C8-Kardinalsrat 2: Kardinal O’Malley: Kirche ist keine Demokratie, sondern Gottes Wille


Sean Kardinal O'Malley: Kirche ist keine Demokratie, sondern der Wille Gottes(Washing­ton) Erz­bi­schof Sean Kar­di­nal O’Malley von Bos­ton, gab dem „Natio­nal Catho­lic Regi­ster“ ein Inter­view, das in wei­ten Tei­len in deut­scher Über­set­zung wie­der­ge­ge­ben wird. Kar­di­nal O’Malley gehört dem C8-Kar­di­nals­rat an, den Papst Fran­zis­kus am 13. April errich­tet hat, um ihn in der Lei­tung der Kir­che und der Reform der Römi­schen Kurie zu bera­ten. Kar­di­nal O’Malley ist der Ver­tre­ter für Nord­ame­ri­ka. Kar­di­nal O’Mal­ley gehört dem Kapu­zi­ner­or­den an. In dem Inter­view erklärt der Kar­di­nal die Auf­ga­ben des neu­en Kar­di­nals­rats, spricht über die Her­aus­for­de­run­gen der Kir­che in den USA und welt­weit, vor allem in der Ver­tei­di­gung von Ehe, Fami­lie und Lebensrecht.

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Sie sind der ein­zi­ge Nord­ame­ri­ka­ner, der den Papst bei der Reform der Kir­chen­lei­tung berät. Was kön­nen Sie uns zu die­ser Auf­ga­be als Bera­ter sagen?

Wie ange­kün­digt, gibt es einen Wunsch, die Kurie zu refor­mie­ren, damit sie stär­ker im Dienst des Hei­li­gen Vaters und der Orts­kir­chen steht. Der Zweck ist es, sie effi­zi­en­ter zu machen und es daher dem Hei­li­gen Vater zu erlau­ben, ener­gi­scher zu regie­ren. Es ist wich­tig, die Funk­tio­nen der Dik­aste­ri­en und der Päpst­li­chen Räte zu prü­fen, um zu ver­ste­hen, wie sie bes­ser arbei­ten kön­nen. Der Hei­li­ge Vater sorgt sich auch, er hat den Wunsch nach seel­sorg­li­cher Betreu­ung der Men­schen, die an der Kurie arbei­ten. Vie­le haben ihr Leben gege­ben, um der Kir­che zu die­nen. Es darf aber kei­nen kar­rie­ri­sti­schen Zugang geben, son­dern einen mis­sio­na­ri­schen. Der Hei­li­ge Vater will sicher sein, daß das der Geist ist (…). Zudem ist die Kir­che sehr gewach­sen und inter­na­tio­na­ler gewor­den. Es besteht daher der Wunsch, die Kurie teil­wei­se zu inter­na­tio­na­li­sie­ren (…). Der Rat dient nicht nur zur Reform der Kurie, son­dern auch, um den Hei­li­gen Vater bei der Lei­tung der Kir­che zu beraten.

Jüngst sprach man davon, die Bera­tun­gen in der Kir­che zu erwei­tern. Ist die­ser Rat ein Lei­tungs­mo­dell für die Kir­che auch auf ande­ren Ebenen?

Die Kir­che ist kei­ne Demo­kra­tie. Sie kann nur vor­wärts­ge­hen, wenn man ver­sucht, den Wil­len Got­te zu erken­nen, und das machen wir nicht nur als Indi­vi­du­en, son­dern in einer Atmo­sphä­re des Dia­logs und des Gebets. In letz­ter Instanz ist es der Hei­li­ge Vater, der dann die Ent­schei­dun­gen trifft und dem wir gehor­chen werden.

Papst Fran­zis­kus hat uns auf­ge­for­dert, eine „Kir­che der Armen“ zu sein. Bedeu­tet das, ein ein­fa­che­res Leben zu führen?

Die Kir­che hat die Men­schen immer dazu ermu­tigt, einen ein­fa­chen Lebens­stil zu pfle­gen (…) Der ent­schei­den­de Punkt ist, daß wir uns stär­ker der Bedürf­nis­se der Men­schen bewußt wer­den und auf Reich­tum und unnö­ti­gen Kom­fort ver­zich­ten sol­len. Die Mal­te­ser­rit­ter spre­chen tra­di­tio­nell von unse­ren armen und kran­ken Her­ren. Mut­ter Tere­sa sag­te, daß die Armen Chri­stus „unter schmerz­haf­ter Erschei­nung“ sind. Wir müs­sen ler­nen, den Wert der Per­so­nen erken­nen, die der Kul­tur unsicht­bar erschei­nen könn­ten, ein­schließ­lich der unge­bo­re­nen Kin­der, die Alz­hei­mer­pa­ti­en­ten, die Dro­gen­ab­hän­gi­gen. Eini­ge die­ser Men­schen leben in schwie­rig­sten Situa­tio­nen. Sie sind kei­ne schö­nen und pro­duk­ti­ven Men­schen, kei­ne Berühmt­hei­ten. Wir müs­sen ler­nen, ihren Wert mit den Augen Got­tes zu erken­nen. Sokra­tes sag­te: „Die Men­schen glau­ben mir, weil ich arm bin.“ Das Zeug­nis eines ein­fa­chen Lebens ist in der Kir­che wich­tig. Das bedeu­tet nicht, daß die Men­schen nicht gemäß den Not­wen­dig­kei­ten ihrer Lebens­be­din­gun­gen leben sol­len, nicht alle müs­sen ein Armuts­ge­lüb­de able­gen. Wenn wir das Leben der ersten Chri­sten lesen und sehen, wie sie alles unter­ein­an­der teil­ten, erken­nen wir ein Ver­ant­wor­tungs­be­wußt­sein für die Armen, die Wai­sen und die Frem­den. Wir müs­sen in die­ser Hin­sicht mehr tun.

In sei­nem Inter­view für das Maga­zin Ame­ri­ca sprach Papst Fran­zis­kus von sei­ner tie­fen Erfah­rung einer geist­li­chen Vater­schaft, aber er sag­te auch, daß alle Kir­chen­füh­rer und die Hir­ten als geist­li­che Väter auf die ande­ren zuge­hen müssen.

Für alle Prie­ster ist es wich­tig, uns selbst als geist­li­che Väter unse­res Vol­kes zu sehen. Der Hei­li­ge Vater hat in sei­ner Pre­digt am Grün­don­ners­tag gesagt: „Der Hir­te muß den Geruch der Scha­fe haben.“ So wie der Fami­li­en­va­ter vie­le Opfer für sei­ne Kin­der bringt, muß ein Prie­ster vie­le Opfer für sein Volk brin­gen. Wenn der Vater die­se Opfer bringt, tut es ihm nicht leid für sich selbst, er sieht dar­in viel­mehr sei­ne Mis­si­on. Das ist die Art und Wei­se, in der der gute Prie­ster han­deln muß. Ich fürch­te jedoch, daß die Kri­se im Kle­rus im Zusam­men­hang mit dem Miß­brauch eini­ge Prie­ster dazu ver­an­laßt hat, sich von den Men­schen auf Distanz zu hal­ten, damit man sie kei­nen Ver­däch­ti­gun­gen aus­set­zen kann.

Sie wur­den 2012 zum Vor­sit­zen­den des Komi­tees für das Leben der ame­ri­ka­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz gewählt. Was sind Ihre Ziele?

Im ver­gan­ge­nen Jahr habe ich ver­sucht, die Wich­tig­keit in Erin­ne­rung zu rufen, die Men­ta­li­tät im Land im Zusam­men­hang mit der Adop­ti­on zu ändern (…). 1998 las ich einen Arti­kel von Paul Swo­pe in First Thing: „Abtrei­bung: eine Nie­der­la­ge in der Kom­mu­ni­ka­ti­on“. Swo­pe wähl­te die Stu­di­en, die den Nach­weis erbrach­ten, in wel­che Schwie­rig­kei­ten sich Frau­en befin­den, die sich für Abtrei­bung ent­schie­den. Sie haben drei Optio­nen zur Ver­fü­gung: das Kind behal­ten, abtrei­ben las­sen oder das Kind zur Adop­ti­on frei­ge­ben. Das Kind behal­ten wird häu­fig als per­sön­li­cher Tod inter­pre­tiert. Das Kind zur Adop­ti­on frei­zu­ge­ben, wird als schreck­li­che Opti­on wahr­ge­nom­men – ich bin eine schlech­te Mut­ter, die ihr Kind einer Situa­ti­on der Ver­las­sen­heit aus­setzt (…) Wir müs­sen die­se Sicht der Adop­ti­on irgend­wie auf­bre­chen und den Frau­en hel­fen, zu erken­nen, daß es vie­le wun­der­ba­re Paa­re ohne Kin­der gibt, die bereit sind, lie­be­vol­le Eltern zu sein. Wir müs­sen mehr tun, um die Adop­tiv­el­tern zu unter­stüt­zen (…). För­dern wir auch die Hil­fe für die Zeit nach der Abtrei­bung … es gibt so vie­le Frau­en, die abge­trie­ben haben. Sie sind sich bewußt, ein Ver­bre­chen began­gen zu haben, über das man nicht spre­chen kann, das unver­zeih­lich ist, und so leben sie mit die­ser Schuld. Wir müs­sen ihnen hel­fen, einen Weg der Ver­söh­nung zu gehen, die Barm­her­zig­keit Got­tes ken­nen­zu­ler­nen. Das ist eine der schön­sten Din­ge von Papst Fran­zis­kus. Er zeigt, wie die Kir­che ein „Feld­la­za­rett“ zu sein hat, in dem sie raus­geht, um jene zu errei­chen, die von der Sün­de zer­stört wurden.

Ein Kon­greß-Abge­ord­ne­ter, Chris Smith, hat vor kur­zem den Abor­ti­on Full Dis­clo­sure Act ein­ge­bracht, einen Gesetz­ent­wurf, der vor­sieht, daß die staat­li­chen Gesund­heits­ver­si­che­rungs­an­bie­ter der Oba­mac­a­re die Abtrei­bungs­fi­nan­zie­rung offen­le­gen müs­sen. Ist die­ser Gesetz­ent­wurf wichtig?

Am 1. Novem­ber habe ich einen Unter­stüt­zungs­brief für die­sen Gesetz­ent­wurf geschrie­ben. Der Gesetz­ent­wurf kann als ein Bemü­hen gese­hen wer­den, die Steu­er­zah­ler zu schüt­zen. Die Men­schen haben das Recht zu wis­sen, ob ein Anbie­ter auch die Abtrei­bung finan­ziert, bevor sie für einen staat­li­chen Ver­si­che­rungs­plan bezahlen.

Mas­sa­chu­setts war der erste Staat, der die Homo-Ehe lega­li­sier­te. Was haben die Kir­che, die Hir­ten, die Fami­li­en für Erfah­run­gen gemacht?

In Bos­ton haben wir eine Kom­mis­si­on ein­ge­rich­tet. Sie soll die Aus­wir­kun­gen der Homo-Ehe und das The­ma Homo­se­xua­li­tät stu­die­ren. Wir beob­ach­ten das, was an den öffent­li­chen Schu­len unter­rich­tet wird. Wir wis­sen, daß es um eine Anthro­po­lo­gie geht, die ganz anders als jene der Kir­che ist. Es gibt zudem eine so aggres­si­ve Hal­tung gegen alle, die die tra­di­tio­nel­le Ehe ver­tei­di­gen, daß vie­le Men­schen ein­ge­schüch­tert sind. Und es gibt nun eine Bewe­gung, die es ver­hin­dern will, daß reli­giö­se Men­schen Kin­der adop­tie­ren dür­fen. Die Her­aus­for­de­rung, vor der wir heu­te ste­hen, besteht dar­in, den Men­schen ver­ständ­lich zu machen, daß die Ehe die Fami­lie impli­ziert. Erz­bi­schof Sal­va­to­re Cor­di­leo­ne von San Fran­cis­co erklär­te in einem Vor­trag in die­ser Woche: „Jedes Kind stammt von einem Mann und einer Frau. Die Ehe erkennt die­se Rea­li­tät an und ver­bin­det die Kin­der mit ihren Eltern.“ Alle Stu­di­en bewei­sen, daß es die beste Vor­aus­set­zung für Kind ist, mit sei­nen bio­lo­gi­schen Eltern in einer von Lie­be getra­ge­nen Ehe auf­zu­wach­sen. Gleich­zei­tig müs­sen wir ver­ständ­lich machen – und das ist schwie­rig – daß homo­se­xu­el­le Men­schen der Kir­che nicht  uner­wünscht sind. Die gro­ße Bedro­hung der Ehe ist das Zusammenleben (…).

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Bos­ton Catho­lic Herold

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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4 Kommentare

  1. Nichts als bla, bla, bla… wir müs­sen dies, wir müs­sen das… Wie wär es denn damit: Das Evan­ge­li­um laut­hals ver­kün­den und damit für das See­len­heil der Men­schen sor­gen. Ohne wenn und aber, ohne Weich­spü­le­r­ei. Aber dazu müß­ten ja die gan­zen katho­li­schen Funk­tio­nä­re und Kar­rie­ri­sten ihre Wohl­stands­hin­tern erst­mal hoch­krie­gen und das ist schon zuviel ver­langt, blei­ben wir des­halb lie­ber beim schläf­ri­gen Jetzt­zu­stand, sonst fühlt sich noch jemand gestört, oder gar belei­digt und hat uns nicht mehr lieb, denn mer­ke, popu­lär zu sein und nir­gend­wo anzu­ecken scheint die neue katho­li­sche Maxi­me zu sein.

  2. @ Sumsum

    Wie wärs mit dem Den­ken mit der Kir­che – sen­ti­re cum eccle­sia – , um mit sich und der Kir­che wie­der ins Rei­ne zu kom­men? Sie sind nicht der Fels, das dürf­te wohl unbe­strit­ten sein.

    Ich bin – dank der Gna­de Got­tes – seit mei­ner frü­hen Jugend ideo­lo­gie­re­si­stent. Auch nach dem Kon­zil haben mich die­je­ni­gen, die sich auf den Geist des Kon­zils berie­fen, nicht ver­wir­ren können.

    Glau­ben Sie mir bit­te, es ist nicht unse­re Auf­ga­be, über die Kir­che zu rich­ten. Wir selbst haben genug Dreck am Stecken. Der ist unse­re eigent­li­che Aufgabe.

  3. Die Bezeich­nung „tra­di­tio­nel­le Ehe“ ist inso­fern unge­eig­net, als dass sie sug­ge­riert, dass es neben dem hl. Sakra­ment der Ehe noch „ande­re Vari­an­ten von Ehe“ geben kön­ne. Außer­halb des hl. Sakra­men­tes der Ehe zwi­schen einem Mann und einer Frau exi­stie­ren aber ledig­lich men­schen­ge­mach­te Schein„Ehen“.
    Die von unse­rem HERRN und GOTT JESUS CHRISTUS ein­ge­setz­te hei­li­ge Mut­ter Kir­che ist
    SEIN mysti­scher LEIB. In der Hei­li­gen Mut­ter Kir­che lebt ER denn auch fort !
    Sie ist das Eben­bild der Weis­heit der aller­hei­lig­sten Drei­fa­litgkeit, GOTTES.
    Sie lebt in Sei­nem Herzen.
    Und die­se Hei­li­ge Mut­ter Kir­che war und wird auch immer gemäss dem Wil­len GOTTES sein;in ihrer Struk­tur männ­lich ( der Hei­li­ge Vater als Stell­ver­tre­ter CHRISTI auf Erden ) und in ihrem Wesen mon­ar­chisch ( unser HERR und GOTT JESUS CHRISTUS als ihr Haupt; der König der Könige !)

    Sämt­li­che „Expe­ri­men­te“ der Vor­gau­ke­lung irgend­wel­cher ande­rer „Vari­an­ten“
    wer­den denn auch im Stau­be der Zeit vergehen !

  4. „Der Zweck ist es, sie effi­zi­en­ter zu machen und es daher dem Hei­li­gen Vater zu erlau­ben, ener­gi­scher zu regieren. “

    Da kann es einen auch frö­steln. Effi­zi­enz an der Kurie, eine Sturm­trup­pe für den Hei­li­gen Vater. Ein Schau­er läuft mir übern Rücken. Das heißt, wenn der, den wir als Hei­li­gen vater aner­ken­nen müs­sen, so wei­ter macht wie bis­her, gibt es kaum noch ein Aus­wei­chen oder kaum noch ein Refu­gi­um? Geht es dar­um, alles auf Linie zu bringen?

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