(Freiburg im Breisgau) Das Erzbistum Freiburg hat derzeit keinen Bischof und dennoch versucht sich die Diözese als Avantgarde des Ungehorsams. Oder vielleicht gerade deswegen. Erzbischof Robert Zollitsch wurde nach Vollendung seines 75. Lebensjahres von Papst Franziskus emeritiert. Bis zur Ernennung eines neuen Erzbischofs betraute der Papst den emeritierten Erzbischof mit der Aufgabe eines Apostolischen Administrators. In dieser Übergangszeit soll die „ordentliche“ Verwaltung sichergestellt werden, Entscheidungen aber dem künftigen Erzbischof vorbehalten bleiben. In der Erzdiözese sieht man das anders. Dort will man das Interregnum für einen Handstreich nützen und in der Frage des Kommunionempfangs für wiederverheiratete Geschiedene im Alleingang vollendete Tatsachen schaffen.
Neue „Handreichung“ als Orientierung weg von der kirchlichen Ehe- und Sakramentenlehre
Eine entsprechende „Handreichung“ im Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen wurde am Montag vorgestellt. Sie ist zwar nicht vom emeritierten Erzbischof unterzeichnet, sondern von Domdekan Andreas Möhrle und Diözesanfamilienpfarrer Michael Schweiger. Ohne die Zustimmung von Administrator Zollitsch wäre die Angelegenheit allerdings kaum denkbar.
Vielleicht geht es auch gar nicht um einen Alleingang, sondern um eine „interimistische“ Vorreiterrolle, damit andere Bistümer unter Verweis auf das „Vorbild“ des sedisvakanten Freiburg nachziehen können? Das Beispiel Rottenburg-Stuttgart legt dies nahe. Und kein regierender Bischof, nicht der alte und nicht der künftige hätten „Schuld“ daran.
Erzdiözese Freiburg: konsequent einseitige Umkehrung der Realität
Mit der Scheidung und einer Zweit- oder Drittehe leben Katholiken wegen der Unauflöslichkeit der Ehe im Stand der Sünde und dürfen daher nicht die Sakramente empfangen. Seit der Liberalisierung der Ehescheidung und den steigenden Scheidungsraten betrifft der Zustand der Unordnung zahlreiche Katholiken, die sich in ihrem Verhalten oft wenig von Nichtkatholiken oder Nichtchristen unterscheiden. Das Problem „nagt am Vertrauen vieler Katholiken in die Kirchenführung“, wie man in der Erzdiözese Freiburg unter offenkundiger Umkehrung der Vorzeichen meint.
Nicht der Mensch habe sich an die göttliche Ordnung zu halten, sondern die Kirche diese den Wünschen der Menschen „anzupassen“. So offen sagt man es in Freiburg nicht, gemeint ist es aber so. In der Freiburger Diözesandiktion heißt es: „Nun scheint sich die Kirche zu öffnen und sich den Sorgen der Betroffenen zu stellen: Die Erzdiözese Freiburg geht auf wiederverheiratet Geschiedene zu. Unter anderem soll ihnen der Weg zur Heiligen Kommunion eröffnet werden“, wie das Kölner Domradio wohlwollend berichtet.
„Im Kontakt mit Geschiedenen und wiederverheirateten Geschiedenen geht es darum, dass die menschenfreundliche und respektvolle Grundhaltung Jesu erfahrbar wird“, heißt es in der neuen „Handreichung zur Begleitung von Menschen in Trennung, Scheidung und nach ziviler Wiederverheiratung“.
In Freiburg steht „Unauflöslichkeit der Ehe“ nur mehr auf tönernen Füßen
Die Erzdiözese Freiburg beeilt sich, zu betonen, daß die „Unauflöslichkeit der Ehe“ nicht zur Disposition stehe. Die Tatsachen zeigen jedoch etwas anderes. Die Betroffenen werden von öffentlichen Sündern zu „Opfern“ uminterpretiert. In fast völliger Ermangelung eines Sündenbewußtseins, eine nicht schwer vollziehbare Kehrtwende. In Freiburg beruft man sich dabei auf Papst Franziskus, der „Interesse an einer Überwindung der Umgangsformen bekundet habe, die diese Personengruppen stigmatisieren“.
„Stigmatisieren?“ Die Kirche, die sich selbst beschuldigt, Gläubige zu stigmatisieren? Man traut den eigenen Ohren nicht. Der Ausschluß von den Sakramenten, eine Folge einer von den Betroffenen frei getroffenen Entscheidung wird in Freiburg zu einer „Stigmatisierung“ umgebogen. Werden wiederverheiratete Geschiedene tatsächlich von irgendwem in der Kirche „stigmatisiert“? Oder dient die ebenso haltlose wie völlig überzogene Formulierung zur Erzeugung eines Rechtfertigungsklimas für einen Angriff auf die katholische Lehre?
Objektive Kriterien für Kommunionempfang werden durch subjektive Meinungen ersetzt
In der „Handreichung“ heißt es: Als „Voraussetzungen“ für den Empfang der Sakramente der Taufe, der Heiligen Kommunion, der Firmung, der Versöhnung und der Krankensalbung werden in der Handreichung eine „verantwortlich getroffene Gewissensentscheidung“, ein „fundierter Gesprächsprozeß“ mit einem Pfarrer sowie eine „erforderliche konkrete Glaubensdisposition“ genannt.
Objektive Kriterien werden durch subjektive ersetzt. Die genannten „Voraussetzungen“ sind nicht greifbar. Sie überlassen jedem Priester in Eigenregie die Entscheidung, wiederverheiratet Geschiedene zu den Sakramenten zuzulassen. Die beschworene „Unauflöslichkeit der Ehe“ steht damit nur mehr auf höchst tönernen Füßen. Sie wird nicht rechtlich, aber in der Praxis aufgehoben.
Die im Widerspruch zum katholischen Glauben getroffenen Lebensentscheidungen werden durch das subjektive Empfinden der Betroffenen und des Priesters nachvollzogen. Die Schere zwischen kirchlichem Anspruch und kirchlicher Wirklichkeit klafft damit noch weiter auseinander und beschädigt das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der kirchlichen Lehre und die Kirche selbst.
Umfragen unter Priestern zeigen eine hohe Bereitschaft, alle „Interessierten“ zu den Sakramenten zuzulassen. Objektive Hinderungsgründe werden häufig als „störend“ empfunden. Die Folgen der „Handreichung“ sind damit leicht absehbar.
Die Erzdiözese Freiburg geht die Frage jedoch konsequent einseitig an. „Viele Seelsorger, die im Gespräch mit wiederverheirateten Geschiedenen stehen, seien verunsichert. Sie nähmen wahr, dass die Betroffenen sich oft ausgegrenzt fühlten und darunter litten, andererseits wüssten sie um die Vorgaben der kirchlichen Lehre und des Kirchenrechts.“, so Domdekan Andreas Möhrle. Die „Handreichung“ soll „Orientierung“ bieten. Eine Orientierung, die weg von der kirchlichen Ehe- und Sakramentenlehre führt.
„Spezielle Gebetsfeiern“ für Wiederverheiratete: erster Schritt zur zweiten kirchlichen Trauung
Sogar „spezielle „Gebetsfeiern“ für Wiederverheiratete sind vorgesehen. Sie dürfen zwar keine der Trauung ähnlichen Segnungsfeiern sein, doch der Sinn ist der, einen möglichst äquivalenten Ersatz zu bieten. Eine Form von Etikettenschwindel. Man nenne es nicht Trauung, aber de facto kommt es ihr gleich. Man sage nicht, die Ehe sei auflöslich, doch in der Praxis ist sie es. Die Kirche habe sich dem subjektiven Gewissen des Einzelnen anzupassen und als Dienstleister entsprechendes Angebot bereitzustellen.
Kirchliche Lehre und Klarstellung durch Glaubenspräfekt Müller von Freiburg ignoriert
Erst am 8. Juni hatte Kurienerzbischof Gerhard Ludwig Müller, der Präfekt der Glaubenskongregation mit einem ausführlichen Aufsatz in der Tagespost in Erinnerung gerufen, daß es keine Möglichkeit gibt, geschiedene Katholiken nach einer neuerlichen Heirat zum Kommunionempfang zuzulassen, auch nicht in Einzelfällen. Die Unauflöslichkeit jeder gültig geschlossenen sakramentalen Ehe habe absolute Bedeutung. Es handle sich dabei um eine „göttliche Norm“ zum Wohl der Menschen, die von der Kirche nicht geändert werden könne.
Eine Ermahnung, über die man sich in Freiburg im Namen „pastoraler Bedürfnisse“ ebenso hinwegsetzt wie über das Kirchenrecht und die katholische Glaubenslehre.
In Rottenburg-Stuttgart „bereits seelsorgliche Praxis“
Freiburg ist dabei keine Ausnahme. Der Sprecher des benachbarten Bistums Rottenburg-Stuttgart, Uwe Renz gab bekannt, daß es in der Diözese zwar keine „Handreichung“ wie in Freiburg gebe, aber deren Inhalt „bereits seelsorglicher Praxis in der Diözese Rottenburg-Stuttgart“ entspreche.
Soll der institutionelle Schritt Freiburgs Vorreiterrolle sein, um eine bereits verbreitete Praxis des Ungehorsams durchzusetzen und Druck auf die Arbeitsgruppe der Deutschen Bischofskonferenz ausüben, die sich zur Frage äußern soll? Der institutionalisierte Ungehorsam in der deutschen Kirche erreicht in Freiburg eine neue Qualität, der kaum noch hinter verschleiernden Worten versteckt wird.
Text: Andreas Becker
Bild: Erzbistum Freiburg