Der Weihnachtsbaum stammt aus Geismar – Heidnisch oder christlich?


Der Weihnachtsbaum stammt aus Geismar und ist christlichen Ursprungs
Der Weihnachtsbaum stammt aus Geismar und ist christlichen Ursprungs

(Ful­da) Alle Jah­re wie­der fas­zi­niert der Christ­baum oder Weih­nachts­baum groß und klein. Der Lich­ter­glanz am immer­grü­nen Nadel­baum ent­fal­tet in der kal­ten Jah­res­zeit eine magi­sche Anzie­hungs­kraft, selbst dort, wo es um Weih­nach­ten gar nicht so kalt ist und auf der süd­li­chen Hemi­sphä­re sogar Som­mer herrscht. Befragt nach den schön­sten Kind­heits­er­in­ne­run­gen, steht Weih­nach­ten, das Fest der Geburt Jesu, das Fest des Frie­dens und des Heils, ganz oben in den Antworten.
All­jähr­lich taucht aller­dings auch die Behaup­tung auf, daß der Weih­nachts­baum eigent­lich gar nicht christ­lich, son­dern heid­ni­schen Ursprungs sei. Der Ver­such einer Umdeu­tung sei­ner Bedeu­tung, der Ver­such ihn zu „neu­tra­li­sie­ren“ und als „ent­christ­lich­ten“ Brauch viel­leicht in die mul­ti­kul­tu­rel­le und lai­zi­sti­sche Öffent­lich­keit ein­zu­bau­en, treibt dabei bun­te Blü­ten. Grund genug, sich auf die Spu­ren die­ses wun­der­schö­nen, christ­li­chen Brau­ches zu machen, der sich mit dem Chri­sten­tum um die gan­ze Erd­ku­gel aus­ge­brei­tet hat. 

Je tiefer man gräbt, desto christlicher ist der Brauch

Anzei­ge

Je mehr und je tie­fer man gräbt, desto deut­li­cher wird, daß es sich nicht um ein heid­ni­sches, son­dern ein zutiefst christ­li­ches Brauch­tum han­delt. Es ist weder heid­ni­schen noch pro­te­stan­ti­schen Ursprungs, wie gele­gent­lich zu hören ist.

Der Ursprung des Weih­nachts­baums liegt mit­ten in Deutsch­land und reicht bis an den Beginn der deut­schen Geschich­te zurück.  Sein „Erfin­der“ war kein Hei­de, son­dern ein katho­li­scher Prie­ster. Nicht irgend­ein Prie­ster, son­dern der Hei­li­ge Boni­fa­ti­us, der „Apo­stel der Deut­schen“, der vor 1.300 Jah­ren wirkte.

Von Deutsch­land aus trat der Christ­baum vor vie­len Jahr­hun­der­ten sei­nen Sie­ges­zug um die Welt an.

Bonifatius, der Apostel der Deutschen, „Erfinder“ des Christbaums

Vie­le der ger­ma­ni­schen Völ­ker hat­ten sich in der Spät­an­ti­ke oder im Früh­mit­tel­al­ter zum Chri­sten­tum bekehrt. Das gilt auch für die Völ­ker­schaf­ten, aus denen das deut­sche Volk ent­stan­den ist, etwa die Baju­wa­ren im Süd­osten, die Ale­man­nen im Süd­we­sten oder die Fran­ken im Westen. Ande­re waren erst teil­wei­se chri­stia­ni­siert wie die Sach­sen, die Hes­sen und die Frie­sen im Nor­den. Die Fra­ge war noch offen, ob die genann­ten Stäm­me end­gül­tig das Chri­sten­tum anneh­men oder heid­nisch blei­ben wür­den. Inner­halb die­ser Völ­ker gab es dar­über har­te Aus­ein­an­der­set­zun­gen, die von christ­li­chen Mis­si­ons­schü­ben und heid­ni­schen Gegen­schü­ben geprägt waren.

Heiliger Bonifatius predigt im noch heidnischen Teil GermaniensDer Hei­li­ge Boni­fa­ti­us, selbst ein Sach­se, konn­te daher auch einen per­sön­li­chen Anspruch gel­tend machen, ein Wort im gei­sti­gen Rin­gen die­ser Völ­ker mit­zu­re­den. Mit dem Namen Win­fried wur­de er um 673 als Sohn einer vor­neh­men säch­si­schen Fami­lie im König­reich Wes­sex (West­sach­sen) im heu­ti­gen Eng­land gebo­ren. Er trat in den Bene­dik­ti­ner­or­den ein, emp­fing die Prie­ster­wei­he und wid­me­te sich eini­ge Jahr­zehn­te dem Stu­di­um. Als Abt unter­nahm er 716 sei­ne erste Mis­si­ons­rei­se auf das euro­päi­sche Fest­land, in den damals noch mehr­heit­lich heid­ni­schen Nor­den Deutschlands.

Die Mis­sio­nie­rung erwies sich als schwie­rig, weil ihr die Poli­tik im Wege stand. Mit dem Chri­sten­tum wur­den die mäch­ti­gen Fran­ken gleich­ge­setzt. Die anti­frän­ki­sche Par­tei bei Frie­sen und Sach­sen sah in der von den Fran­ken geför­der­ten Chri­stia­ni­sie­rung nicht nur eine reli­giö­se Bestre­bung, son­dern auch einen poli­ti­schen Ver­such, sie durch die Tau­fe dem Fran­ken­reich ein­zu­glie­dern. Der Kampf gegen die Fran­ken wur­de daher für einen Teil die­ser Völ­ker zu einem Kampf für das Heidentum.

719 rei­ste Win­fried nach Rom, wo ihm Papst Gre­gor II. per­sön­lich den Auf­trag erteil­te, den noch ungläu­bi­gen Völ­kern das Geheim­nis des Glau­bens zu ver­kün­den. Der Papst war es auch, der ihm den neu­en Namen Boni­fa­ti­us ver­lieh. Zunächst mis­sio­nier­te der Sach­se unter den Frie­sen, dann wirk­te er unter den Bai­ern, also auch im heu­ti­gen Öster­reich, sowie in Thü­rin­gen und Hessen.

Weihnachtsbaum hat nichts mit germanischem Julbogen zu tun

723 emp­fing Boni­fa­ti­us in Rom die Bischofs­wei­he und wur­de vom Papst zum Bischof für ganz Deutsch­land ernannt. Aus sei­nem Mis­si­ons­werk, Chri­stus zu ver­kün­den und den heid­ni­schen Aber­glau­ben abzu­stel­len, über­lie­fert die Vita Sanc­ti Boni­fa­tii fol­gen­de Episode:

Weihnachtsbaum vor einer Kirche: ersten Weihnachtsbaum ließ der Heilige Bonifatius in Geismar vor der von ihm errichhteten Petruskapelle schmücken724 ver­hin­der­te der Hei­li­ge kurz vor Weih­nach­ten ein heid­ni­sches Men­schen­op­fer. Es soll­te in Geismar, heu­te ein Teil der Stadt Fritz­lar, unter der soge­nann­ten Dona­rei­che voll­zo­gen wer­den, um den ger­ma­ni­schen „Gott“ Thor (Donar) mil­de zu stim­men. Um die­sen schreck­li­chen Brauch aus­zu­mer­zen und den ver­sam­mel­ten Hei­den die Bedeu­tungs­lo­sig­keit die­ses Göt­zen zu zei­gen, fäll­te Boni­fa­ti­us die Eiche vor ihren Augen.

„Das ist eure Dona­rei­che, und das ist das Kreuz Chri­sti, das den Ham­mer des fal­schen Got­tes Thor zer­trüm­mern wird.“

Das sind die in der Vita über­lie­fer­ten Wor­te des Hei­li­gen, mit dem er dem heid­ni­schen Men­schen­op­fer Ein­halt gebot. In neu­heid­ni­schen, deutsch­na­tio­na­len Krei­sen wird seit dem Ende des 19. Jahr­hun­derts das Fäl­len der Dona­rei­che als „Zwangs­chri­stia­ni­sie­rung“ und „kul­tu­rel­le Bar­ba­rei“ kri­ti­siert. Unter­schla­gen wird dabei, daß Boni­fa­ti­us kein aus­län­di­scher Kul­tur­im­pe­ria­list, son­dern sel­ber Sach­se war, und daß er gegen grau­sa­me Men­schen­op­fer vorging.

Die Vita schil­dert wei­ter: Als er mit der Axt Hand an die Eiche leg­te, kam ein star­ker Wind auf, riß den Baum um und spal­te­te ihn dabei in meh­re­re Tei­le. An der Stel­le, wo die mäch­ti­ge Eiche stand, ließ der Hei­li­ge aus deren Holz eine Kapel­le errich­ten, die er dem Apo­stel­für­sten Petrus weihte.

Bonifatius stiftet in Geismar den ersten Weihnachtsbaum

Neben der gefäll­ten Eiche stand ein jun­ger Nadel­baum, der erst jetzt rich­tig sicht­bar wur­de. Ob es sich dabei um eine Fich­te oder Tan­ne han­del­te, geht aus der Quel­le nicht ein­deu­tig her­vor, wes­halb ein Weih­nachts­baum sowohl eine Fich­te als auch eine Tan­ne sein kann. Auf­grund der Ver­brei­tungs­ge­bie­te die­ser Baum­ar­ten han­del­te es sich in Geismar aber mit gro­ßer Wahr­schein­lich­keit um eine Fichte.

Der Hei­li­ge wand­te sich erneut an die Heiden:

„Die­ser klei­ne Baum, ein jun­ger Sproß des Wal­des, soll in die­ser Nacht euer hei­li­ger Baum sein. Er ist aus dem Holz des Frie­dens gemacht, denn auch eure Häu­ser sind aus Holz errich­tet. Er ist das Zei­chen eines Lebens ohne Ende, denn sei­ne Zwei­ge sind immer­grün. Seht wie er direkt zum Him­mel zielt. Er soll der Baum des Chri­stus­kin­des hei­ßen. Ver­sam­melt euch um ihn, aber nicht im Wald, son­dern in euren Häu­sern. Dort wird man kei­ne Blut­ri­ten dar­brin­gen, son­dern Gaben der Lie­be und Güte.“

Die Anspie­lung hat­te nicht nur mit der hoch­ent­wickel­ten Holz­bau­wei­se der Ger­ma­nen zu tun, son­dern vor allem mit dem hoch­ge­hal­te­nen Gast­recht und Frie­dens­ge­bot, in Wohn­häu­sern kein Blut zu ver­gie­ßen. Boni­fa­ti­us hielt dann den Ver­sam­mel­ten eine Kate­che­se und erzähl­te ihnen vom Leben und den Wer­ken des Jesus von Naza­reth, von der Geburt bis zur Auf­er­ste­hung, und ver­kün­de­te ihnen die Wie­der­kunft des Herrn. Uner­heb­lich ist dabei, wo genau die erste, vom Hei­li­gen Boni­fa­ti­us errich­te­te Peters­kir­che stand, ob in Geismar selbst oder bereits auf dem heu­ti­gen Dom­berg von Fritz­lar, was wört­lich Ort des Frie­dens bedeu­tet. Bei­de Orte erhe­ben die­sen Anspruch.

Der Hei­li­ge ließ, so die Über­lie­fe­rung, den klei­nen Fich­ten­baum hin­ter der gefäll­ten Dona­rei­che schmücken und Ker­zen dar­an anbrin­gen, die er zu Ehren Jesu Chri­sti ent­zün­de­te. So geschmückt soll­te die Fich­te zu Weih­nach­ten die Geburt des mensch­ge­wor­de­nen Got­tes sicht­bar machen, dem wah­ren Licht der Welt. Von da an begann sich der Brauch lang­sam, aber kon­ti­nu­ier­lich auszubreiten.

Die Vita Sanc­ti Boni­fa­tii ent­stand um 760, also weni­ge Jah­re nach dem 754 erfolg­ten Mär­ty­rer­tod des Hei­li­gen. Ver­faßt wur­de sie vom Hei­li­gen Wil­li­bald, der den Hei­li­gen Win­fried-Boni­fa­ti­us noch per­sön­lich gekannt und eini­ge Zeit beglei­tet hat­te. Sie ist in zahl­rei­chen Hand­schrif­ten über­lie­fert, von denen die älte­ste noch erhal­te­ne aus der Zeit um 810 stammt. Die Ereig­nis­se sind also sehr gut belegt.

Mittelalterliche Mysterienspiele und Paradiesbaum

Für eini­ge Jahr­hun­der­te schwei­gen die für die­se Zeit ohne­hin dürf­ti­gen Quel­len über die wei­te­re Aus­brei­tung des Brau­ches. In die­ser Zeit erfolg­te offen­bar eine geist­li­che Ver­tie­fung, denn im Hoch­mit­tel­al­ter, eine Zeit, zu der die Quel­len rei­cher zu flie­ßen begin­nen, fin­den wir den Christ­baum in der heu­te weit­ge­hend ver­schwun­de­nen Tra­di­ti­on des lit­ur­gi­schen Dra­mas, das einst weit ver­brei­tet und sehr beliebt war. Die Dra­men wur­den teils unmit­tel­bar vor oder nach der Hei­li­gen Mes­se in den Kir­chen aufgeführt.

Paradiesbaum im Garten EdenDie älte­sten Bele­ge die­ser Myste­ri­en­spie­le betref­fen die Kar­wo­che und das Oster­fest und waren der Dar­stel­lung von Lei­den, Tod und Auf­er­ste­hung Jesu Chri­sti gewid­met. Dazu wur­den die bibli­schen Tex­te dra­ma­ti­siert. In den Moral- und Wun­der­spie­len fan­den sie ihre Fort­set­zung, die auch den Viten bekann­ter Hei­li­ger ent­nom­men sein konn­ten. Sie wur­den dann aller­dings nicht mehr in der Kir­che, son­dern in über­dach­ten Vor­hal­len zur Auf­füh­rung gebracht. Die Pas­si­ons­spie­le von Erl in Tirol und von Ober­am­mer­gau in Bay­ern knüp­fen an die­se geist­li­chen Dra­men an.

Am Hei­li­gen Abend kamen Para­dies­spie­le zur Auf­füh­rung, da die Kir­che an die­sem Tag an Adam und Eva erin­nert, die Stamm­eltern der Mensch­heit, die durch den Sün­den­fall gro­ßes Unglück über das Men­schen­ge­schlecht brach­ten. Dem ersten Adam und der ersten Eva tre­ten zu Weih­nach­ten Chri­stus, der neue Adam, und Maria, die neue Eva, entgegen.

Die Para­dies­spie­le erzähl­ten die Geschich­te Adams und Evas im Gar­ten Eden, die Ver­füh­rung durch die Schlan­ge und den fata­len Biß in den Apfel der Erkennt­nis. Dani­el Daly schrieb 2002 über das mit­tel­al­ter­li­che Spektakel:

„Die zen­tra­le ‚Requi­si­te‘ inner­halb des Stückes stellt der Para­dies­baum oder Baum der Erkennt­nis dar. Für die­ses Schau­spiel wur­de ein immer­grü­ner Nadel­baum mit Äpfeln behängt“.

Die christ­li­che Ver­tie­fung und sym­bo­li­sche Aus­deu­tung des Weih­nachts­bau­mes, wie ihn der Hei­li­ge Boni­fa­ti­us gestif­tet hat­te, führ­te direkt zum „Para­dies­baum“.

Ältester Hinweis auf Brauch 1419 aus Freiburg im Breisgau

Die Suche nach Bele­gen für den Weih­nachts­baum liest sich wie eine Land­kar­te des deut­schen Vol­kes. Aus heu­ti­ger Sicht betrach­tet: Wo sich das Brauch­tum fin­det, dort leb­ten Deutsche.

Der Christbaum ziert zur Weihnachtszeit zahlreiche Häuser
Der Christ­baum ziert zur Weih­nachts­zeit zahl­rei­che Häuser

Der älte­ste kon­kre­te Beleg für den heu­te übli­chen Brauch, einen Weih­nachts­baum auf­zu­rich­ten und zu schmücken, stammt aus Frei­burg im Breis­gau und geht auf das Jahr 1419 zurück, wenn­gleich die Ori­gi­nal­quel­le ver­schol­len ist. Die dor­ti­ge Bru­der­schaft der Bäcker stif­te­te dem Hei­lig­geist­spi­tal der Stadt einen Nadel­baum, rich­te­te ihn auf und schmück­te ihn. Ein Brauch, der offen­sicht­lich in der Stadt bereits feste Tra­di­ti­on war und daher älte­ren Ursprungs sein muß­te. Für das Jahr 1507 wird glei­ches aus der Stadt Bern, heu­te Haupt­stadt der Schweiz, überliefert.

In Riga, heu­te die Haupt­stadt Lett­lands, erin­nert eine in acht Spra­chen ver­faß­te Tafel dar­an, daß zu Weih­nach­ten 1510 in der Stadt ein Baum geschmückt wur­de. Die Stadt war 1201 von Bischof Albert von Bre­men gegrün­det wor­den. Anfang des 16. Jahr­hun­derts wur­de die Stadt, über die der Deut­sche Rit­ter­or­den die Schutz­herr­schaft aus­üb­te, mehr­heit­lich von Deut­schen bewohnt. Durch sie war der Brauch ins Bal­ti­kum gelangt.

Alle die­se Bei­spie­le stam­men aus vor­re­for­ma­to­ri­scher Zeit. Sie bele­gen, daß es sich bereits vor Mar­tin Luther um einen gemein­deut­schen, katho­li­schen Brauch han­del­te, der in ganz unter­schied­li­chen Gegen­den des deut­schen Sprach­raums anzu­tref­fen war.

1521: Christbaum in den Privathäusern belegt

Die wei­te­re Spu­ren­su­che führt ins Elsaß. In Schlett­stadt fin­det sich aus dem Jahr 1521 der erste gesi­cher­te Beleg, daß nicht nur in öffent­li­chen Ein­rich­tun­gen und auf öffent­li­chen Plät­zen, son­dern auch in den Pri­vat­häu­sern Christ­bäu­me auf­ge­stellt wurden.

In Mit­tel­ita­li­en ent­stand im frü­hen 13. Jahr­hun­dert durch den Hei­li­gen Franz von Assi­si die Krip­pe als eigen­stän­di­ge christ­li­che Tra­di­ti­on. Die deut­sche Tra­di­ti­on des Christ­baums und die ita­lie­ni­sche Tra­di­ti­on der Krip­pe fan­den unab­hän­gig von­ein­an­der ihre Ver­brei­tung. Sie sind an ver­schie­de­nen Orten zu unter­schied­li­cher Zeit ent­stan­de­ne Aus­drucks­for­men katho­li­scher Fröm­mig­keit. Nach der Refor­ma­ti­on wur­den wegen des herr­schen­den Prie­ster­man­gels zahl­rei­che ita­lie­ni­sche Prie­ster und Ordens­leu­te in den deut­schen Sprach­raum geschickt. Mit Land und Leu­ten nicht ver­traut und wegen der pro­te­stan­ti­schen Leh­ren gegen­über allem Deut­schen miß­trau­isch, ent­stand unter ihnen die irri­ge Mei­nung, daß der ihnen unbe­kann­te Christ­baum ein „pro­te­stan­ti­scher“ Brauch sein müs­se, dem sie die Krip­pe als „katho­li­schen“ Brauch entgegenstellten.

Beson­ders im katho­li­schen baye­risch-öster­rei­chi­schen Raum ver­schmol­zen Christ­baum und Krip­pe zu einer selbst­ver­ständ­li­chen Symbiose.

„Oblaten, Äpfel, Zischgold, vilfarbig Papier“

Weihnachtsbaum in Buenos Aires
Weih­nachts­baum in Bue­nos Aires

Im Straß­bur­ger Mün­ster ist der Weih­nachts­baum erst­mals im Jahr 1539 belegt. Die Volks­kund­le­rin Inge­borg Weber-Kel­ler fand in einer Bre­mer Chro­nik von 1570 die Schil­de­rung eines mit Äpfeln, Nüs­sen, Dat­teln und Papier­blu­men geschmück­ten Nadelbaumes.

Auch aus Frei­burg im Breis­gau berich­tet eine von Hart­mut Stil­ler zitier­te Chro­nik von 1599, daß „an den errich­tet dann­baum […] vil­far­bi­gen papier sowie obla­ten, äpfel, schmitz und zisch­gold [=Flit­ter­gold] zu hen­ken […] und sich ein­an­der gaben zu schicken“. Ein Brauch­tum, das „seit gerau­mer zeyt üblich weis [= gewe­sen], also viel älter war, wie eigens ver­merkt wurde.

Eine schö­ne Beschrei­bung des Brauchs ist von 1605 eben­falls aus der Frei­en Reichs­stadt Straß­burg überliefert:

Auff Weih­nach­ten rich­tet man Dan­nen­bäu­me zu Straß­burg in den Stu­ben auf. Dar­an hen­ket man Roßen auß viel­far­bi­gen Papier geschnit­ten, Aep­fel, Obla­ten, Zisch­gold und Zucker.“

Aus der Zeit um 1600 lie­gen schrift­li­che Bele­ge für den Weih­nachts­baum auch aus Schle­si­en und ande­ren deut­schen Gegen­den vor.

Umge­kehrt exi­stie­ren kei­ne Bele­ge, daß der Weih­nachts­baum dem vor­christ­li­chen, heid­nisch-ger­ma­ni­schen Brauch­tum ent­stammt. Eine behaup­te­te Ablei­tung vom Jul­bo­gen ist eine neu­heid­ni­sche Erfin­dung aus der Zeit um 1900, deren Funk­ti­on allein in der Abgren­zung gegen das Chri­sten­tum lag.

Die Hei­li­ge Schrift bie­tet hin­ge­gen zahl­rei­che Hin­wei­se auf Bäu­me, anhand derer die Sym­bo­lik des Christ­bau­mes immer stär­ker ver­tieft wur­de. Neben der erwähn­ten Schil­de­rung im Buch Gene­sis kön­nen fol­gen­de Stel­len genannt wer­den: Sprich­wör­ter 11,30; Sprich­wör­ter 3,18; Jesa­ja 11,1; Hosea 14,6 und 14,9; Johan­nes 19,34, Mat­thä­us 13,31f; 33,45 und Apo­stel­ge­schich­te 22,2.

Gestif­tet vom „Apo­stel der Deut­schen“ begann der Weih­nachts­baum oder Christ­baum, wie ihn der Hei­li­ge Boni­fa­ti­us eigent­lich nann­te, vor bald 1300 Jah­ren als Sym­bol des Frie­dens [und gegen das Men­schen­op­fer] sei­nen sanf­ten, glück­li­chen Sie­ges­zug um den Erd­ball. Er erin­nert an das welt­hi­sto­ri­sche Ereig­nis, daß Gott selbst Mensch gewor­den ist und vor mehr als 2000 Jah­ren in die Geschich­te ein­ge­tre­ten ist. Ein Brauch­tum, das mit­ten in Deutsch­land ent­stan­den ist, als die Deut­schen im Süden und Westen bereits Chri­sten waren, und auch die damals noch heid­ni­schen Deut­schen des Nor­dens, die Hes­sen, Frie­sen und Sach­sen, das Chri­sten­tum annah­men. Eine Bekeh­rung, die beson­ders unter den Sach­sen hart umkämpft war. Mit dem Hei­li­gen Win­fried-Boni­fa­ti­us war es ein Sach­se, der sei­ne Lands­leu­te mis­sio­nier­te und bekehr­te. Sein Mar­ty­ri­um und die Bekeh­rung der Sach­sen waren ein Gna­den­mo­ment, aus dem ein aus­sa­ge­star­kes Brauch­tum erwuchs, das die Chri­sten gewor­de­nen Deut­schen, beson­ders die Sach­sen der gan­zen Welt geschenkt haben.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: St. Johann in Tirol/​Pfarrei San Vito Cadore/​Osservatore Romano/​Asianews

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13 Kommentare

  1. Ein deut­scher Pro­fes­sor brach­te den Weih­nachts­baum spä­ter nach Neu­eng­land (news​.har​vard​.edu/​g​a​z​e​t​t​e​/​1​9​9​6​/​1​2​.​1​2​/​P​r​o​f​e​s​s​o​r​B​r​o​u​g​h​.​h​tml), deut­sche Katho­li­ken ihn in die Stadt Bos­ton: http://​www​.glo​ria​.tv/​?​m​e​d​i​a​=​4​9​3​007
    Dan­ke für die­sen infor­ma­ti­ven und ver­brei­tenswer­ten Artikel!

  2. Mir erzähl­te die­ser Tage ein Geist­li­cher der sich damit sehr beschäf­tigt, dass der Kult um den Weih­nachts­baum, die Anbe­tung des Jesus­kin­des in der Krip­pe ver­dräng­te und von kir­chen­feind­li­chen Krei­sen erfun­den wur­de, bis zur Mit­te des 19. Jahr­hun­derts sei es üblich gewe­sen, dass sich die Fami­lie nicht um den Baum son­dern um die Krip­pe zum Gebet ver­sam­melt. Es wäre eine wich­ti­ge Auf­ga­be, die bis dahin übli­chen Gebe­te zu suchen, zu sam­meln und zu bewahren.

    • Genau. Der Weih­nachts­baum hatt die Krip­pe ange­grif­fen und erfolg­reich zum Rück­zug gezwun­gen. Weihnachtsbaumreligion?
      Per Mari­am ad Christum.

  3. Das Sym­bol des Weih­nachts­fe­stes ist der Christ­baum! und es soll­te doch im Grun­de uner­heb­lich sein und blei­ben WOHER nun dieser„Brauch“ kommt!! Der Christ­baum. – erfreut die Her­zen seit bei­na­he Men­schen­ge­den­ken. Die Kin­der freu­en sich mit zu benei­den­der Freu­de über den all­jährl. Lich­ter­baum mir all sei­nen Herr­lich­kei­ten dar­an. Alles Ande­re, wie Nach­for­schen, „Woher“ oder „seit wann“ ent­zau­bert ihn nur. H.-P.Voigt!

  4. Das ist wie­der typisch Medi­en: den Weih­nachts­baum wür­den sie uns Chri­sten weg­neh­men und für welt­li­che Zwecke bean­spru­chen (Wer­bung, Geld­ma­che­rei), und alles Schlech­te wird uns Chri­sten zuge­scho­ben, sie­he Frei­tag, der Dreizehnte.

    http://​reli​gi​on​.orf​.at/​s​t​o​r​i​e​s​/​2​6​2​0​0​41/

    Die­ser Stil der reli­giö­sen Bericht­erstat­tung ist lei­der bezeich­nend für die staat­li­che Medi­en­an­stalt des ORF.

  5. Nicht zu ver­ges­sen ist auch der Hei­li­ge Niko­laus, der als Weih­nachts­mann aus dem Chri­sten­tum zweck­ent­frem­det wur­de um Pro­fit zu machen.

  6. Naja…die Kommentare…wie kann ein Sym­bol Gegen­stand einer Grund­satz­de­bat­te werden…?
    Wenn das so stimmt, wie im Arti­kel dar­ge­stellt, und es spricht doch eini­ges dafür, dass kann man unmög­lich jeden Miss­bra­cuh berück­sich­ti­gen. Auch die Hl. Schrift wird miss­braucht. Jesus wird miss­bra­cuht, maria wird miss­braucht – also alles in den Müll?
    Nein!
    Es ist genau das die nüch­ter­ne und sinn­vol­le Rich­tung, die der Arti­kel ein­schlägt. Wir reflek­tie­ren die Sym­bo­le und set­zen sie sinn­voll ein.
    Und wenn der Kapi­ta­lis­mus zehn­mal einen Weih­nachts­baum zum Kon­sum­an­reiz auf­stellt – den­noch eri­nenrt er damit an Christliches.
    Wol­len wir das eli­mi­niert wissen?
    Ich nicht.

    • Ich den­ke nicht, dass der Groß­teil der nicht prak­ti­zie­ren­den Katho­li­ken durch den Weih­nachts­baum wirk­lich an etwas Christ­li­ches erin­nert wird. Die haben doch ihr Den­ken in Din­gen wie Face­book, den Weih­nachts­ge­schen­ken usw verankert.

      Weih­nach­ten bedeu­tet für die mei­sten doch Geschen­ke, gutes Essen und den Weih­nachts­baum als solchen(ohne Sym­bo­lik), da nur mehr wenig prak­ti­zie­ren­de Katho­li­ken ver­blie­ben sind die sich heu­te noch die Zeit neh­men tie­fer zu den­ken, sei es in Deutsch­land oder in Österreich.

      Von Weih­nachts­baum abschaffen(eliminieren) war glaub ich im Arti­kel und in den Kom­men­ta­ren nir­gends die Rede. Es ist aber Fakt, dass sich die Kon­sum­in­du­strie christ­li­cher Sym­bo­le und Feste bedient, um Geld zu machen.
      Das Weih­nachts­ge­schäft ist immer­hin für die Han­dels­bran­che das umsatz­stärk­ste im Jahr. Und auch zu Ostern wer­den ja Geschen­ke gekauft, der Oster­ha­se der mit dem Fest ursprüng­lich nichts zu tun hat bringt bestimm­ten Fir­men sat­te Umsätze.

    • „Wol­len wir das eli­mi­niert wissen?“
      Das geht sowie­so nicht mehr. Der moder­ne Katho­lik wür­de eher auf alle Sakra­men­te ver­zich­ten als auf den Weih­nachts­baum. Aber eins ist klar, Respeckt haben sie vor ihm nicht. Spä­te­stens wenn er anfängt zu nadeln fliegt er durchs offe­ne Fen­ster auf die Stra­ße. Mit dem Kind in der Krip­pe wür­den sie so etwas nicht machen. Ich stel­le auch einen auf. Auf den Ärger kann ich zu Weih­nach­ten verzichten.
      Per Mari­am ad Christum.

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