Verurteilte Papst Franziskus den katholischen Protest gegen synkretistische „Gedenkliturgie“ in Buenos Aires? Ein Rätsel


Betender Protest gegen synkretistische Gedenkliturgie in der Kathedrale von Buenos Aires(Rom/​Buenos Aires) Ziem­li­che Rät­sel gibt der­zeit eine angeb­li­che Ver­ur­tei­lung auf. Papst Fran­zis­kus habe gegen­über einem Ver­tre­ter des Jüdi­schen Welt­kon­gres­ses (WJC) die „Stö­rung eines Gedenk­got­tes­dien­stes in Bue­nos Aires zur Erin­ne­rung an die Novem­ber­pro­gro­me 1938 ver­ur­teilt“ berich­te­ten die katho­li­schen Pres­se­agen­tu­ren des deut­schen Sprach­raums unter Beru­fung auf den Jüdi­schen Welt­kon­greß. Jun­ge Katho­li­ken pro­te­stier­ten am 12. Novem­ber in Bue­nos Aires mit einer Erklä­rung gegen die Pro­fa­nie­rung der Kathe­dra­le durch eine syn­kre­ti­sti­sche jüdisch-inter­re­li­giö­se „Geden­k­lit­ur­gie“ (sie­he eige­nen Bericht Jun­ge Katho­li­ken pro­te­stie­ren gegen „Miß­brauch“ der Kathe­dra­le von Bue­nos Aires für jüdi­sche „Geden­k­lit­ur­gie“). Von Sei­ten des Vati­kans gibt es aller­dings kei­ne Bestä­ti­gung die­ser Erklä­run­gen, ja nicht ein­mal eine Bestä­ti­gung für die Audienz.

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Laut Jüdi­schem Welt­kon­greß habe Papst Fran­zis­kus am Diens­tag Clau­dio Epel­man vom Latein­ame­ri­ka­ni­schen Jüdi­schen Kon­greß (LAJC) emp­fan­gen. Epel­man habe am Mon­tag und Diens­tag an einer Tagung des Inter­na­tio­na­len Zen­trums für Inter­re­li­giö­sen und Inter­kul­tu­rel­len Dia­log König Abdul­lah Bin Abdu­la­ziz (KAICIID) in Wien teilgenommen.

Laut Jüdi­schem Welt­kon­greß habe der Papst zu Epel­man gesagt: „Aggres­si­on kann kein Akt des Glau­bens sein“. Eine Aus­sa­ge, die der WJC auf sei­ner Inter­net­sei­te in Zusam­men­hang mit dem „laut­star­ken Pro­test“, gemeint ist das Rosen­kranz­ge­bet, in Bue­nos Aires bringt. Zudem, so der WJC habe der Papst bekräf­tigt, daß Chri­sten „nicht Into­le­ranz pre­di­gen dür­fen“ und ein der­art „mili­tan­tes Auf­tre­ten über­wun­den wer­den müs­se“. Der Jüdi­sche Welt­kon­greß bekräf­tig­te in sei­ner Stel­lung­nah­me erneut, daß es sich um „Anhän­ger der Pius­bru­der­schaft“ gehan­delt habe, die die Gedenk­fei­er „stör­ten“.

Clau­dio Epel­man, mit Berg­o­glio seit sei­ner Zeit als Erz­bi­schof in Bue­nos Aires „befreun­det“, habe die deut­li­chen Wor­te gelobt, mit denen der Papst bereits in der Ver­gan­gen­heit den Anti­se­mi­tis­mus ver­ur­teil­te, so der WJC.

Soweit die Dar­stel­lung des Jüdi­schen Welt­kon­gres­ses auf sei­ner Inter­net­sei­te. Die Mel­dung wur­de im katho­li­schen Bereich nur von den katho­li­schen Medi­en im deut­schen Sprach­raum über­nom­men, so auch von der deut­schen Redak­ti­on von Radio Vati­kan. Ande­re Redak­tio­nen von Radio Vati­kan haben die Nach­richt nicht über­nom­men, eben­so­we­nig ita­lie­ni­sche oder spa­nisch­spra­chi­ge katho­li­sches Medi­en. Auch Pagi­na Cato­li­ca, die zum Pro­test gegen den jüdisch-inter­re­li­giö­sen „Got­tes­dienst“ auf­ge­ru­fen hat­te, weiß bis­her nichts von einer Aus­sa­ge des Pap­stes zum Vor­fall in der Kathedrale.

Erzbischof Poli mit anderen Konfessions- und Religionsvertretern bei jüdisch-interreligiöser GedenkliturgieAuf den offi­zi­el­len Sei­ten des Vati­kans fin­det sich kein Hin­weis auf eine Audi­enz. Epel­man wird weder in der Audi­enz­li­ste geführt, noch gibt es von Sei­ten des Hei­li­gen Stuhls eine Bestä­ti­gung der Audi­enz und noch weni­ger eine Ver­laut­ba­rung zu den Inhal­ten. Laut Vati­kan wur­de Epel­man von Papst Fran­zis­kus zusam­men mit ande­ren Reli­gi­ons­ver­tre­tern kurz nach dem Kon­kla­ve am 20. März emp­fan­gen und als Mit­glied der Dele­ga­ti­on des Jüdi­schen Welt­kon­gres­ses am 2. Sep­tem­ber (sie­he eige­nen Bericht).

Epel­man hat­te als LAJC-Gene­ral­se­kre­tär den Pro­test und das Gebet der jun­gen Katho­li­ken ver­gan­ge­ne Woche ver­ur­teilt. Er sprach dabei von einem Aus­druck von „Fun­da­men­ta­lis­mus und Into­le­ranz“. Er bezich­tig­te die jun­gen Katho­li­ken des „Fana­tis­mus“ und beschul­dig­te sie, das „Geden­ken an die Ermor­dung von sechs Mil­lio­nen Juden“ ver­hin­dert haben zu wol­len und daß sie „die Exi­stenz ande­rer leug­nen“ wür­den. Das genaue Gegen­teil stand jedoch in der Erklä­rung der jun­gen Katholiken.

Der Vor­fall ver­deut­lich­te, daß neben poli­ti­schen und reli­giö­sen Kom­ple­xen auch inner­halb der Katho­li­schen Kir­che eini­ge Ver­wir­rung zu herr­schen scheint. Eben­so, daß man zwi­schen den Reli­gio­nen trotz des offi­zi­ell gepfleg­ten Dia­logs in der Rea­li­tät wenig gegen­sei­ti­ges Ver­ständ­nis für­ein­an­der auf­bringt. Erstaun­li­cher­wei­se wur­de von jüdi­scher Sei­te, wo zumin­dest auch eine gewis­se Ver­wun­de­rung dar­über zu erwar­ten wäre, war­um ein jüdi­sches Geden­ken mit einem „Got­tes­dienst“ aus­ge­rech­net in einer katho­li­schen Kir­che statt­fin­den muß, sofort Anti­se­mi­tis­mus unter­stellt, wäh­rend es den jun­gen Katho­li­ken nicht um eine jüdi­sche, son­dern um eine katho­li­sche Fra­ge ging. Es ging nicht um die nicht-katho­li­schen „Gäste“, die in die Kathe­dra­le kamen, son­dern um den katho­li­schen Erz­bi­schof, der die Kathe­dra­le für eine nicht-katho­li­sche Ver­an­stal­tung zur Ver­fü­gung stell­te. Die jun­gen Katho­li­ken hat­ten den Erz­bi­schof zuvor schrift­lich und mit einem öffent­li­chen Appell erfolg­los gebe­ten, die Kir­che nicht für eine nicht-katho­li­sche „Lit­ur­gie“ zu öff­nen. Der Vor­fall legt man­geln­de Gesprächs­be­reit­schaft durch den Erz­bi­schof von Bue­nos Aires gegen­über sei­nen Gläu­bi­gen offen. Er legt eben­so man­geln­de Bereit­schaft der katho­li­schen wie nicht-katho­li­schen Teil­neh­mer des „Gedenk­got­tes­dien­stes“ offen, die schrift­lich ver­teil­te Erklä­rung der jun­gen Katho­li­ken zur Kennt­nis zu neh­men. Das „Geden­ken“ vom 12. Novem­ber wirft auch die Fra­ge auf, ob der offi­zi­ell auf obe­rer Ebe­ne gepfleg­te inter­re­li­giö­se Dia­log sich im Detail auf dem rich­ti­gen Weg befindet.

Erstaun­lich ist eben­so, mit wel­chem Reflex im deut­schen Sprach­raum katho­li­sche Medi­en die letzt­lich anti­ka­tho­li­sche Mel­dung des Jüdi­schen Welt­kon­gres­ses sofort über­nah­men. Ein Reflex, der viel­leicht einer Hin­ter­fra­gung bedürfte.

Viel­leicht erfährt man mor­gen aus dem Mund von Vati­kan­spre­cher Pater Feder­i­co Lom­bar­di mehr über die angeb­li­chen Aus­sa­gen von Papst Fran­zis­kus zu Clau­dio Epel­man, sofern über­haupt eine Audi­enz statt­ge­fun­den hat.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Info Catolica

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