(Washington/Rom) Das Parlament des US-Bundestaates Illinois beschloß am 5. November die Einführung der „Homo-Ehe“. Nach einem jahrlangen öffentlichen Kampf endete die Entscheidung zugunsten der Homo-Lobby und gegen Ehe und Familie. War am Ende Papst Franziskus für die Parlamentsentscheidung ausschlaggebend?
Seit der improvisierten Pressekonferenz auf dem Rückflug von Rio de Janeiro wird kontrovers über Bedeutung und Auswirkungen bestimmter spontaner Aussagen von Papst Franziskus diskutiert. Im Flugzeug ging es vor allem um eine Aussage zur Homosexualität. Im Zusammenhang mit seinem „Dialog“ mit dem Atheisten Eugenio Scalfari und einem ausführlichen Interview mit der Jesuitenzeitschrift Civiltà Cattolica kamen weitere umstrittene Aussagen hinzu.
Ordentliches Lehramt von Papst Franziskus oder private Aussagen von Jorge Mario Bergoglio?
Fest steht, daß sie nicht Teil des ordentlichen Lehramtes sind, sondern private Aussagen. Ist damit alles geklärt? Oder beginnt damit erst das Problem. Hat ein Papst eine Privatsphäre? Der engere Kreis der höheren Kirchenvertreter mag das noch genau unterscheiden können. Die meisten Gläubigen können das sicher nicht und schon gar nicht Nicht-Katholiken und Nicht-Christen. Zudem steht die Frage im Raum, ob selbst jene, die um die formale Unterscheidung wissen, sich der Suggestion entziehen können. Die Worten sind ausgesprochen und entfalten ihre Wirkung.
Eine ganz konkrete Wirkung zeigte sich jüngst in den USA. Als das Repräsentantenhaus des Parlamentes am 5. November mit 61 gegen 54 Stimmen die Legalisierung der „Homo-Ehe“ beschloß , berief sich der Präsident des Repräsentantenhauses, Speaker Michael Madigan auf Papst Franziskus. Madigan ist ein Vertreter der Demokratischen Partei.
Dabei sah die Sache Anfang des Jahres nach einer großen Mobilisierung gegen den Gesetzentwurf durch Francis Kardinal George, den Erzbischof von Chicago für die Gegner der „Homo-Ehe“ noch sehr gut aus, nachdem sich sieben demokratische Abgeordnete wegen der Frage sogar der Republikanischen Partei angeschlossen hatten (siehe eigenen Bericht Niederlage für Homo-„Ehe“ in Obamas Heimatstaat Illinois – Erfolg für Ehe und Familie).
Gab Papst-Aussage zu Homosexualität Ausschlag für Legalisierung der „Homo-Ehe“?
Doch dann änderte sich die Situation schlagartig. Nach mehreren Fehlschlägen gelang der Homo-Lobby nach einem jahrelangen harten Kulturkampf und einiger institutioneller Tricks doch der Erfolg. Im Juni machte der Oberste Gerichtshof der USA den Weg frei für die Legalisierung der „Homo-Ehe“. Wie der Christian Science Monitor berichtete, könnten bei der Entscheidung jedoch „die jüngsten Kommentare von Papst Franziskus zur Homosexualität eine kleine, aber entscheidende Rolle“ gespielt haben.
Zumindest eine katholische Abgeordnete begründete öffentlich ihre Zustimmung zur „Homo-Ehe“ unter Verweis auf Papst Franziskus. Auch der Präsident des Repräsentantenhauses, Michael Madigan, ebenfalls Katholik zitierte den Papst, als er die Gründe nannte, weshalb er die Gesetzesvorlage unterstützen werde. Es deutet einiges daraufhin, daß unter katholischen Abgeordneten der Demokratischen Partei eine großes Aufsehen erregende Aussage des Papstes zur Homosexualität stimmentscheidend war und damit das Pendel zugunsten der „Homo-Ehe“ im Parlament ausschug.
Papst Franziskus hatte im Juli den Journalisten gesagt: „Wenn eine Person homosexuell ist und den Herrn mit gutem Willen sucht, wer bin ich, um ihn zu richten?“
Zu dieser Zeit hatte der Senat von Illinois der „Homo-Ehe“ bereits zugestimmt. Das Gesetz blieb jedoch wegen des harten Widerstandes im Repräsentantenhaus hängen. Zwei Abstimmungsversuche im Frühjahr waren gescheitert. Die Katholische Kirche gehörte zu den entschiedenen Gegnern des Gesetzes. Katholiken forderten in Mail-Kampagnen ihre katholischen Abgeordneten auf, gegen das Gesetz zu stimmen.
Papst-Aussage ließ katholischen Widerstand erlahmen
Laut der Chicago Tribune sei der katholische Widerstand, als die Aussage von Papst Franziskus bekannt wurde, erlahmt. Eine Verunsicherung sei eingetreten. Nicht gravierend, aber ausreichend, um den Block der kompromißlosen Ablehnung zu schwächen. Einige katholische Abgeordnete der regierenden Demokratischen Partei, die sich für die Legalisierung ausgesprochen hatte, überdachten nun ihre Ablehnung. Sie sahen plötzlich die Möglichkeit, ihre politische Überzeugung mit ihrer religiösen in Einklang zu bringen und dies obwohl Erzbischof Francis Kardinal George von Chicago in klarer Opposition zum Gesetz blieb.
Abgeordnete begründet Zustimmung zu „Homo-Ehe“: „Als Anhängerin von Papst Franziskus…“
Die demokratische Abgeordnete Linda Chapa Lavia, die noch bis zum Sommer unentschlossen war und die Gesetzesvorlage nicht unterstützte, stimmt am 5. November für das Gesetz. Laut Tribune begründete sie ihre Zustimmung mit den Worten: „Als katholische Anhängerin von Jesus und dem Papst, Papst Franziskus, bin ich mir bewußt, daß unsere katholische Lehre in ihrem Kern Liebe, Mitgefühl und Gerechtigkeit für alle Menschen hat.“
Parlamentspräsident zitiert zur Rechtfertigung seiner Zustimmung den Papst
Parlamentspräsident Madigan sagte wörtlich in Anspielung auf die Papstaussage: „Für jene, die nun einmal homosexuell sind , aber in einer harmonischen und fruchtbaren aber illegalen Beziehung leben – wer bin ich, um zu urteilen, daß sie illegal bleiben sollen?“
Madigan teilte nach der Abstimmung mit, daß es in den Wochen zuvor wegen der Aussagen von Papst Franziskus gelungen ist, die 5–10 Stimmen zur Mehrheit zu gewinnen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/Montage