Wie kommt Papst Franziskus in die „Liste der 50 wichtigsten amerikanischen Juden 2013“?


50 einflußreiche amerikanische Juden laut The Forward und Papst Franziskus(New York) Die ame­ri­ka­ni­sche Zeit­schrift The For­ward ver­öf­fent­lich­te eine „Liste der 50 wich­tig­sten ame­ri­ka­ni­schen Juden des Jah­res 2013“. In die­ser Liste befin­det sich in einer Son­der­ka­te­go­rie auch Papst Fran­zis­kus. For­ward erscheint seit 1897 und ist das älte­ste Pres­se­or­gan des libe­ra­len Juden­tums mit Sitz in New York.

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Für Erstau­nen sorgt, daß auch Papst Fran­zis­kus in die jähr­lich von der Zeit­schrift For­ward ver­öf­fent­li­che Liste auf­ge­nom­men wur­de, obwohl Jor­ge Mario Berg­o­glio weder Jude noch jüdi­scher Abstam­mung ist, son­dern das Ober­haupt der Katho­li­schen Kir­che. Um genau zu sein, müß­te die Liste 50+1 hei­ßen, denn sie ent­hält die Namen der laut For­ward 50 ein­fluß­reich­sten ame­ri­ka­ni­schen Juden, wäh­rend Papst Fran­zis­kus in eine Son­der­ka­te­go­rie die­ser Liste auf­ge­nom­men wur­de, in der auch Nicht-Juden genannt wer­den, die sich beson­de­re Ver­dien­ste um das Juden­tum erwor­ben haben.

Forward: Papst Franziskus hat Verbesserung des christlich-jüdischen Verhältnisses zur „Schlüsselfrage“ gemacht

Zur Begrün­dung, wes­halb der Katho­lik Berg­o­glio in die Liste auf­ge­nom­men wur­de, schreibt For­ward, weil der neue Papst „in nur acht Mona­ten das Anlie­gen der Ver­bes­se­rung der Bezie­hun­gen mit der jüdi­schen Welt zu einer Schlüs­sel­fra­ge“ gemacht habe. Papst Fran­zis­kus habe „kei­ne Gele­gen­heit aus­ge­las­sen, den Anti­se­mi­tis­mus anzu­kla­gen und er plant für das kom­men­de Jahr einen Besuch Isra­els“. Zudem erin­nert die Zeit­schrift dar­an, daß das ein­zi­ge von Jor­ge Mario Berg­o­glio stam­men­de Buch „ein außer­ge­wöhn­li­cher Dia­log mit einem Rab­bi ist, der sein gro­ßer Freund in sei­nem Geburts­land Argen­ti­ni­en wurde“.

Der zwei­te „katho­li­sche“ Aspekt die­ser jüdi­schen Liste ist neben dem über­schweng­li­chen Lob für Papst Fran­zis­kus ein har­ten Sei­ten­hieb gegen des­sen Vor­gän­ger Papst Bene­dikt XVI. Die jüdi­sche Zeit­schrift prä­sen­tiert die bei­den Päp­ste in direk­tem Gegen­satz zuein­an­der. Der Gegen­satz bestehe, so die Zeit­schrift, in ihrem Ver­hält­nis zum Judentum.

Das jüdi­sche Lob für Papst Fran­zis­kus erscheint ver­ständ­lich, ange­sichts der auf­fäl­li­gen Nähe, die der neue Papst zum Juden­tum sucht und den nicht min­der auf­fäl­lig zahl­rei­chen Tref­fen und Gruß­bot­schaf­ten für jüdi­sche Orga­ni­sa­tio­nen, Feste und Israe­li­ti­sche Kul­tus­ge­mein­den. War­um ein katho­li­sches Kir­chen­ober­haupt das Ver­hält­nis zum Juden­tum zu einer „Schlüs­sel­fra­ge“ machen soll­te, erklärt For­ward nicht.

Harter Angriff von Forward gegen Papst Benedikt XVI.

Will­kür­lich scheint dage­gen der Angriff auf Papst Bene­dikt XVI., dem vor­ge­wor­fen wird, den Zugang zu den Vati­ka­ni­schen Archi­ven für die Zeit des Zwei­ten Welt­krie­ges und der Juden­ver­fol­gung durch den Natio­nal­so­zia­lis­mus ver­wei­gert zu haben. Das genaue Gegen­teil ist wahr. Nach jüdi­schen Pro­te­sten stopp­te Bene­dikt XVI. wie­der das Selig­spre­chungs­ver­fah­ren für Papst Pius XII., das er zunächst wie­der­auf­neh­men ließ. Um jeden Zwei­fel zu til­gen, beauf­trag­te er erneut Histo­ri­ker, das gesam­te Archiv­ma­te­ri­al zu sich­ten und aus­zu­wer­ten. Eine katho­lisch-jüdi­sche Histo­ri­ker­kom­mis­si­on wer­tet seit Jah­ren die Doku­men­te aus, Tagun­gen fan­den dazu statt, das Bild, das dabei ent­stand, ist eine voll­stän­di­ge Ent­la­stung von Pius XII. von den gegen ihn erho­be­nen Vor­wür­fen, die ver­folg­ten Juden im Stich gelas­sen zu haben. Als Ergeb­nis die­ser Arbeit jüdi­scher Histo­ri­ker wur­de in der Holo­caust-Gedenk­stät­te Yad Vas­hem in Isra­el eine nega­ti­ve Dar­stel­lung von Pius XII. korrigiert.

All­ge­mein zugäng­lich wer­den die Doku­men­te sein, sobald sie voll­stän­dig kata­lo­gi­siert sind. Die Kir­che beschleu­nigt damit die Öff­nung der Archi­ve für die Kriegs­zeit. Wie Kar­di­nal Ber­to­ne 2012 bekannt­gab, dürf­te es bereits 2014 soweit sein. Eine beschleu­nig­te Öff­nung der Vati­ka­ni­schen Archi­ve, die auf Bene­dikt XVI. zurück­geht und mit der Wahl von Papst Fran­zis­kus unmit­tel­bar nichts zu tun hat.

Die Fra­ge ist, war­um For­ward wahr­heits­wid­rig dar­auf beharrt, Bene­dikt XVI. als Hin­der­nis im jüdisch-katho­li­schen Dia­log und bei der histo­ri­schen Auf­ar­bei­tung der Kir­chen­ge­schich­te zur Zeit der Sho­ah dar­zu­stel­len. Als Deut­scher und damit gewis­ser­ma­ßen unter Kol­lek­tiv­ver­dacht zeig­te sich Bene­dikt XVI. beson­ders sen­si­bel für den christ­lich-jüdi­schen Dia­log. Im Bemü­hen um gegen­sei­ti­ges Ver­ständ­nis habe er sich wei­ter vor­ge­wagt, als die Päp­ste vor ihm, wie jüdi­sche Orga­ni­sa­tio­nen aner­kann­ten. Erin­nert sei dabei an gleich zwei Besu­che in Syn­ago­gen 2005 in Köln und 2010 in Rom. Ange­sichts des Zah­len­ver­hält­nis­ses von welt­weit etwa 15 Mil­lio­nen Juden und 1,2 Mil­li­ar­den Katho­li­ken spielt die Fra­ge des jüdisch-christ­li­chen Ver­hät­nis­ses für die Juden eine wich­ti­ge Rol­le, die Schutz bedeutet.

Leon Bloy der Schlüssel zum Verhältnis von Papst Franziskus zum Judentum?

Die auf­fäl­li­ge Inten­si­tät im Ver­hält­nis von Papst Fran­zis­kus und dem Juden­tum harrt hin­ge­gen noch einer Erklä­rung. Die blo­ße per­sön­li­che Freund­schaft mit einem argen­ti­ni­schen Rab­bi scheint dafür nicht aus­zu­rei­chen. Ein Schlüs­sel könn­te der fran­zö­si­sche Schrift­stel­ler Leon Bloy sein, den Papst Fran­zis­kus in sei­ner ersten Pre­digt nach sei­ner Wahl in der Six­ti­ni­schen Kapel­le am 14. März zitier­te. Von Bloy stammt der ziem­lich dunk­le, geschichts­theo­lo­gi­sche Text Das Heil kommt von den Juden. Ein Text radi­ka­ler anti­se­mi­ti­scher Ankla­ge Ende des 19. Jahr­hun­derts, des­sen eigent­li­cher Kern jedoch eine außer­ge­wöhn­lich phi­lo­se­mi­ti­sche Bot­schaft ist.

Der For­ward wur­de 1897 mit dem Titel The Jewish Dai­ly For­ward als jidddisch­spra­chi­ge sozia­li­sti­sche Tages­zei­tung ame­ri­ka­ni­scher Juden gegrün­det. Der Name For­ward war der SPD-Zei­tung Vor­wärts ent­lie­hen. Ihren Höhe­punkt hat­te die Zei­tung in der ersten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts. Nach dem Ende des Zwei­ten Welt­krie­ges began­nen Leser­zah­len und Auf­la­ge zu schrump­fen. Seit 2013 erscheint die ein­sti­ge Tages­zei­tung nur mehr vier­zehn­tä­gig, ver­fügt aller­dings auch über eine Online-Aus­ga­be im Internet.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Una Fides

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