(Moskau) Rußland übernahm nach dem Ende der Sowjetdiktatur nicht nur ein historisch belastetes Erbe. 70 Jahre Kommunismus haben die Grundlage von Volk und Staat schwer beschädigt. Die russische Familie ist vielfach ein zerrüttete Familie. Scheidung und Abtreibung gehören zu Selbstverständlichkeiten. Die kaputte Familie gefährdet das Staatswesen, die Abtreibung beraubt der Zukunft. Die russische Regierung versucht dagegen Maßnahmen zu ergreifen. Die Abtreibung wurde bereits eingeschränkt und soll weiter eingeschränkt werden, um die demographische Krise unter Kontrolle zu bringen. Nun will Rußlands Ministerpräsident Dmtri Medwedew auch die Scheidung erschweren.
Während in westlichen Staaten über schnellere Scheidungsverfahren diskutiert wird, die möglichst wenig Zeit in Anspruch nehmen und noch weniger Kosten sollen, überlegt Rußlands Regierung, die Steuern für eine Scheidung zu erhöhen. Die Scheidungsrate in Rußland ist enorm hoch und liegt bei 54 Prozent aller Ehen.
Derzeit beträgt die Steuer, die bei einer Scheidung zu entrichten ist, 400 Rubel, umgerechnet 13 Euro. Wie Ministerpräsident Dmitri Medwedew ankündigte, könnte die Scheidungssteuer demnächst auf die Hälfte eines Monatslohns angehoben werden. Im Durchschnitt wären das 30.000 Rubel oder umgerechnet etwa 950 Euro.
Putins Ziel scheint es, durch Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen den unter dem Kommunismus erfolgten gesellschaftspolitischen Dammbruch zu reparieren. Ziel der Steuererhöhung, so Medwedew, sei es, schnelle und leichte Scheidungen einzubremsen. Es gehe aber auch um die Förderung von mehr Verantwortungsbewußtsein. Eine hohe Scheidungssteuer könnte vor voreiligen Eheschließungen abhalten, weil man ohnehin eine Scheidung nach wenigen Jahren miteinkalkuliert. Überlegte Eheschließungen seien stabiler und weniger krisenanfällig.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana