du solltest ein wenig flexibel sein“

Wäh­rend Erz­bi­schof Mül­ler sei­nen deut­schen Mit­brü­dern im Bischofs­amt und der Gesamt­kir­che die katho­li­sche Leh­re zum Ehe­sa­kra­ment in Erin­ne­rung rief, mach­te sich Kar­di­nal Mara­dia­ga über ihn lustig. Dem Köl­ner Stadt­an­zei­ger sag­te er lachend:

„Ich habe es gele­sen, ja. Und ich dach­te: ‚Okay, viel­leicht hast Du Recht, viel­leicht aber auch nicht.‘ Ich mei­ne, ich ver­ste­he ihn: Er ist Deut­scher – ja, ich muss das sagen, er ist oben­drein Pro­fes­sor, ein deut­scher Theo­lo­gie­pro­fes­sor. In sei­ner Men­ta­li­tät gibt es nur rich­tig oder falsch, das war’s. Aber ich sage: ‚Die Welt, mein Bru­der, die Welt ist nicht so. Du soll­test ein wenig fle­xi­bel sein, wenn du ande­re Stim­men hörst, damit du nicht nur zuhörst und sagst, nein, hier ist die Wand.‘ Also, ich glau­be, er wird dahin gelan­gen, ande­re Ansich­ten zu ver­ste­hen. Aber jetzt ist er halt noch am Anfang, hört bloß auf sei­nen Beraterstab.“

„Wir stehen in der Kirche am Beginn einer neuen Ära“

Kar­di­nal Mara­dia­ga ist in sei­nem per­sön­li­chen Höhen­flug „fest über­zeugt: Wir ste­hen in der Kir­che am Beginn einer neu­en Ära. Ähn­lich wie vor 50 Jah­ren, als Papst Johan­nes XXIII. die Kir­chen­fen­ster öff­nen ließ, um fri­sche Luft her­ein­zu­las­sen. Heu­te will Fran­zis­kus die Kir­che in die Rich­tung füh­ren, in die er selbst vom Hei­li­gen Geist getrie­ben wird: näher bei den Men­schen, nicht über ihnen thro­nend, son­dern in ihnen lebendig.“

Vor allem aber sei zu beden­ken: „Die Kir­che, das darf man nicht ver­ges­sen, ist nicht bloß eine Insti­tu­ti­on von Men­schen­hand, son­dern Got­tes Werk. Ich bin sicher, er hat­te bei unse­rer Wahl im März 2013 sei­ne Hand im Spiel. Denn nach mensch­li­chem Ermes­sen wäre ein ande­rer Papst geworden.“

„Mehr Pastoral als Doktrin“

Die Hal­tung von Papst Fran­zis­kus, so der Kar­di­nal, sei es, hin­aus­zu­ge­hen um zu evan­ge­li­sie­ren. Das bedeu­te kon­kret: „Mehr Pasto­ral als Dok­trin“. Was das für den Erz­bi­schof von Tegu­ci­gal­pa bedeu­tet, erläu­ter­te er mit „Fle­xi­bi­li­tät“ am Bei­spiel der wider­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen: „Die Kir­che ist gebun­den durch Got­tes Gebo­te. Chri­stus sagt über die Ehe: Was Gott ver­bun­den hat, das darf der Mensch nicht tren­nen. Die­ses Wort steht fest. Aber es gibt vie­le Zugän­ge, es zu deu­ten.“ Es gebe daher „noch viel Raum für eine ver­tief­te Durch­drin­gung. Aber es wird nicht in die Rich­tung gehen, daß mor­gen weiß ist, was heu­te schwarz ist“.

Der Kar­di­nal habe dem Papst die Fra­ge gestellt, war­um es nach der Bischofs­syn­ode von 1980 schon wie­der eine zum The­ma Fami­lie brau­che. Der Papst habe ihm geantwortet:

„Das ist 30 Jah­re her. Heu­te gibt es die Fami­lie von damals für die mei­sten Men­schen gar nicht mehr. Und das stimmt: Wir haben Schei­dun­gen, wir haben die Patch­work­fa­mi­li­en, die vie­len Allein­er­zie­hen­den, Phä­no­me­ne wie Leih­mut­ter­schaf­ten, kin­der­lo­se Ehen. Nicht zu ver­ges­sen die gleich­ge­schlecht­li­chen Part­ner­schaf­ten. Die waren 1980 doch nicht ein­mal am Hori­zont erkenn­bar. All das erfor­dert Ant­wor­ten für die Welt von heu­te. Und es genügt nicht zu sagen: Dafür haben wir die tra­di­tio­nel­le Leh­re. Selbst­ver­ständ­lich, die tra­di­tio­nel­le Leh­re wird fort­be­stehen. Aber die pasto­ra­len Her­aus­for­de­run­gen erfor­dern zeit­ge­mä­ße Ant­wor­ten. Und die stam­men nicht mehr aus Auto­ri­ta­ris­mus und Mora­lis­mus. Das ist kei­ne ‚Neue­van­ge­li­sie­rung‘, nein, nein!“

Wenig Kontakt zu Glaubenspräfekt Müller und Strukturreformen

Es wun­dert nicht, daß der Kon­takt zwi­schen Kar­di­nal Mara­dia­ga und dem künf­ti­gen Kar­di­nal Mül­ler nicht der beste zu sein scheint: „Bis jetzt haben wir noch nicht mit­ein­an­der gespro­chen. Aber wir wer­den reden, ganz bestimmt. Es ist immer gut, einen guten Dia­log zu führen.“

Zum media­len Dau­er­bren­ner „Struk­tur­re­for­men“ sag­te der hon­du­ra­ni­sche Kar­di­nal: „Natür­lich muss sich vie­les in der Kir­che ändern. Der Papst weiß das, ich weiß es, und auch das Kar­di­nals­kol­le­gi­um war sich des­sen bewusst, als es 2013 ins Kon­kla­ve ging. Struk­tu­ren ste­hen im Dienst der Men­schen. Wenn sich aber die Lebens­welt der Men­schen so rasant ver­än­dert, müs­sen es auch die Struk­tu­ren der Kir­chen­lei­tung, der Kurie.“ Die Bischofs­syn­ode sol­le „nach dem Wil­len des Pap­stes ein hand­li­ches, wir­kungs­vol­les Instru­ment kol­le­gia­ler Lei­tung sein und nicht bloß ein Mee­ting in Rom alle drei Jah­re“, so der Kar­di­nal. Dazu „Ver­än­de­run­gen im Staats­se­kre­ta­ri­at, mit des­sen Arbeit in der Ver­gan­gen­heit vie­le unzu­frie­den waren“ und: „Wir schla­gen vor, eine eige­ne Kon­gre­ga­ti­on für die Lai­en einzurichten.“

„Point of no return“ und keine Kritik an deutschem Kirchensteuersystem

Auf die Fra­ge, ob dem 77jährigen Papst genug Zeit für all die­se Ver­än­de­run­gen blei­be, ant­wor­te­te Mara­dia­ga: „Ich glau­be, zum einen sind wir bereits an einem ‚Point of no return‘“.

Erstaun­lich hand­zahm gab sich der latein­ame­ri­ka­ni­sche Kar­di­nal als die Rede auf die deut­sche Kir­chen­steu­er kam. Wäh­rend er den Wunsch von Papst Fran­zis­kus nach einer „armen Kir­che“ lob­te, woll­te sich der Kar­di­nal nicht in die Ent­welt­li­chungs-Auf­for­de­rung von Papst Bene­dikt XVI. an die deut­sche Kir­che ein­mi­schen: „Das habe ich nicht zu kritisieren.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: ACI Prensa

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!