Stichwörter der Geschichte – Starb Napoleon Bonaparte als gläubiger Katholik?


Napoleon Bonaparte ließ zwei Päpste in Geiselhaft verschleppen und unterwarf die Kirche mit Härte. Starb er dennoch am Ende seines Lebens als gläubiger Katholik?(Paris) War Napo­le­on Bona­par­te Athe­ist oder gott­gläu­big? War er “Papist“ oder Jako­bi­ner? Frei­mau­rer oder Katho­lik? Die Ant­wort scheint auf den ersten Blick nicht schwer zu fal­len. Als „grau­sam, anti­kle­ri­kal, aber­gläu­bisch“ cha­rak­te­ri­sier­te Lewis Golds­mith den Kor­sen. Doch Gia­co­mo Kar­di­nal Bif­fi stell­te nun ein Buch mit Memoi­ren vor, die am Ende sei­nes Lebens einen ganz ande­ren Mann zeigen.

Anzei­ge

“Nie hat man in einem Mann eine sol­che Kom­bi­na­ti­on aus Grau­sam­keit, Tyran­nei, Unver­schämt­heit, Laster­haf­tig­keit, Luxus und Geiz gese­hen, wie in Napo­le­on“. Bona­par­te hat­te die Krät­ze, er wein­te wie ein Mäd­chen, litt an häu­fi­gen Ohn­machts­an­fäl­len, warf die Gelieb­ten mit Fuß­trit­ten aus sei­nem Bett, exi­lier­te die Freun­de sei­ner Kind­heit und jubel­te, weil er einen Brief vom Zaren erhielt. Er war wit­zig, ohne Reli­gi­on, aber „extrem aber­gläu­bisch“, eben­so „frech und belei­di­gend in pri­va­ten Unter­hal­tun­gen“. Mit die­sen Wor­ten lei­te­te Lewis Golds­mith in The Secret Histo­ry of the Cabi­net of Bona­par­te 1811 eine bri­ti­sche Kam­pa­gne gegen den Kai­ser der Fran­zo­sen und damals mäch­tig­sten Mann auf dem euro­päi­schen Kon­ti­nent ein, um die öffent­li­che Mei­nung gegen den fran­zö­si­schen Macht­ha­ber aufzubringen.

„Sentiment de Napoléon sur le christianisme“

Golds­mith war ein Pro­pa­gan­dist, sei­ne Absicht durch­sich­tig, und doch stimm­te grund­sätz­lich alles, was er über den unbe­sieg­ten Gene­ral schrieb. Es war aber nicht alles. Nach dem Tod des Kor­sen auf einer Insel weit ent­fernt von sei­ner Hei­mat erschie­nen eine Rei­he von bio­gra­phi­schen Noti­zen sei­ner eng­sten Gefähr­ten, die ihn bis zum Tod beglei­tet hat­ten. Es war nicht mehr die Zeit des mäch­tig­sten Man­nes der Welt. Es war die Zeit eines Exi­lan­ten auf einem fer­nen Eiland, umge­ben nur mehr von weni­gen Men­schen, die dem Macht­lo­sen nicht schmei­cheln muß­ten. Eine der inter­es­san­te­sten die­ser Schrif­ten erschien 1840 in Paris auch in gedruck­ter Fas­sung unter dem Titel Sen­ti­ment de Napo­lé­on sur le chri­stia­nis­me, Con­ver­sa­ti­ons reli­gieu­ses. Dar­in fin­den sich Zeug­nis­se über die letz­te Zeit vor dem Tod und über sei­nen Tod.

„Aus die­sen Sei­ten tritt uns ein from­mer Mann ent­ge­gen“, der Katho­lik war, so Kar­di­nal Bif­fi. Für den ster­ben­den Napo­le­on „waren der Glau­ben und die Reli­gi­on nicht eine Theo­rie oder eine Ideo­lo­gie, son­dern der über­zeug­te Glau­ben an eine leben­de Per­son, an Jesus Chri­stus“, so der frü­he­re Erz­bi­schof von Bolo­gna (1984–2003), den Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger im Kon­kla­ve 2005 wähl­te und wohl ger­ne als Papst gese­hen hätte.

Auf der Insel Sankt Hele­na vor der Küste Ango­las muß­te Bona­par­te die letz­ten sechs Jah­re sei­nes Lebens in der Ver­ban­nung ver­brin­gen. Die Zeug­nis­se aus jener Zeit stam­men von drei Män­nern, von den bei­den Ärz­ten, die mit Napo­le­on auf St. Hele­na leb­ten und von sei­nem Testa­ments­voll­strecker Charles Tri­stan de Montholon.

Jesus, „das unergründliche Geheimnis von überwältigender Größe“

Mit dem näher­rücken­den Tod woll­te der Kor­se immer ein Neu­es Testa­ment auf sei­nem Nacht­käst­chen haben. Über Gott und das Chri­sten­tum sprach er ganz ruhig und nach­denk­lich. Zuvor hat­te er das nie getan. „Ich spü­re die­sen Gott, ich sehe ihn, ich brauch ihn, ich glau­be an ihn“, sagt er zu de Motho­lon. Jesus fas­zi­niert den Gene­ral, der Euro­pa in Schrecken ver­setz­te und Leid über vie­le Län­der gebracht hat­te. Geburt, Leben und Leh­re Jesus bezeich­net er als „uner­gründ­li­ches Geheim­nis“. „Die­ses Geheim­nis ist stän­dig vor mei­nen Augen, ich kann es weder leug­nen und noch weni­ger erklä­ren. Je mehr ich mich annä­he­re und es aus der Nähe prü­fe, desto mehr ent­schwin­det mir das Geheim­nis und bleibt eine über­wäl­ti­gen­de Grö­ße; und je mehr ich dar­über nach­den­ke, um so weni­ger faß­bar wird das Geheimnis.“

Bis dahin kann­te man den Erben der jako­bi­ni­schen Revo­lu­ti­on und ihrer anti­christ­li­chen neu­en Ideo­lo­gie, den nüch­ter­nen Ratio­na­li­sten, der Reli­gi­on nur als eine der zahl­rei­chen Figu­ren auf sei­nem Schach­brett zur Kennt­nis nahm, weil sie eine Rea­li­tät in der Gesell­schaft dar­stell­te. Einen Tran­szen­denz­glau­ben konn­ten sei­ne Zeit­ge­nos­sen nicht aus­ma­chen. Die Kir­che war eine Grö­ße, mit der Napo­le­on nach sei­nen Bedin­gun­gen einen Aus­gleich such­te, um einen Feind weni­ger im Rücken zu haben und Frank­reich mög­lichst ohne zu star­ke inne­re Wider­stän­de mobi­li­sie­ren zu kön­nen. Sein Ver­hält­nis zur Kir­che beweg­te sich im engen Rah­men der Staats­rä­son und die Staats­rä­son waren er und Frank­reich in Deckungs­gleich­heit. Er, der mit Pius VI. und Pius VII. gleich zwei Päp­ste in Gei­sel­haft hielt, um die Kir­che zu unter­wer­fen, zunächst als aus­füh­ren­der gen­arl für die Revo­lu­ti­ons­re­pu­blik, dann direkt als ober­ster Souverän.

Zwei Päpste in Geiselhaft

Pius VI. von den Kir­chen­fein­den spöt­tisch „Pius der Letz­te“ genannt, starb sogar in fran­zö­si­scher Gei­sel­haft. Da Rom von Frank­reich besetzt war, fand das Kon­kla­ve zur Wahl eines neu­en Pap­stes 1800 unter öster­rei­chi­schem Schutz in Vene­dig statt. Mit Pius VII. einig­te sich Napo­le­on auf ein Kon­kor­dat. An Demü­ti­gun­gen des Pap­stes und er Kir­che durch den Kor­sen soll­te es den­noch nicht feh­len. Dazu gehör­te auch, daß Napo­le­on den Papst zwang, ihn 1804 zum Kai­ser zu krö­nen. Der Papst wider­setz­te sich und wur­de 1806 eben­falls in Gei­sel­haft genom­men und nach Frank­reich ver­schleppt. Das Ver­hält­nis Papst-Kai­ser blieb ambi­va­lent. Napo­le­on woll­te kei­nen akti­ven Kampf gegen die Kir­che, solan­ge sie sich sei­ner Poli­tik nicht ent­ge­gen­stell­te. Für Reli­gi­on und Kir­che sah er durch­aus einen nütz­li­chen Platz in sei­ner Vor­stel­lung von Staat. Ent­spre­chend gewähr­te er dem Papst groß­zü­gig ein präch­ti­ges Schloß als Nobel­ge­fäng­nis und rühm­te sich, ihm 15 präch­ti­ge Kut­schen für Aus­fahr­ten zur Ver­fü­gung gestellt zu haben. Der Papst aller­dings fuhr nie aus. Er war Gefan­ge­ner und ent­spre­chend ver­hielt er sich.

Der Kaiser, der Papst und die Beichte

In sei­nen letz­ten Jah­ren beschrieb der Kor­se Pius VII. als „gut­mü­ti­gen, sanft­mü­ti­gen und guten“ Mann, der ihn als „lie­ber Sohn“ anre­de­te. Napo­le­on gestand auch, daß der Papst nie die Hoff­nung auf­ge­ge­ben habe, ihm die Beich­te abneh­men zu kön­nen. Die Auf­for­de­rung zur Beich­te „hat er mir auch mehr­fach mit sanf­ter Unschuld wie­der­holt, wäh­rend wir mit­ein­an­der spra­chen“. Der Papst habe ihm auch gesagt: „Frü­her oder spä­ter wer­det ihr es tun, mit mir oder mit einem ande­ren Prie­ster, und ihr wer­det sehen, was für eine Freu­de und Glück­se­lig­keit Ihr haben wer­det“. Doch Napo­le­on habe sich der Auf­for­de­rung, nach eige­ner Schil­de­rung, mit den Wor­ten ent­zo­gen: „Hei­lig­keit, jetzt bin ich zu beschäftigt“.

Napo­le­on hat­te in sei­ner Fami­lie auf Kor­si­ka eine reli­giö­se Erzie­hung erlebt. Durch sei­nen Angriff auf das Papst­tum unter Pius VII. wur­de er exkom­mu­ni­ziert. Der Papst ging dafür in die Gefan­gen­schaft. Das Glück des Kor­sen begann sich zu wen­den. Als er 1814 in die erste Ver­ban­nung auf die Mit­tel­meer­in­sel Elba gebracht wur­de, fürch­te­te er um sein Leben, so auf­ge­bracht waren die Men­schen. Beim Te Deum bei der Ankunft auf der Insel sah man ihn wei­nen. Selbst die aus­län­di­schen Spio­ne wuß­ten nicht recht das „ham­le­ti­sche“ Ver­hal­ten Napo­le­ons auf Elba zu deu­ten. Er fand neue Ent­schluß­kraft und ver­such­te noch ein­mal die Rück­kehr an die Macht. Sie soll­te nur 100 Tage dau­ern und in die zwei­te, die end­gül­ti­ge Ver­ban­nung führte.

„Gottes Wille geschehe“

Auf Sankt Hele­na ist ihm bewußt, daß es kei­ne Rück­kehr nach Frank­reich gebe wer­de. Eine lan­ge Krank­heit setzt ein. Ein erstaun­ter Gene­ral Hen­ri-Gati­en Bert­rand, einer sei­ner eng­sten Ver­trau­ten, bekommt von Napo­le­on zu hören: „Wenn Sie nicht ver­ste­hen, daß Jesus Chri­stus Gott ist, dann habe ich einen Feh­ler gemacht, sie zum Gene­ral zu ernen­nen.“ Da sein klei­ner Hof­staat anfangs recht erstaunt über die zuneh­men­de Fröm­mig­keit des Kor­sen ist, erklärt die­ser, daß das den Wer­ken sei­ner Mut­ter und des Bischofs von Nan­tes zuzu­schrei­ben sei. Bei­de hät­ten ihm „dabei gehol­fen, die Katho­li­zi­tät ganz anzu­neh­men“. Er bit­tet sei­nen Onkel den Bischof um einen Priester.

„Ich hät­te mir gewünscht, mei­ne Frau und mei­nen Sohn wie­der­zu­se­hen, doch es gesche­he Got­tes Wil­len“. Mit die­sen Wor­ten nähert sich Napo­le­on dem Tod. Er bit­tet Abbé Ange Paul Vigna­li, der ihn als Prie­ster beglei­tet, ihm die Beich­te abzu­neh­men. Er gibt letz­te Anwei­sun­gen für sei­ne Auf­bah­rung und emp­fängt die Ster­be­sa­kra­men­te. Napo­le­on stirbt am 15. Mai 1821, laut eige­nem Testa­ment ver­söhnt mit Gott und der römi­schen, katho­li­schen und apo­sto­li­schen Kirche.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Napo­le­on, Ölge­mäl­de von Jac­ques-Lou­is David

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!